Um den Grundstein für eine gute Therapie zu setzen, ist insbesondere bei Patienten mit psychischen Störungen eine adäquate Patientenkommunikation von entscheidender Bedeutung. Da auch bei diesen Erkrankungen häufig der Hausarzt als Erstes aufgesucht wird, kann Ihnen eine gute Kenntnis der kommunikativen Eigenheiten dieser Krankheitsbilder weiterhelfen. In diesem Beitrag werden einige grundlegende Strategien für wertschätzende Kommunikation bei Depressionen, Demenz und Angsterkrankungen aufgeführt.
Warum ist das Thema so wichtig?
Die Kommunikation mit Patienten mit Depressionen, Angststörungen oder Demenz stellt eine besondere Herausforderung für den Hausarzt dar, denn aufgrund ihrer Erkrankung zeigen diese Menschen ein sehr spezielles, oftmals eingeschränktes kommunikatives Verhalten:
Gerade in einer Hausarztpraxis ist es für eine adäquate Patientenkommunikation wichtig, die individuellen kommunikativen Besonderheiten und Ressourcen der Erkrankten zu berücksichtigen und sich flexibel an die wechselnden Gesprächsbedingungen anzupassen.
Depression
Antriebslosigkeit, Verlust von Interessen, reduzierte Kommunikationsbereitschaft, eine kurze Konzentrationsspanne und das sogenannte "Morgentief" sind ganz klassische Symptome im Rahmen einer Depression. Folglich kann schon das morgendliche Aufstehen ein unüberwindbares Hindernis darstellen. Da sich der Depressionszustand im Tagesverlauf meist verbessert, wäre es daher ratsam, Termine nicht auf frühe Vormittagsstunden zu legen. Weiterhin ist es wichtig, sowohl ihre Niedergeschlagenheit als auch das Klagen als Krankheitssymptome anzuerkennen. Die Betroffenen können die Dinge nicht positiv betrachten und neigen dazu, alles zu "katastrophisieren". Dabei sollten die Aussagen von Menschen mit Depressionen weder bagatellisiert noch schöngeredet werden. Auch "gut gemeinte" Ratschläge, die bei Gesunden durchaus fruchten würden, helfen hier nicht weiter. Sie suggerieren dem Patienten eher, dass er sich nur anstrengen müsse, damit es ihm wieder besser geht. Diesen Menschen sollte mit wertschätzendem Verständnis begegnet und konkrete Hilfe in Form behutsamer Aktivierung angeboten werden. Positives Feedback bereits für kleine Handlungsfortschritte, nicht zuletzt durch nonverbale Signale, spielt in diesem Kontext eine nicht zu unterschätzende Rolle. Geäußerte Suizidgedanken oder -absichten müssen stets ernst genommen und bei Bedarf weiterführende Hilfsmaßnahmen durch entsprechendes Fachpersonal initiiert werden.
Demenz
Im Laufe ihrer Erkrankung büßen Menschen mit Demenz die Fähigkeit ein, sich verbal auszudrücken und Sprache zu verstehen. Neben Gedächtnisproblemen sind daher Wortfindungsstörungen oder das Faden-Verlieren mitten im Gespräch typische Demenzsymptome. Durch das nachlassende Kurzzeitgedächtnis kann ein Satz wie "Bitte setzen Sie sich hin, denn ich möchte jetzt Ihren Blutdruck messen, der in der Vergangenheit immer etwas zu hoch war" nicht mehr adäquat verarbeitet werden. Die Sätze sollten folglich kurz sein und nach Möglichkeit nur eine Information pro Satz enthalten. Zu vermeiden sind auch "W-Fragen", z. B. "Was gab es denn heute bei Ihnen zum Frühstück?" oder "Warum sind Sie heute zu mir gekommen?". Diese Fragen sind ebenso wie "Oder-Fragen" ab einem bestimmten Krankheitsstadium zu komplex, um beantwortet zu werden. Des Weiteren sollte immer langsam, freundlich und im angemessenen Ton gesprochen werden, da Menschen mit Demenz insbesondere auf die emotionalen Inhalte einer Kommunikationssituation reagieren. Aufgrund der gestörten Informationsverarbeitung des Gehirns brauchen die Betroffenen zunehmend länger, um auf Fragen zu antworten. Diese Zeit sollte man ihnen unbedingt zugestehen! Werden Fragen wiederholt, so ist es wichtig, dies stets im gleichen Wortlaut zu tun, um die Patienten nicht unnötig zu verwirren. Im fortgeschrittenen Stadium der Demenz werden scheinbar offensichtliche Tatsachen verkannt oder von den Erkrankten anders wahrgenommen. Man sollte nicht versuchen, dagegen zu argumentieren oder Aussagen zu korrigieren, da in dieser Krankheitsphase bereits die rationale Einsicht nicht mehr möglich ist. Eine adäquate Kommunikation kann hierbei nur auf einer Realitätsebene stattfinden, in der sich der Mensch mit Demenz gerade befindet.
Angststörungen
Menschen mit Angsterkrankungen müssen oftmals die Erfahrung machen, dass andere ihre Ängste nicht nachvollziehen können und deswegen bagatellisieren. "Was soll im Fahrstuhl schon passieren?" wird keinen Patienten mit einer Klaustrophobie beruhigen. Und wer noch nie eine Panikattacke selbst erlebt hat, weiß auch nicht, wie es sich anfühlt, keine Luft mehr zu bekommen, weil der Brustkorb wie eingeschnürt ist. Für einen empathischen Umgang muss zunächst die Angst als Krankheit akzeptiert werden. So kann man sich beispielsweise gut vorstellen, dass ein voll besetztes und enges Wartezimmer an einem Montagmorgen für einen Angstpatienten nur schwer auszuhalten ist. Alternative Termine oder Wartemöglichkeiten wären nur einige der denkbaren Optionen zur Vermeidung von Konflikten.
Setzt man diese Menschen jedoch unter Druck, erreicht man nur das Gegenteil. Auch spontane "Therapieangebote", wie z. B. gemeinsam im Fahrstuhl zu fahren, sind in diesem Zusammenhang nicht ratsam. Ist der Patient dagegen bereit, kleine Schritte zu unternehmen, um sich seinen Ängsten zu stellen, sollten diese Bemühungen entsprechend wertgeschätzt und honoriert werden. Mit viel Verständnis und Geduld sowie ggf. professioneller Unterstützung können Angstsituationen entschärft und angstauslösende Faktoren dauerhaft überwunden werden.
Interessenkonflikte: Die Autoren haben keine deklariert
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (12) Seite 58-60