Gesundheits-Checks sind für viele Patienten ein guter Grund, den Hausarzt aufzusuchen. Die Bandbreite der Kontroll- und Interventionsmöglichkeiten ist groß und reicht von der Blutdruckmessung über die Raucherberatung bis zur Ultraschalluntersuchung. Nicht alle diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen sind sinnvoll, sollten deshalb vom Arzt immer wohlüberlegt ausgewählt werden und sich dabei am Alter und individuellen Risiko, aber auch an den Prioritäten und Präferenzen des Patienten orientieren.
Check-up-Untersuchungen sind beim Hausarzt häufig. Sie haben das Ziel, Krankheiten zu verhindern und asymptomatische Erkrankungen noch im Frühstadium zu erkennen, um eine frühzeitige Behandlung einzuleiten [12, 22]. Oft suchen die Patienten auch lediglich eine Bestätigung dafür, gesund zu sein, oder verfolgen zusätzlich eine "Hidden Agenda" [9]. Den einzelnen Beweggrund des Patienten für den Arztbesuch zu erkennen, wie etwa die Angst vor einer Krebsdiagnose aufgrund einer familiären Vorbelastung, ist wichtig für die Patientenzufriedenheit und eine gute Arzt-Patienten-Beziehung. Deshalb sollte der Hausarzt diese Beweggründe unbedingt eruieren.
Die Herausforderung des Check-ups liegt im vernünftigen und risikoangepassten Einsatz von diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen. Eine Überdiagnostik kann zu falsch-positiven Ergebnissen mit negativen Konsequenzen wie interventionsassoziierten Komplikationen, Stress und unnötigen Kosten führen [3, 16]. Neben evidenzbasierten Interventionen im Rahmen der Check-up-Untersuchung, die berücksichtigt werden sollten, ist es wichtig, diese Gesundheitskontrollen den individuellen Bedürfnissen und der Wertvorstellung der Patienten anzupassen und sie in die Entscheidungsfindung im Sinne eines "Shared Decision Making" mit einzubeziehen.
Aktuelle Empfehlungen
Die Elemente einer Vorsorgeuntersuchung ergeben sich aus ihren Zielen: alters- und risikoadaptierte Beratung und Evaluation des Impfstatus sowie Screening zur Früherkennung von Erkrankungen. Als Instrumente dienen hier die Anamnese, die Kontrolle des körperlichen Status und weitere, apparative Untersuchungen [22, 24]. In Deutschland haben gesetzlich versicherte Patienten ein Recht auf die Durchführung einer allgemeinen Gesundheitsuntersuchung, deren Frequenz und Inhalt vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gesetzlich festgelegt wurde [8, 21]. Screeninguntersuchungen zur Krebsfrüherkennung sind gesondert geregelt [7], sollen aber möglichst im Zusammenhang mit der allgemeinen Gesundheitsuntersuchung angeboten werden [8]. In den USA beurteilt die US Preventive Services Task Force (USPSTF), die aus einem unabhängigen Expertengremium besteht, aktuelle Screening- und Präventionsmaßnahmen, überprüft deren Evidenz und erarbeitet daraus evidenzbasierte Empfehlungen. Ein Überblick über die Inhalte der Gesundheitsuntersuchung und der Krebsfrüherkennung nach G-BA-Richtlinien sowie evidenzbasierten Empfehlungen der USPSTF ist in Tabelle 1 zu finden.
Sinn des Check-ups
Bei der Beratung sollte der Arzt gesundheitsschädigendes Verhalten des Patienten identifizieren und diesem mit einer angemessenen Intervention begegnen. Tabelle 1 zeigt die Empfehlungen bezüglich der anzusprechenden Verhaltensweisen. Vor allem bei der Raucherberatung gibt es eine hohe Evidenz für deren Wirksamkeit: Eine Metaanalyse hat gezeigt, dass schon eine kurze ärztliche Rauchstoppberatung die Rauchstopprate fast verdoppeln kann [19]. Im Sinne der Primärprävention sollte der Arzt auch den Impfstatus nach den aktuellen Impfempfehlungen überprüfen und gegebenenfalls Nachholimpfungen vornehmen [8].
Im Überblick: Vorsorgeempfehlungen nach USPSTF und Gemeinsamem Bundesausschuss (G-BA) [8, 20]. Klicken Sie auf die Abbildung für eine größere Ansicht.
- Handelt es sich um ein relevantes (also häufiges oder mit einer hohen Morbidität und Mortalität einhergehendes) Gesundheitsproblem, das in einer Latenzphase mit validierten Tests detektiert werden kann?
- Sind die Nebenwirkungen der Untersuchung und der Effekt von falsch-positiven oder falsch-negativen Testergebnissen akzeptabel?
- Gibt es wirksame Frühinterventionen, die den natürlichen Verlauf und die Folgen der Erkrankung positiv beeinflussen können?
- Ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Intervention akzeptabel?
- Für welche Zielbevölkerung konnte ein Nutzen der Untersuchung nachgewiesen werden?
- Was sind die Prioritäten und Präferenzen des individuellen Patienten in Bezug auf die Untersuchung und die sich daraus ergebenden Konsequenzen?
In Tabelle 1 sind auch die Screeninguntersuchungen mit dem jeweiligen Evidenzgrad im Hinblick auf deren Nutzen zusammengefasst.
Check-up-Untersuchungen haben ihr Potenzial nicht nur in der Primärprävention und Früherkennung: Seitens des Patienten können sie zur Reduktion seiner Sorgen führen, seitens des Arztes dem "Anticipated Regret" entgegenwirken, also der Angst vor dem Bedauern, eine Erkrankung nicht vorzeitig erkannt zu haben, sollte sie denn diagnostiziert werden [1, 5].
Check-ups können für eine gute Arzt-Patienten-Beziehung und deren Kontinuität, wie erwähnt, förderlich sein [11]. Studien zeigen, dass eine Kontinuität in der Behandlung zu weniger Missbrauch von medizinischen Untersuchungen [17] und weniger vermeidbaren Krankenhausaufenthalten führen kann [13].
Doch alles Unsinn?
Eine Metaanalyse randomisierter Studien kam zu dem Schluss, dass Check-up-Untersuchungen die Gesamt- oder krankheitsspezifische Mortalität nicht beeinflussen und keinen Effekt auf Morbidität, Hospitalisationsraten, Anzahl von Arztbesuchen oder das Fehlen am Arbeitsplatz haben [10]. Angemerkt werden sollte aber, dass die eingeschlossenen Studien eine große methodologische und klinische Heterogenität aufweisen und überwiegend vor 1990 durchgeführt wurden, wobei sich die Untersuchungsmethoden und therapeutischen Möglichkeiten in der Zwischenzeit geändert haben [18].
Generell sind Vorsorgeuntersuchungen zeitintensiv und können deshalb eine Belastung der Ressourcen verursachen. So haben Studienautoren berechnet, dass ein Arzt mit einem Patientenstamm von 2.500 Patienten durchschnittlich 7,4 Stunden pro Arbeitstag aufwenden müsste, um den Empfehlungen für die primärpräventiven Maßnahmen der USPSTF gerecht zu werden [25].
Eine weitere Problematik von Vorsorgeuntersuchungen ist die intrinsische Limitation diagnostischer Tests. Falsch-negative Testergebnisse können Ärzte und Patienten in falscher Sicherheit wiegen. Die Auswirkungen von falsch-positiven Fehlmessungen lassen sich an einer 2011 publizierten Studie zur Frühdetektion von Ovarialkarzinomen gut zeigen. Für die Untersuchung wurden 78.216 Frauen zwischen 55 und 74 Jahren zu einem Screening mittels Ultraschalls und CA-125 oder üblicher Behandlung ("Usual Care") randomisiert. Ein Ovarialkarzinom diagnostizierte man bei 212 Frauen in der Interventions- und bei 176 in der Kontrollgruppe. Die krankheitsspezifische Mortalität unterschied sich in beiden Gruppen nicht, dafür kam es bei 3.285 Frauen zu falsch-positiven Befunden. 1.080 von ihnen wurden unnötig operiert und 163 erlitten mindestens eine schwerwiegende Komplikation [2]. Dass die falsch-positiven Resultate bei diesen Frauen auch zu relevanten psychologischen Belastungssituationen führen, lässt sich leicht ausmalen.
Um sich Zeit, unnötige Kosten und belastende Folgen falsch-positiver Ergebnisse zu sparen, sollte man daher Vorsorgeuntersuchungen mit ungenügender Evidenz bei asymptomatischen Patienten vermeiden, wie etwa die Durchführung eines (Belastungs-)EKGs bei Patienten mit niedrigem kardiovaskulärem Risiko, einer Karotis-Duplexsonographie und eines Lungenfunktionstests zur Suche nach einer COPD oder eines Urinstatus zur Diagnose eines Harnwegsinfekts bei nicht-schwangeren Patienten [4, 20].
Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (18) Seite 49-52