Wird ein Patient stationär eingewiesen, verlässt er die Klinik oft mit einer völlig veränderten Medikation. Wie bewerten Sie die Entlassungsmedikation in diesem Fall? Welche Maßnahmen empfehlen Sie COPD-Patienten außer einer optimalen Medikation? Beantworten Sie diese Fragen zuerst und lesen erst dann weiter. Haben Sie richtig gelegen?

Was ist das Problem?

Der 72-jährige Herr Schneider ist seit sieben Jahren in der Praxis bekannt (vgl. Tabelle 1). Atemnot hat er eigentlich immer. Jetzt ist sie schlimmer geworden. Als er heute die Praxis betritt, steht sein Entschluss schon fest: "Ich möchte in die Lungen-Spezialklinik!" Nach einer Woche wird der Patient entlassen.

Entlassungsmedikation

  • Acetylsalicylsäure 100 mg 1-0-0
  • Irbesartan 150 mg: 1-0-0
  • Spironolacton 25 mg: 1-0-0
  • Bisoprolol 1,25 mg: 1-0-0
  • Simvastatin 40 mg: 0-0-1
  • Salbutamol-Spray (z. B. Sultanol ®) bedarfsweise
  • Budesonid/Formoterol-Spray 320/9 ug (z. B. Symbicort®)
  • Tiotropiumbromid-Spray 18 ug (z.B. Spiriva®)

Diskutieren Sie die Entlassungsmedikation

Ramipril erhielt der Patient vor dem Klinikaufenthalt primär aus zwei Gründen:

  • Behandlung der Hypertonie
  • positive Beeinflussung der Herzinsuffizienz.

Der Patient wurde wegen Husten in die Klinik eingeliefert. Da die häufigste Nebenwirkung von Ramipril der "ACE-Hemmer-Husten" ist, wurde möglicherweise aus diesem Grund das Medikament auf Irbesartan umgesetzt, um eine mögliche Nebenwirkung nicht durch die Grunderkrankung zu übersehen. Bei den "Sartanen" (AT-I-Blockern) tritt Husten seltener auf.

Bisoprolol: Ein ß-Blocker zählt zur Standardtherapie der Herzinsuffizienz mit reduzierter EF. Entgegen der landläufigen Meinung, dass ß-Blocker generell eine Bronchokonstriktion bei COPD oder Asthma verstärken, sollten ß1-selektive Rezeptorenblocker ausdrücklich eingesetzt werden, weil sie das kardiovaskuläre Risiko senken und keinen relevanten Einfluss auf ß2-Rezeptoren und damit die Bronchialwand haben.

Spironolacton: Das Mineralokortikoid wirksame Diuretikum gehört unter einer EF von 35 % zur Standardtherapie der Herzinsuffizienz.

Die pulmonale Entlassungsmedikation der Lungen-Spezialklinik entspricht weitgehend den GOLD-Empfehlungen von 2016 zur Behandlung der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD).

Als antiobstruktive Basistherapie kommen normalerweise langwirksame Bronchodilatatoren (langwirksame Betamimetika [LABA] oder langwirksame Anticholinergika [LAMA]), bei fortgeschrittenem Stadium eine Kombination beider, zum Einsatz.

Budesonid/Formoterol und Tiotropium: Die bei leichteren Formen normalerweise verordnete feste Kombination aus LABA und LAMA wird nun in eine Kombination aus LABA und ICS und eine Monotherapie mit einem LABA aufgeteilt. Unser Patient hätte ohnehin sein vertrautes Symbicort® aus Gewohnheit nicht aus der Hand gegeben. Da es die zweite Exazerbation in einem Jahr war, ist die weitere Gabe zu rechtfertigen. Tiotropium hat sich bewährt, um eine pulmonale Überblähung zu vermindern und die körperliche Leistungsfähigkeit zu verbessern. Die langwirksamen Bronchodilatatoren gelten als sicher und erhöhen nach neuen Erkenntnissen nicht das kardiovaskuläre Risiko, was bei unserem Patienten von besonderer Bedeutung ist. Einzig eine gewisse Mundtrockenheit ist zu befürchten. Das inhalative Kortikoid kann einen Mund-Soor verursachen, weshalb dem Patienten das Ausspülen des Mundes nach der Inhalation nahegelegt werden muss.

Sultanol® (Salbutamol): Bei Auftreten von akuter Atemnot sollte jeder COPD-Patient wie jeder Asthmatiker ein schnellwirksames Spray zur Hand haben. Es ist damit zu rechnen, dass die Herzfrequenz steigt, was möglicherweise zu einer vermehrten Belastung führen kann. Dies ist insbesondere angesichts der bekannten Herzinsuffizienz und koronaren Herzerkrankung in Betracht zu ziehen. Eine Kontraindikation besteht bei Glaukompatienten. Bei dem Patienten ist diesbezüglich jedoch nichts bekannt. Die kurzwirksame Therapie sollte jedoch nicht dauerhaft angewendet werden. Ein häufiger Gebrauch des Sprays spricht für eine schlechte Einstellung der Basistherapie.

Prednisolon:Prednisolon wurde während des stationären Aufenthaltes als orale Stoß-Therapie eingesetzt, sollte aber nicht mehr zur Langzeittherapie bei stabil eingestellter COPD – unabhängig vom Schweregrad – eingesetzt werden, da das Ansprechen bei der zugrundeliegenden Entzündung umstritten ist. Wie oben erwähnt, ist auf eine mögliche Magen-Darm-Ulkus-Problematik zu achten.

Amoxicillin/Clavulansäure: Im Krankenhaus wurde die Infektexazerbation empirisch mit Amoxiclav® 875/125 zweimal tgl. über sieben Tage behandelt. Dies wird in Deutschland zur empirischen antibiotischen Therapie bei klinischen Zeichen für eine bakterielle Infektion (Dyspnoe, vermehrtes gelb-grün verfärbtes Sputum) eingesetzt und bei Patienten, die kurzzeitig eine maschinelle invasive oder nicht-invasive Beatmung benötigen. Alternativ kommen in schweren Fällen Fluorchinolone (z. B. Moxifloxacin oder Levofloxacin) infrage. Besteht ein Risiko für eine Pseudomonas-Infektion (pulmonale Komorbiditäten, kurz zurückliegender Krankenhausaufenthalt, orale Kortisontherapie, Aspiration, kurz zurückliegende Breitspektrum-Antibiose oder Malnutrition), so sind in jedem Fall Moxi- oder Levofloxacin als oral verfügbare, Pseudomonas-wirksame Substanzen zu bevorzugen.

Welche weiteren Maßnahmen empfehlen Sie COPD-Patienten?

Es sollte auf einen konsequenten Impfschutz gegen Pneumokokken und die saisonale Influenza-Grippe (auch schon vor dem 60. Lebensjahr) geachtet werden. Empfehlenswert ist auch die Teilnahme an einer Lungensportgruppe, da hierdurch positive Effekte auf die COPD und die Herzinsuffizienz zu erwarten sind. Physiotherapie und Schulung bezüglich Selbstmanagement können ebenfalls im Einzelfall hilfreich sein.

Was sagt die Leitlinie?

Die neue COPD-Leitlinie wurde am 13.4.2007 publiziert. Neben der klassischen Stadieneinteilung empfiehlt sie den BODE-Index (Tabelle 2), der Atemnot, körperliche Belastbarkeit und Body-Mass-Index berücksichtigt und daher die Beeinträchtigung des Patienten deutlich besser als die FEV1 allein charakterisiert.

Hinsichtlich der Langzeit-Therapie wurde ein aktualisiertes Stufenschema veröffentlicht (Abb. 1). Als Bronchodilatatoren kommen Anticholinergika, Betamimetika, aber auch Theophyllin unter Spiegelbestimmung in Betracht. Glukokortikoide – inhalativ oder oral – kommen infrage, wenn zusätzlich zur COPD eine Asthmakomponente vorliegt oder sich Exazerbationen häufen. Auch Mucolytica können eingesetzt werden. Akute Exazerbationen sind in leichten Fällen mit Sympathomimetika oder Anticholinergica zu behandeln. Bei purulentem Sputum kommen Antibiotika zur Anwendung, in mittelschweren und schweren Fällen zusätzlich Glukokortikoide systemisch.

Wie ging es weiter?

Zunächst stabiler Krankheitsverlauf. Nach drei Wochen nachts dringender Hausbesuch wegen Atemnot – stationäre Einweisung nunmehr wegen dekompensierter globaler Herzinsuffizienz.

Was lernen wir?

Wird ein Patient stationär eingewiesen, verlässt er die Klinik oft mit einer völlig veränderten Medikation. Der Hausarzt sollte alle getroffenen Veränderungen kritisch und selbstkritisch registrieren. Man sollte bei älteren multimorbiden Patienten auf mögliche Wechselwirkungen einer (oftmals schwer zu vermeidenden) Multimedikation achten und Verordnung von potenziell inadäquaten Medikamenten vermeiden. Hilfreich kann hier die PRISCUS-Liste sein.

Vollständiger Impfschutz vor allem bezüglich Influenza und Pneumokokken, Physiotherapie, Schulung und Lungensportgruppen sind neben der suffizienten medikamentösen Einstellung wichtige weitere Elemente der erfolgreichen COPD-Therapie.

100 Fälle
Der hier vorgestellte Fall wurde dem Buch "100 Fälle Allgemeinmedizin" von Prof. Dr. med. Reinhold Klein, erschienen bei Elsevier Urban & Fischer, München, ISBN: 978-437-43572-0, 2. Auflage 2009, entnommen.

Überblick über die bisher in dieser Serie erschienenen Beiträge:



Autor:

Prof. Dr. med. Reinhold Klein

Facharzt für Allgemeinmedizin
Leiter der Lehre am Institut für Allgemeinmedizin der TU München
85235 Pfaffenhofen a. d. Glonn

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (17) Seite 62-66