Immer wieder geraten Hausärzte in die Situation, von Patienten wegen eines Schadens im Verlauf der Behandlung beschuldigt zu werden. Diese behaupteten Schadensfälle eskalieren oft unabhängig davon, ob die Patientenvorwürfe berechtigt sind oder nicht und können bis zum Zivil- oder Strafprozess führen. Wie verhalte ich mich als Arzt in einer solchen Situation rechtssicher und wie kann dieser Verlauf verhindert werden? Die Weichenstellung geschieht meist im Arzt-Patienten-Gespräch.

Bereits in der Behandlungsphase sollte ein Klima des Vertrauens geschaffen werden. Ein Patient, der sich angenommen fühlt, wird bei Ausbleiben eines Behandlungserfolges oder wenn tatsächlich ein Fehler passiert, eher das Gespräch suchen als ein Schadenersatzverfahren einzuleiten oder einen Strafantrag zu stellen.

Kommunikation in der Behandlung

Für den Arzt/die Ärztin bedeutet dies zunächst einmal einen angemessenen Gesprächsrahmen zu schaffen. Der Patient muss spüren, dass sein Arzt/seine Ärztin jetzt nur für ihn da ist. Hierzu gehört es, "wirklich anwesend" zu sein, also sich genügend Zeit zu nehmen und Störungen wie Telefonate, patientenunabhängige Fragen des Personals bzw. Schreibarbeiten zu vermeiden. Wichtig ist auch der Gesprächsbeginn: Zimmertür schließen (damit niemand mithören kann). Das Gespräch ist dann verständlich zu führen, also ohne Fachsprache. Wichtig sind ein aktives Zuhören mit Zeichen des Nachvollziehens (Nicken, Wiederholung) sowie offene Fragen ("Wie kommen Sie mit dem Medikament klar?", "Wie geht es Ihnen?", "Wie kommen Sie jetzt zu Hause zurecht?").

Das Patientenrechtegesetz

Inhaltlich – da führt kein Weg daran vorbei – sind die Regeln des "Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten" (Patientenrechtegesetz) zu beachten, welches durch die §§ 630a–h in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt wurden. Zu den Informationspflichten heißt es dort insbesondere: Behandelnder und Patient sollen zur Durchführung der Behandlung zusammenwirken. Der Behandelnde ist verpflichtet, dem Patienten in verständlicher Weise zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern, insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen.

Besonderen Wert legt das Patientenrechtegesetz auch auf die Risikoaufklärung. Der Behandelnde ist verpflichtet, den Patienten mündlich, rechtzeitig und verständlich über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.

Kommunikation bei Vorwürfen

Ein Gespräch, in dem der Patient dem Arzt Vorwürfe macht, könnte in manchen Fällen die letzte Chance sein, einen Gerichtsprozess oder einen Medienbericht zu vermeiden. So selten, wie man vielleicht meinen könnte, sind Vorwürfe nicht. Immerhin liegt in der statistischen Erhebung der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen für das Jahr 2016 der hausärztlich tätige Arzt auf Platz 2 der häufigsten beteiligten Fachgebiete [1].

Oft geht es dem Patienten in einem solchen Gespräch zunächst einmal nicht um Schadenersatz, sondern um Mitgefühl und um sachliche Erklärungen. Dem kann und sollte man entsprechen.

Ein Gespräch, in dem der Arzt Verständnis für die Situation des Patienten zeigt, kann Frieden stiften und ein langes und kräftezehrendes Verfahren verhindern. Dabei gilt es einen natürlichen Reflex zu kennen und zu unterdrücken. Jeder kennt das: Ich werde angegriffen und gehe zunächst einmal in die Verteidigung. Genau das aber wäre in einem Konfliktgespräch mit dem Patienten falsch. Der Arzt wird immer als der Stärkere wahrgenommen; er braucht sich also nicht in einen Disput zu begeben, sondern er kann das Gespräch steuern. Aus dieser Position heraus sind Aussagen wie "Der Verlauf tut mir leid" oder Fragen nach dem "Wie geht es Ihnen?" bzw. "Wie kann ich Ihnen helfen?" besonders wichtig.

Kasten 1: Eskalation Zivilverfahren
Die Geltendmachung von Schadenersatzforderungen kann über verschiedene Wege erfolgen – zum Beispiel:
  • Forderung eines Patienten oder seines Rechtsanwalts
  • Bitte des Patienten um Einsicht in die Krankenunterlagen
  • Schreiben eines Rechtsanwalts, einer Schlichtungsstelle oder einer Krankenkasse
Im Weiteren kann erfolgen:
  • Die Zustellung eines Mahnbescheids oder einer Klage
  • Die Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens
  • Die Einleitung eines Strafverfahrens (s. Kasten 2)
Tipps für das Verfahren
  • Informieren Sie den Haftpflichtversicherer über einen drohenden Schadensfall sowie stets auch über Weiterungen wie die Einleitung eines Gutachter- und Schlichtungsverfahrens.
  • Im Falle der Zustellung einer Klage oder eines Mahnbescheides sind die dort genannten Fristen unbedingt einzuhalten. Fotokopieren Sie diese Unterlagen komplett (wegen des Zustellungsdatums auch den Umschlag) und leiten Sie dem Versicherer die Ablichtungen weiter.
  • Überprüfen Sie vorsichtshalber innerhalb der Fristen durch einen Telefonanruf, ob die Unterlagen angekommen sind.

Bis heute hält sich das Gerücht, dass wahrheitsgemäße Erklärungen zum Behandlungsverlauf, also Informationen über Fakten, den Versicherungsschutz gefährden. Dies ist falsch. Sind tatsächlich Fehler passiert und muss man deshalb zwingend intervenieren (z. B. den Patienten über einen fehlinterpretierten Konsiliarbericht informieren), ist ein solches Gespräch sogar zwingend.

Lediglich auf ein Haftungsanerkenntnis sollte man verzichten. Ein wirksames Haftungsanerkenntnis lautet etwa: "Ich bin an Ihrem Schaden schuld und ich komme für die finanziellen Folgen auf." Durch ein solches Anerkenntnis verwirkt man zwar nicht per se den Versicherungsschutz. Aber: Das Anerkenntnis ist eine wirksame Verpflichtung gegenüber dem Patienten, die neben der Haftung zusätzlich besteht. Es bindet die Haftpflichtversicherung logischerweise aber nur, wenn der Anspruch auch ohne Anerkenntnis bestanden hätte. Und genau deshalb sollte man auf ein Anerkenntnis ohne Abstimmung mit dem Versicherer verzichten.

Beispiel: Ein Arzt verabreicht eine Injektion, die unerwünschte Folgen hat. Da ihm dies unangenehm ist, gibt er dem Patienten gegenüber ein Haftungsanerkenntnis ab. Ist der Arzt nun tatsächlich haftbar – etwa, weil er durch eine fehlerhafte Injektionstechnik einen Pneumothorax verursacht hat – tritt die Haftpflichtversicherung trotz Anerkenntnis ein. Besteht dagegen keine Haftung, etwa weil der Arzt ordnungsgemäß über die Möglichkeit eines anaphylaktischen Schocks nach einer Desensibilisierungsinjektion aufgeklärt hatte, bleibt der Arzt durch das Anerkenntnis in der Verpflichtung; die Haftpflichtversicherung dagegen ist nicht eintrittspflichtig.

Die richtige Formulierung

Im Beispielfall hätte der Arzt etwa sagen können: "Ich melde den Vorfall meiner Haftpflichtversicherung. Diese wird zeitnah klären, ob mir ein Fehler unterlaufen ist. Sollte ich den Schaden verschuldet haben, wird meine Versicherung natürlich für diesen aufkommen." Hierdurch kann der Arzt Verantwortung übernehmen und dem Patienten eine Perspektive aufzeigen, ohne Sorge vor späteren Diskussionen über den Versicherungsschutz haben zu müssen.

Kasten 2: Eskalation Strafverfahren: Nützliche Tipps und Hinweise
  • Strafverfahren sind grundsätzlich gefährlich. Es drohen Vorstrafe, Verweigerung der Niederlassung, arbeitsrechtliche Suspendierung, Widerruf/Ruhen der Approbation, Entzug/Ruhen der Kassenzulassung und sogar ein Berufsverbot.
  • Der Versicherer sollte umgehend informiert und die Beauftragung eines Anwaltes abgestimmt werden. Eine Vertretung durch einen versierten Rechtsanwalt ist immer angezeigt. Er alleine kann Akteneinsicht erhalten.
  • Vor Rücksprache mit einem Rechtsanwalt sollte kein Schuldeingeständnis abgegeben werden, am besten auch keine mündlichen Erklärungen zur Sache gegenüber der Polizei oder der Staatsanwaltschaft.
  • Mit dem Rechtsanwalt ist die i. d. R. schriftliche Stellungnahme zum Sachverhalt auszuarbeiten.
  • Informationen sollten im Ermittlungsverfahren nicht zurückgehalten werden.
  • Bei einer Durchsuchung sollte man sich eine Ausfertigung des Gerichtsbeschlusses und eine Visitenkarte des zuständigen Polizeibeamten aushändigen lassen. Es sollten keine Erklärungen abgegeben werden und Krankenunterlagen, bevor sie an Ermittlungsbehörden herausgegeben werden, kopiert werden. Über die herausgegebenen Unterlagen sollte man sich ein Verzeichnis geben lassen.
  • Wird man als Zeuge befragt, sollte man sein Aussageverweigerungsrecht nutzen. Dieses besteht, wenn man sich selbst oder nahe Angehörige einer Strafverfolgung aussetzen würde.

Cave: Vorwürfe vonseiten des Patienten lösen meist schon die Verpflichtung aus, den Haftpflichtversicherer zu informieren. In den gängigen Versicherungsbedingungen heißt es nämlich: "Jeder Versicherungsfall ist dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen, auch wenn noch keine Schadenersatzansprüche erhoben wurden." Wenn eine Sache darüber hinaus eskaliert, sind weitere wichtige Veranlassungen zu treffen. Siehe hierzu Kasten 1 zu zivilrechtlichen Schadenersatzansprüchen und Kasten 2 zu Strafverfahren.

Zusammenfassung

Zu Recht wird in der ärztlichen Ausbildung immer mehr Wert auf die sogenannten Soft Skills gelegt, und hierbei vor allem auf die persönlichen sozialen Kompetenzen. Zu diesen gehört die sogenannte "Kommunikations- und Konfliktfähigkeit", die es erlaubt, auf Vorwürfe empathisch zu reagieren, den Dialog durch Aufzeigen von Perspektiven aufrechtzuerhalten und einen drohenden oder tatsächlichen Streit zu befrieden. Im Arzt-Patienten-Verhältnis lohnt es immer, eine Deeskalation zumindest zu versuchen.


Literatur
1) http://www.bundesaerztekammer.de/patienten/gutachterkommissionen-schlichtungsstellen/behandlungsfehler-statistik-2016/praesentation/, dort "Präsentation: Statistische Erhebung der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen" zur Pressekonferenz der Bundesärztekammer "Fehlerhäufigkeiten und Fehlerursachen in der Medizin" am 23.03.2017 in Berlin



Autor:

Patrick Weidinger

Rechtsanwalt, Abteilungsdirektor der Deutschen Ärzteversicherung
51067 Köln



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (3) Seite 53-57