Um den Grundstein für eine gute Therapie zu setzen, ist insbesondere bei Patienten mit psychischen Störungen eine adäquate Patientenkommunikation von entscheidender Bedeutung. Da auch bei diesen Erkrankungen häufig der Hausarzt als Erstes aufgesucht wird, kann Ihnen eine gute Kenntnis der kommunikativen Eigenheiten dieser Krankheitsbilder weiterhelfen. In diesem Beitrag werden einige grundlegende Strategien für wertschätzende Kommunikation bei Depressionen, Demenz und Angsterkrankungen aufgeführt.

Ein Fall aus der hausärztlichen Praxis
Reibungslose Kommunikation und ein wertschätzender Umgang mit Menschen, die unter psychischen Störungen leiden, sind nicht immer einfach. Das Verhalten der Erkrankten lässt sich oftmals nur schwer nachvollziehen, und viele alltägliche Situationen bergen ungeahntes Konfliktpotenzial. Der folgende Fall könnte sich in ähnlicher Weise in einer Hausarztpraxis zugetragen haben:

Frau Schwarz ist Anfang 70 und leidet besonders seit dem Tod ihres Mannes vor fünf Jahren unter rezidivierenden Depressionen. Dazwischen hat sie längere Perioden, in denen es ihr gut geht und sie sich um die Belange ihres Lebens ohne Probleme eigenständig kümmern kann. Doch wenn die Depression zuschlägt, wird selbst das Aufstehen jeden Morgen zu einer kaum zu bewältigenden Aufgabe. Deswegen versäumt sie in ihren depressiven Phasen häufig die morgendlichen Termine bei ihrem Hausarzt, die sie regelmäßig zur Kontrolle ihrer Blutwerte wahrnehmen muss. An solchen Tagen schafft Frau Schwarz es nicht einmal, in der Praxis anzurufen und den Termin abzusagen, wofür sie sich im Nachhinein sehr schämt. Dieses Verhalten stößt auch in ihrer Hausarztpraxis, in der nicht alle Mitarbeiter über die Depression der Patientin Bescheid wissen, auf wenig Verständnis. Als Frau Schwarz nach einem verpassten Termin wieder in der Praxis erscheint, um nach einem neuen Termin zu fragen, macht eine der Arzthelferinnen an der Anmeldung ihrem Ärger Luft und stellt die ältere Dame zur Rede: "Frau Schwarz, das geht so nicht weiter! Dauernd lassen Sie Ihre Termine verstreichen! Es kann doch nicht so schwer sein, einen Termin rechtzeitig abzusagen! Wenn das weiterhin passiert, werden wir ernsthaft über entsprechende Konsequenzen wie eine Ausfallgebühr nachdenken müssen!" Frau Schwarz wird augenblicklich von extremen Schuldgefühlen übermannt und stammelt hilflos: "Das tut mir alles so leid... Glauben Sie mir… Ich kann nicht mehr. Am liebsten wäre ich einfach tot. Dann würde ich niemandem mehr Schwierigkeiten bereiten..." Die Arzthelferin ist völlig sprachlos und weiß nicht, wie sie nun reagieren soll…

Warum ist das Thema so wichtig?

Die Kommunikation mit Patienten mit Depressionen, Angststörungen oder Demenz stellt eine besondere Herausforderung für den Hausarzt dar, denn aufgrund ihrer Erkrankung zeigen diese Menschen ein sehr spezielles, oftmals eingeschränktes kommunikatives Verhalten:

Gerade in einer Hausarztpraxis ist es für eine adäquate Patientenkommunikation wichtig, die individuellen kommunikativen Besonderheiten und Ressourcen der Erkrankten zu berücksichtigen und sich flexibel an die wechselnden Gesprächsbedingungen anzupassen.

Depression

Antriebslosigkeit, Verlust von Interessen, reduzierte Kommunikationsbereitschaft, eine kurze Konzentrationsspanne und das sogenannte "Morgentief" sind ganz klassische Symptome im Rahmen einer Depression. Folglich kann schon das morgendliche Aufstehen ein unüberwindbares Hindernis darstellen. Da sich der Depressionszustand im Tagesverlauf meist verbessert, wäre es daher ratsam, Termine nicht auf frühe Vormittagsstunden zu legen. Weiterhin ist es wichtig, sowohl ihre Niedergeschlagenheit als auch das Klagen als Krankheitssymptome anzuerkennen. Die Betroffenen können die Dinge nicht positiv betrachten und neigen dazu, alles zu "katastrophisieren". Dabei sollten die Aussagen von Menschen mit Depressionen weder bagatellisiert noch schöngeredet werden. Auch "gut gemeinte" Ratschläge, die bei Gesunden durchaus fruchten würden, helfen hier nicht weiter. Sie suggerieren dem Patienten eher, dass er sich nur anstrengen müsse, damit es ihm wieder besser geht. Diesen Menschen sollte mit wertschätzendem Verständnis begegnet und konkrete Hilfe in Form behutsamer Aktivierung angeboten werden. Positives Feedback bereits für kleine Handlungsfortschritte, nicht zuletzt durch nonverbale Signale, spielt in diesem Kontext eine nicht zu unterschätzende Rolle. Geäußerte Suizidgedanken oder -absichten müssen stets ernst genommen und bei Bedarf weiterführende Hilfsmaßnahmen durch entsprechendes Fachpersonal initiiert werden.

Demenz

Im Laufe ihrer Erkrankung büßen Menschen mit Demenz die Fähigkeit ein, sich verbal auszudrücken und Sprache zu verstehen. Neben Gedächtnisproblemen sind daher Wortfindungsstörungen oder das Faden-Verlieren mitten im Gespräch typische Demenzsymptome. Durch das nachlassende Kurzzeitgedächtnis kann ein Satz wie "Bitte setzen Sie sich hin, denn ich möchte jetzt Ihren Blutdruck messen, der in der Vergangenheit immer etwas zu hoch war" nicht mehr adäquat verarbeitet werden. Die Sätze sollten folglich kurz sein und nach Möglichkeit nur eine Information pro Satz enthalten. Zu vermeiden sind auch "W-Fragen", z. B. "Was gab es denn heute bei Ihnen zum Frühstück?" oder "Warum sind Sie heute zu mir gekommen?". Diese Fragen sind ebenso wie "Oder-Fragen" ab einem bestimmten Krankheitsstadium zu komplex, um beantwortet zu werden. Des Weiteren sollte immer langsam, freundlich und im angemessenen Ton gesprochen werden, da Menschen mit Demenz insbesondere auf die emotionalen Inhalte einer Kommunikationssituation reagieren. Aufgrund der gestörten Informationsverarbeitung des Gehirns brauchen die Betroffenen zunehmend länger, um auf Fragen zu antworten. Diese Zeit sollte man ihnen unbedingt zugestehen! Werden Fragen wiederholt, so ist es wichtig, dies stets im gleichen Wortlaut zu tun, um die Patienten nicht unnötig zu verwirren. Im fortgeschrittenen Stadium der Demenz werden scheinbar offensichtliche Tatsachen verkannt oder von den Erkrankten anders wahrgenommen. Man sollte nicht versuchen, dagegen zu argumentieren oder Aussagen zu korrigieren, da in dieser Krankheitsphase bereits die rationale Einsicht nicht mehr möglich ist. Eine adäquate Kommunikation kann hierbei nur auf einer Realitätsebene stattfinden, in der sich der Mensch mit Demenz gerade befindet.

Angststörungen

Menschen mit Angsterkrankungen müssen oftmals die Erfahrung machen, dass andere ihre Ängste nicht nachvollziehen können und deswegen bagatellisieren. "Was soll im Fahrstuhl schon passieren?" wird keinen Patienten mit einer Klaustrophobie beruhigen. Und wer noch nie eine Panikattacke selbst erlebt hat, weiß auch nicht, wie es sich anfühlt, keine Luft mehr zu bekommen, weil der Brustkorb wie eingeschnürt ist. Für einen empathischen Umgang muss zunächst die Angst als Krankheit akzeptiert werden. So kann man sich beispielsweise gut vorstellen, dass ein voll besetztes und enges Wartezimmer an einem Montagmorgen für einen Angstpatienten nur schwer auszuhalten ist. Alternative Termine oder Wartemöglichkeiten wären nur einige der denkbaren Optionen zur Vermeidung von Konflikten.

Setzt man diese Menschen jedoch unter Druck, erreicht man nur das Gegenteil. Auch spontane "Therapieangebote", wie z. B. gemeinsam im Fahrstuhl zu fahren, sind in diesem Zusammenhang nicht ratsam. Ist der Patient dagegen bereit, kleine Schritte zu unternehmen, um sich seinen Ängsten zu stellen, sollten diese Bemühungen entsprechend wertgeschätzt und honoriert werden. Mit viel Verständnis und Geduld sowie ggf. professioneller Unterstützung können Angstsituationen entschärft und angstauslösende Faktoren dauerhaft überwunden werden.

Fazit
Unabhängig von der Art der psychischen Störung empfiehlt es sich generell für das Gelingen einer wertschätzenden Kommunikation, den jeweiligen Gesprächspartnern Offenheit und Interesse zu signalisieren. Hierbei können Ich-Botschaften und offen formulierte Fragen ("Wie kann ich Ihnen helfen?" oder "Was genau möchten Sie im Moment?") eine konfrontative Situation entschärfen und das bestehende Problem in Richtung möglicher Lösungsansätze lenken. Da viele in unseren Augen unangemessene Reaktionen zumeist symptomatisch für die jeweilige Erkrankung sind, sollten sie nicht persönlich genommen oder als bewusste Provokation verstanden werden. Oftmals können die Betroffenen gar nicht anders reagieren. Eine ruhige und respektvolle Haltung ist in den meisten Situationen die hilfreichste Alternative. Auch bei Beleidigungen sollte man nach Möglichkeit versuchen, sich deeskalierend zu verhalten, um die Fronten nicht weiter zu verhärten. Mögliche Auswege können sachliche Feststellungen oder Fragen liefern, wie z. B. "Wie meinen Sie das genau?" oder "Was macht Sie gerade so wütend?". Patentlösungen für angemessene Kommunikation mit psychisch erkrankten Menschen lassen sich nicht formulieren. In jedem Einzelfall muss das verfügbare Spektrum kommunikativer Strategien neu ausgelotet und nach Bedarf flexibel angepasst werden. Immer gilt jedoch, dass der Versuch einer Kommunikation stets besser ist, als es gar nicht erst zu probieren.


Weiterführende Literatur
• Dietrich DE, Goesmann C, Gensichen J,‎ Hauth I, Veit I (Hrsg. ) (2018) Praxisleitfaden Psychische Erkrankungen: Von Hausärzten und Psychiatern gemeinsam für die Praxis erarbeitet. Hogrefe, Göttingen
• Haberstroh J, Pantel J (2011) Kommunikation bei Demenz. TANDEM Trainingsmanual. Springer, Berlin
• Hammer M, Plößl I (2015) Irre verständlich. Menschen mit psychischer Erkrankung wirksam unterstützen. Psychiatrie Verlag GmbH, Köln
• Jacobi F, Höfler M, Strehle J, Mack S, Gerscher A, Scholl L et al. (2014) Psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung. Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland und ihr Zusatzmodul Psychische Gesundheit (DEGS1-MH). Nervenarzt 85: 77-87
• Mahnkopf A (2015) Umgang mit depressiven Patienten. Psychiatrie Verlag, Köln
• Schürch F (2012) Alzheimer in der Hausarztpraxis: Wegweiser für die Medizinische Praxisassistenz. Hans Huber, Bern


Autoren:

Arthur Schall (Foto), Valentina Tesky, Anne Messemaker

Institut für Allgemeinmedizin
Goethe-Universität
Frankfurt am Main

Interessenkonflikte: Die Autoren haben keine deklariert



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (12) Seite 58-60