Sie gilt als GOLD-Standard für die Behandlung der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD): die Richtlinie der Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD). Mit dem Update 2017 hat sie ihre Empfehlungen grundlegend überarbeitet. Die neue Klassifizierung soll dem Arzt die Therapieentscheidung erleichtern.

Das neueste Update bringt einige wichtige Änderungen mit sich: So wurde die Definition der COPD korrigiert, um den Einfluss der respiratorischen Symptome und die Rolle von Lungengewebe und Atemwegsabnormitäten auf die Entwicklung der COPD einzubeziehen. Das ABCD-Einteilungsschema ist jetzt verfeinert und umfasst nur noch die Atemwegssymptome und Exazerbationen (und nicht zugleich die Spirometrie). Neu und separat erklärt wird das spirome-trische Stadium.

Um den Therapieverlauf zu verbessern, beschreibt die Richtlinie die Erfassung und die regelmäßige Überwachung der Inhalationstechnik. Zudem sind die neuesten Daten zum Selbstmanagement, zur pulmonalen Rehabilitation sowie zur integrierten Pflege und zur Palliativpflege erfasst, ebenso wie zur nicht-invasiven Beatmung, Sauerstofftherapie und Lungenvolumenreduktion. Für die Pharmakotherapie der COPD sollen nun Symptome und künftiges Exazerbationsrisiko wegweisend sein. Ein Wechsel hin zu einer personalisierteren Behandlung mit Strategien zur Therapieeskalation und -deeskalation wurde somit eingeläutet. Weitere neue Empfehlungen gelten dem ärztlichen Vorgehen bei Krankenhausentlassung, dem Management von Begleiterkrankungen sowie den komplexen Fragen zu Multimorbidität und Polypharmazie.

Aktiv nach Begleiterkrankungen suchen

Bei der Definition und Umschreibung des Krankheitsbilds wird unverändert das Tabakrauchen mit dem höchsten Risiko angeführt. Neu finden als weitere Risikofaktoren aber auch Verbrennungsprodukte von Treibstoffen, die auf Biomasse beruhen, inklusive Luftverschmutzung, Erwähnung. Daneben können individuelle Charakteristika, wie genetische Abnormitäten, abnormale Lungenentwicklung und beschleunigte Alterung, die Prädisposition zur Entwicklung einer COPD beeinflussen. Laut Definition muss bei der Lungenerkrankung – neben den Leitsymptomen Dyspnoe, chronischer Husten und Auswurf in individuell unterschiedlicher Ausprägung – auch eine nicht reversible Atemwegsobstruktion vorliegen, die durch eine Spirometrie belegt ist. Ein FEV1/FVC-Quotient < 0,70 nach Bronchodilatation beweist diese Atemstörung und gibt Hinweise zum weiteren Verlauf. Bei den meisten COPD-Patienten liegen Begleiterkrankungen (kardiovaskuläres, muskuloskeletales, aber auch metabolisches Syndrom, Depression, Angst, Lungenkrebs) vor. Sie erhöhen Morbidität und Mortalität entscheidend. Bei der Abklärung der COPD muss der Arzt deshalb aktiv nach ihnen suchen. Bei Patienten mit schwerer und sehr schwerer COPD sind Fatigue, Gewichtsverlust und Anorexie häufige zusätzliche, prognostisch bedeutsame Symptome, die immer auch von möglichen anderen Ursachen (Tuberkulose, Lungenkrebs) abgegrenzt werden müssen.

Neue Einteilung, zum Beispiel "GOLD 4, Gruppe B"

Auf Basis des forcierten Einsekundenvolumens (FEV1) das nach Bronchodilatation gemessen wird, schlägt das GOLD-Komitee unverändert die Einteilung in vier spirometrische Grade vor:

  • GOLD 1: leicht (FEV1 ≥ 80 % des Vorhersagewerts)
  • GOLD 2: mäßig (50 % ≤ FEV1 < 80 % des Vorhersagewerts)
  • GOLD 3: schwer (30 % ≤ FEV1 des Vorhersagewerts)
  • GOLD 4: sehr schwer (FEV1 ≤ 30 % des Vorhersagewerts).

Zwischen FEV1, Symptomen und Beeinträchtigung des Gesundheitszustands gibt es nur einen schwachen Zusammenhang. Deshalb muss zusätzlich eine formale Symptomerfassung erfolgen. Dazu eignen sich der COPD Assessment Test (CAT) und/oder die Modified Medical Research Council Dyspnea Scale (mMRC). Während die mMRC nur das Ausmaß der Atemnot misst, erkennt der acht Fragen umfassende CAT weitere Aspekte (Husten, Auswurf, Schlafqualität, Energieniveau). Er wird deshalb besonders empfohlen.

Auf Basis von Exazerbationsanamnese und mMRC, respektive CAT, unterscheidet die GOLD-Richtlinie dann vier Gruppen (A, B, C und D, vgl. Abbildung). Ein Patient mit FEV1 < 30 % des Vorhersagewerts, drei Exazerbationen im zurückliegenden Jahr und einem CAT-Score von 18 wird somit in den Grad 4, Gruppe D, eingeteilt. Ein Patient mit denselben Spirometrie- und CAT-Werten, aber ohne Exazerbationen, hingegen in den Grad 4 und die Gruppe B.

Erste Priorität: Rauchstopp

Zur Prävention und Erhaltungstherapie ist eine Maßnahme immer noch die effektivste: den Patienten vom Nichtrauchen zu überzeugen (vgl. Kasten). Nikotinersatzprodukte helfen zuverlässig auf dem Weg zur dauerhaften Rauchabstinenz und sind hier, laut Leitlinie, deutlich erfolgreicher. Als Kontraindikationen gelten jedoch ein kürzlich zurückliegender Myokardinfarkt und ein Hirnschlag. Unklar bleibt hingegen die Kontraindikation für eine Nikotinersatzbehandlung nach akutem Koronarsyndrom. Die Evidenz deutet darauf hin, dass eine solche Therapie frühestens zwei Wochen nach einem kardiovaskulären Ereignis begonnen werden sollte. Vareniclin, Bupropion und Nortriptylin haben in Studien die Langzeitabstinenzraten erhöht. Der behandelnde Arzt sollte sie aber immer im Rahmen eines umfassenden supportiven Interventionsprogramms einsetzen. Die Richtlinie weist weiter auf die Empfehlung zu Impfungen gegen Influenza und Pneumokokkeninfekte hin, die auf aktuelle Daten gestützt ist. Einige wenige Studien zeigen, dass bei COPD-Patienten, die gegen Grippe geimpft sind, Exazerbationen seltener auftreten. Nach einer bevölkerungsbasierten Studie sind auch ischämische Herzerkrankungen weniger häufig, wenn COPD-Patienten die Influenzaimpfung über viele Jahre regelmäßig erhalten.

Die medikamentöse Behandlung der COPD hat das Ziel, die Symptome zu reduzieren, die Häufigkeit und den Schweregrad von Exazerbationen zu senken und die Anstrengungstoleranz sowie den Gesundheitszustand des Patienten zu verbessern.

Langwirksame Beta-Agonisten und Muskarin-Antagonisten

Bis heute gibt es jedoch keine schlüssige Evidenz aus klinischen Studien, dass irgendeine der eingesetzten Medikationen den Langzeitverlust an Lungenfunktion bei COPD beeinflusst. Die Post-hoc-Evidenz für einen solchen Effekt durch langwirksame Bronchodilatatoren und/oder inhalierte Kortikosteroide muss durch spezifische Studien bestätigt werden. Bezüglich der FEV1-Veränderung verläuft die Dosis-Wirkungs-Kurve bei allen Klassen von Bronchodilatatoren relativ flach. Eine Verzehnfachung der Dosis von Beta-Agonist oder Anticholinergikum scheint jedoch bei akuten Episoden einen subjektiven Nutzen zu haben, ist aber bei stabiler Erkrankung nicht notwendig. Neben den langwirksamen Beta-Agonisten (LABA) Formoterol und Salmeterol, die man zweimal täglich verabreicht, sind heute auch länger wirksame Wirkstoffe in Einmal-pro-Tag-Dosierung wie Indacaterol, Olodaterol und Vilanterol verfügbar. Die langwirksamen Antimuskarinika (LAMA) wie Tiotropium, Aclidinium, Glycopyrronium und Umeclidinium zeigen eine verlängerte Bindung an den M3-Muskarinrezeptor und eine schnellere Dissoziation vom M2-Rezeptor, was ihre bronchienerweiternde Wirkung verlängert.

Kombinationstherapien richtig einsetzen

Den Einsatz der Bronchodilatatoren bei stabiler COPD hält die GOLD-Richtlinie in einigen Punkten fest. Der dabei genannte Evidenzgrad A basiert auf randomisierten, kontrollierten Studien und großen untersuchten Zahlen – ohne signifikante Einschränkungen oder Bias. Dem Evidenzgrad B liegen randomisierte, kontrollierte Studien mit signifikanten Einschränkungen und begrenzten Daten zugrunde.

Nach der Richtlinie sind inhalative Bronchodilatatoren bei COPD für das Symptommanagement entscheidend und sollten regelmäßig eingenommen werden, um auftretende Symp-tome zu verhindern oder zu lindern (Evidenz A). Eine regelmäßige bzw. bedarfsgerechte Gabe von kurzwirksamen Beta-Agonisten (SABA) oder Muskarin-Antagonisten (SAMA) verbessern FEV1 und Symptome (Evidenz A).

Die Kombination von SABA und SAMA ist hinsichtlich FEV1-Verbesserung und Symptomen der jeweiligen Monotherapie überlegen (Evidenz A). LABA und LAMA verbessern signifikant die Lungenfunktion, die Atemnot sowie den Gesundheitszustand und reduzieren die Exazerbationsraten (Evidenz A). LAMA haben einen größeren Effekt auf die Exazerbationsreduktion im Vergleich zu LABA (Evidenz B). Die Kombination von LABA und LAMA erhöht das FEV1 und reduziert deutlicher die Symptome als unter alleiniger Gabe (Evidenz A). Mit dieser Kombi gehen auch Exazerbationen im Vergleich zur Monotherapie (Evidenz B) oder zur Kombination aus inhalativen Kortikosteroiden (ICS) plus LABA zurück (Evidenz A). Tiotropium verbessert die Effektivität der pulmonalen Rehabilitation, indem es die Trainingsfähigkeit erhöht (Evidenz B). Theophyllin bewirkt bei stabiler COPD einen kleinen, bronchodilatatorischen Effekt (Evidenz A), der mit einem geringen symptomatischen Nutzen einhergeht (Evidenz B).

Entzündungshemmende Therapien für ausgewählte Patienten

Als Maß für die entzündungshemmende Therapie bei COPD gilt heute die Reduktion der Exazerbationen. Die In-vitro-Evidenz zeigt, dass Entzündungen, die mit der COPD einhergehen, nur begrenzt auf Kortikosteroide ansprechen. Auch hinsichtlich der anti-entzündlichen Therapie bei COPD legt sich die GOLD-Richtlinie fest. Ein ICS, kombiniert mit einem LABA, ist bei Patienten mit Exazerbationen sowie schwerer und sehr schwerer COPD effektiver als die individuellen Komponenten, weil Lungenfunktion und Gesundheitszustand effektiver beeinflusst werden können (Evidenz A). Eine regelmäßige Behandlung mit ICS erhöht das Pneumonierisiko, vor allem bei Patienten mit schwerer Erkrankung (Evidenz A). Eine Tripeltherapie mit ICS plus LAMA sowie LABA verbessert Lungenfunktion, Symptome und Gesundheitszustand (Evidenz A). Sie reduziert Exazerbationen (Evidenz B) im Vergleich zu ICS plus LABA- oder LAMA-Monotherapie.

Bei Patienten mit chronischer Bronchitis, schwerer oder sehr schwerer COPD sowie Exazerbationen in der Anamnese verbessern Phosphodiesterase-(PDE-)4-Inhibitoren die Lungenfunktion sowie mittelschwere und schwere Exazerbationen (Evidenz A); dies trifft auch auf Patienten zu, die schon mit einer LABA-ICS-Kombination in fixer Dosierung vorbehandelt sind (Evidenz B).

Die Langzeitbehandlung mit Azithromycin oder Erythromycin verhindert die Zahl der Exazerbationen während eines Jahres (Evidenz A). Bei der Azithromycintherapie ist mit gehäufter bakterieller Resistenz (Evidenz A) und einer Beeinträchtigung im Hörtest zu rechnen (Evidenz B). Bei ausgewählten Patientengruppen reduziert die regelmäßige Gabe von N-Acetylcystein und Carbocystein das Exazerbationsrisiko (Evidenz B).

GOLD-Richtlinien 2017 – die wichtigsten Punkte zur COPD
  • An erster Stelle steht der Rauchstopp; medikamentöse Behandlung und Nikotinersatztherapie erhöhen die Langzeitabstinenzraten zuverlässig.
  • Effektivität und Sicherheit von E-Zigaretten als Hilfe, um das Rauchen aufzuhören, sind zurzeit unsicher.
  • Eine Pharmakotherapie kann die COPD-Symptome reduzieren, Häufigkeit und Schwere von Exazerbationen vermindern sowie Allgemeinzustand und Anstrengungstoleranz verbessern.
  • Jede medikamentöse Behandlung sollte individualisiert erfolgen und durch Symptomschwere, Exazerbationsrisiko, Nebenwirkungen, Begleiterkrankungen, Verfügbarkeit und Kosten einzelner Medikamente sowie das individuelle Ansprechen, die Patientenpräferenz und die Fähigkeit, mit Applikationsgeräten umzugehen, geleitet werden.
  • Die Grippe- und die Pneumokokkenimpfung reduzieren die Häufigkeit von Infektionen der tiefen Atemwege.
  • Die pulmonale Rehabilitation verbessert die Symptome, die Lebensqualität sowie körperliche und emotionale Teilhabe an Alltagsaktivitäten.
  • Bei Patienten mit schwerer chronischer Ruhehypoxämie verbessert die Langzeitsauerstofftherapie das Überleben.
  • Patienten mit stabiler COPD und mäßiger Hypoxämie in Ruhe oder unter Belastung sollte eine Langzeitsauerstofftherapie nicht routinemäßig verschrieben werden.
  • Bei der Evaluation des Bedürfnisses für Sauerstoffzufuhr müssen die individuellen Patientenfaktoren berücksichtigt werden.
  • Bei Patienten mit schwerer chronischer Hyperkapnie und vorangegangenen Hospitalisationen wegen akuten Atemversagens kann eine nicht-invasive Langzeitbeatmung die Mortalität senken und weiteren Krankenhausaufenthalten vorbeugen.
  • Bei ausgewählten Patienten mit fortgeschrittenem, gegenüber einer medikamentösen Therapie refraktärem Emphysem können chirurgische oder bronchoskopisch interventionelle Eingriffe nützlich sein.
  • Bei fortgeschrittener COPD können palliative Maßnahmen zur Symptomkontrolle effektiv sein.


Quelle:
GOLD 2017 Global Strategy for the Diagnosis, Management and Prevention of COPD. Das Dokument kann als PDF kostenlos heruntergeladen werden unter http://goldcopd.org


Autor:
Halid Bas


Genehmigter und bearbeiteter Nachdruck aus Ars medici 5/2017


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (10) Seite 44-50