Die wahnhafte Vorstellung, die eigene Haut sei von Parasiten befallen – Dermatozoenwahn genannt –, führt zu massivem Leidensdruck und ist nicht korrigierbar. Die Patienten sind überzeugt davon, dass sie von Würmern, Milben oder Insekten heimgesucht werden. Um die Plagegeister loszuwerden, greifen sie oft zu drastischen Maßnahmen und schädigen damit ihre Haut. Eigentlich ist die Erkrankung mit Psychopharmaka gut behandelbar. Das Problem: die fehlende Einsicht der Patienten in die Notwendigkeit einer solchen Therapie.

Aus der Gruppe der Wahnerkrankungen ist der Dermatozoenwahn die häufigste Störung, mit der Ärzte konfrontiert werden. Dabei besteht die wahnhafte Annahme, die eigene Haut sei mit Parasiten befallen. An dieser Stelle seien auch die teilweise beim Dermatozoenwahn verwendeten Begriffe der Coenästhesie (Leibeshalluzinose) bzw. der taktilen Halluzinose erwähnt, wobei diese Begriffe als veraltet angesehen werden (Abb. 2). Es handelt sich um seltene Einzelfälle im dermatologischen Gesamtpatientengut, wobei typischerweise meist ältere, sozial isolierte Frauen vom Dermatozoenwahn betroffen sind, welche eine wahnhafte Fixation zeigen.

Mögliche Auslöser

Bei einigen Patienten wird in der Anamnese von einem Auslöser berichtet. So kann am Anfang der Beschwerden auch ein real erlebter eigener Parasitenbefall oder eine Beobachtung im Umfeld stehen, wie beispielsweise eine Pedikulose bei der Enkelin. Die Patienten geben Juckreiz und Kribbeln in der Haut an, verbunden mit der subjektiven Gewissheit, dass die Symptome durch Insekten, Milben, Würmer oder andere Parasiten ausgelöst werden. Manipulationen der Haut im Sinne von Selbstschädigung sollen die vermeintlichen Parasiten entfernen, wodurch Artefakte erzeugt werden können. Vielfach bringen die Patienten die entfernten vermeintlichen Erreger zur weiteren Diagnostik in Dosen und Schachteln zum Arzt oder Gesundheitsamt (Abb. 1a – e). Mikroskopisch und makroskopisch handelt es sich dabei in der Mehrzahl der Fälle um Hautschuppen, Fasern oder Fremdkörper ohne Erreger.

Klinischer Befund

Die klinischen Bilder der artifiziellen Schädigungen kommen in unterschiedlicher Ausprägung vor und sind von der Art der Manipulation, der Hilfsmittel oder angewendeten Substanzen abhängig. Klinisch finden sich meist Exkoriationen oder auch Stichartefakte und Pinzettenartefakte im Bereich der Oberarme, Beine und des gut erreichbaren Stamms. So können auch bizarre Eigentherapien wie beispielsweise eine sechsmalige Anwendung dreitägiger Zyklen mit Lindan-Gel zu ausgeprägten Exsikkationsekzematiden der Haut führen. Oftmals werden im Rahmen einer Eigentherapie aggressive chemische Substanzen, zum Teil aus der Veterinärmedizin, auf die Haut aufgetragen, um die Mikroben zu vernichten. Die Haut der betroffenen Personen ist meist durch häufige Reinigungsprozeduren und die Anwendung aggressiver Substanzen zur Bekämpfung der Parasiten stark geschädigt sowie sehr trocken.

Hoher Leidensdruck

Der Dermatozoenwahn ist erstens unkorrigierbar, bei zweitens hoher subjektiver Gewissheit und drittens objektiv nicht fassbarem Befund.

Die wahnhafte Annahme führt zu einem hohen Leidensdruck und massiver Einschränkung der Lebensqualität. Die ständige Beschäftigung mit dem Wahn führt zu Beeinträchtigungen in verschiedenen sozialen Bereichen. Der Patient konsultiert meist zahlreiche Ärzte und Gesundheitsämter und lässt aufwendige Desinfektionsmaßnahmen durchführen. Die körperbezogene Wahnstörung tritt hauptsächlich im Rahmen paranoider (20 %) und depressiver Störungen (50 %), häufig isoliert monosymptomatisch, sowie im Delir und nach Noxeneinwirkung auf [4]. Teilweise wird in der Literatur zwischen drei Formen unterschieden [5, 6, 8]:

  1. Hypochondrischer Dermatozoenwahn als monosymptomatische Psychose
  2. Ungezieferbefallswahn mit paranoider Symptomatik
  3. Mischbilder von 1 und 2.

Diese Unterscheidung ist auch hinsichtlich der Therapiekonzeption und zur Wahl des Psychopharmakons wichtig (Antidepressiva vs. Neuroleptika). Beim Dermatozoenwahn wird in 5 – 15 % bei nahestehenden Personen ein assoziierter Wahn induziert [2, 3, 9, 10]. Abgegrenzt werden müssen weitere rein psychiatrische, aber auch hirnorganische Erkrankungen. Hierzu gehören besonders die Schizophrenie, hirnorganische Psychosyndrome, eine Zerebralsklerose, Angst- und Zwangsstörungen sowie somatoforme Störungen mit sensorischen Beschwerden (Brennen und Juckreiz), Artefakten und neurotischen Exkoriationen sowie Prurituserkrankungen, welche auch wahnhafte Anteile annehmen können.

Der Dermatozoenwahn hat heute weitgehend seinen Schrecken verloren und ist durch die neuen spezifischeren Neuroleptika, wie beispielsweise Risperidon, gut behandelbar geworden. Die dermatologische Behandlung kann meist blande mit Lokaltherapeutika zur Wundheilung erfolgen. Ausführliche ärztliche Gespräche über eine psychische Genese der Symptomatik sowie das Vorhalten von negativen Ergebnissen der histologischen oder mikrobiologischen Diagnostik bringt kaum eine Erleichterung oder Rückbildung der Beschwerden.

Psychiatrische Therapie wird oft abgelehnt

Im Vordergrund steht die Einleitung einer psychopharmakologischen Therapie in Kooperation mit dem Facharzt für Psychiatrie. Die Therapie erfolgt in den meisten Fällen mit Neuroleptika. Der krankhafte Charakter der Fehleinschätzung wird vom Patienten meist nicht akzeptiert und oftmals eine indizierte Therapie durch den Psychiater abgelehnt. Eine Behandlung des Dermatozoenwahns im Rahmen einer Liaisonsprechstunde in den Örtlichkeiten der Hautklinik von Hautarzt, Psychiater und Patient hat sich dabei bewährt. Erfahrungsgemäß kann der Patient eine Psychopharmakotherapie eher akzeptieren, wenn sie mit der "Notwendigkeit einer Beruhigung der Hautnerven" begründet wird. Wichtig ist es, das Vertrauen des Patienten zu gewinnen, um die Erkrankung adäquat behandeln zu können. Dabei ist anfänglich zunächst der langsame Aufbau einer vertrauensvollen Arzt-Patient-Beziehung meist über mehrere Konsultationen notwendig. Eine Psychotherapie ist zusätzlich sinnvoll.

In Ergänzung zu Haloperidol hat das Spektrum der Psychopharmaka in den letzten Jahren eine deutliche Erweiterung auf Grundlage neuer Forschungsergebnisse erfahren. Die Therapie mit modernen Psychopharmaka hat eine entscheidende Verbesserung der Prognose bei Patienten mit Dermatozoenwahn erzielen können. Bei monosymptomatischen Wahnerkrankungen können die Psychopharmaka meist niedriger dosiert werden als üblicherweise bei Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen.

Die Wahl des Psychopharmakons hängt von der zugrundeliegenden psychiatrischen Störung und der zu behandelnden Zielsymptomatik ab. Wenn eine depressive Störung im Vordergrund steht, kann dies ein Antidepressivum sein. Bei paranoider Symptomatik stellen Neuroleptika das Mittel der ersten Wahl dar [8]. Aktuell werden vorwiegend folgende Medikamente bei wahnhaften Störungen in der Dermatologie eingesetzt: Risperidon (Risperdal®), Olanzapin (Zyprexa®), Quetiapin (Seroquel®) und Pimozid (Orap®). Medikament der ersten Wahl ist Risperidon, da es die beste Wirkung-Nebenwirkung-Relation aufweist. Mit Pimozid wurden die meisten Erfahrungen gemacht und es hat die beste Kosten-Nutzen-Relation aufgrund seiner weiten Verbreitung und dermatologischen Einzelstudien in den USA [1, 7]. Allerdings weist es ein deutlich breiteres Nebenwirkungsspektrum auf. Unserer Erfahrung nach ist manchmal auch eine Kombinationstherapie von einem Neuroleptikum mit einem SSRI oder Anxiolytikum notwendig, wenn unter der Monotherapie keine entscheidende Verbesserung zu erzielen ist. Oftmals kann der Leidensdruck unter einer psychopharmakologischen Therapie gemindert werden. Eine vollständige Beseitigung der Beschwerden ist aber meist auch durch eine Langzeittherapie nicht zu erreichen.


Literatur:
1) Damiani JT, Flowers FP, Pierce DK (1990) Pimozide in delusions of parasitosis. J Am Acad Dermatol 22: 312–313.
2) Evans P, Merskey H (1972): Shared beliefs of dermal parasitosis: folie partagee. Br J Med Psychol 45(1): 19–26.
3) Gieler U, Knoll M (1990) Delusional parasitosis as ‘folie a trois’. Dermatologica 181(2): 122–125.
4) Hornstein OP, Hofmann P, Joraschky P (1989) Delusions of parasitic skin infestation in elderly dermatologic patients. Z Hautkr 64(11): 981–982, 985–989.
5) Levi EC, Gieler U (2013) Delusions of Parasitosis. Semin Cutan Med Surg 32:73-77.
6) Koo J, Lee CS (2001) Delusions of parasitosis. A dermatologist’s guide to diagnosis and treatment. Am J Clin Dermatol 2(5): 285–290.
7) Lee M, Koo J (2004) Pimozide: the opiate antagonist hypothesis and use in delusions of parasitosis. Dermatol Psychosom 5: 184–186.
8) Musalek M (1991) Der Dermatozoenwahn. Thieme, Stuttgart New York
9) Raulin C, Rauh J, Togel B (2001) »Folie a deux« in the age of lasers. Hautarzt 52(12): 1094–1097.
10) Trabert W (1999) Shared psychotic disorder in delusional parasitosis. Psychopathology. 32(1): 30–34.



Autor:

© privat
Prof. Dr. med. Uwe Gieler

Univ.-Hautklinik
UKGM Gießen
35392 Gießen

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (20) Seite 75-78