Diabetiker sind überdurchschnittlich häufig und überdurchschnittlich schwer von Erektionsstörungen betroffen, wodurch ihre Lebensqualität zusätzlich beeinträchtigt wird. Die meisten Männer scheuen sich dennoch, dieses Problem bei ihrem Hausarzt anzusprechen. Im Folgenden soll gezeigt werden, warum es so wichtig ist, die Sexualfunktion vor allem bei Diabetikern zu erfassen, wie dies einfach und zeitsparend getan werden kann und welche therapeutischen Möglichkeiten aktuell zur Verfügung stehen.

Erektionsprobleme werden mit zunehmendem Alter häufiger und beeinträchtigen nicht nur die Lebensqualität des Betroffenen, sondern belasten oft auch die Paarbeziehung. Die multifaktorielle Ätiologie der erektilen Dysfunktion (ED) erhöht gleichzeitig das kardiovaskuläre Risiko. In einer Studie wurden bei rund der Hälfte bisher unbehandelter impotenter Männer signifikante Koronarstenosen nachgewiesen. Somit sollte die ED als Frühsymptom einer sich entwickelnden kardiovaskulären Erkrankung unbedingt immer anamnestisch erfasst werden.

Diabetiker haben ein etwa vierfach erhöhtes Risiko, eine ED zu erleiden. Rund zwei Drittel der Patienten weisen Erektionsstörungen auf, jeder vierte kann keine Erektion mehr aufbauen. Die Ursachen für die ED bei Diabetikern sind vielfältig (Tabelle 1).

Wie kann man Erektionsstörungen effizient erfassen?

Nur jeder fünfte betroffene Deutsche – deutlich weniger als der internationale Durchschnitt – spricht von sich aus seine Probleme beim Arzt an. Dies resultiert nicht nur aus der Scham, über Sexualität im Allgemeinen zu sprechen oder zuzugeben, selbst Erektionsprobleme zu haben. Vielen Männern fehlen oft einfach die Worte, ihre Beschwerden zu schildern. Leider wird dieses Thema von den meisten Kollegen ebenfalls nicht angesprochen, vielfach aus Angst, hier ein Fass aufzumachen, dessen Bearbeitung den Zeitrahmen des Terminkalenders sprengt.

Dabei wäre der Gesprächseinstieg gerade bei dieser Risikopopulation ganz einfach. Fragen wie "Viele Diabetiker haben Erektionsstörungen. Haben Sie auch Beschwerden in dieser Hinsicht?" könnten dem Patienten Gelegenheit geben, sich für dieses Thema zu öffnen. Manche Patienten fühlen sich von solchen Fragen auch überrumpelt, weshalb eine gewisse "Vorwarnung" z. B. durch entsprechende Fragen in Anamnesebögen oder die Verwendung von Plakaten, Schreibtischaufstellern oder Flyern, wie sie vielfältig von der Industrie angeboten werden, sinnvoll ist. Wenn so mancher Patient auch nicht direkt auf die Frage nach seiner Sexualität eingeht, so registrieren sicher alle, dass ihr Arzt für dieses Thema offen ist, und kommen häufig bei einer der nächsten Konsultationen darauf zurück.

Eine strukturierte und empathische Gesprächstechnik sowie die Verwendung eines eindeutigen, laienverständlichen Vokabulars helfen bei der effizienten und vor allem zeitsparenden Bearbeitung des Problems. Alleine über die sexuellen Nöte gesprochen zu haben und zu erfahren, nicht damit alleine zu sein, hilft vielen Männern ganz enorm und schafft dankbare Patienten.

Wie kann man Erektionsstörungen effizient behandeln?

In der Therapie stehen nach den aktuellen Leitlinien PDE-5-Hemmer an erster Stelle. Aktuell stehen vier Substanzen zur Wahl: Avanafil, Sildenafil, Tadalafil und Vardenafil. Die unterschiedliche Pharmakokinetik der Präparate erlaubt es, die Behandlung den individuellen Patientenbedürfnissen entsprechend maßzuschneidern (Tabelle 2).

Grundsätzlich gibt es zwei Therapiekonzepte: Bei der Bedarfstherapie wird das Medikament eine gewisse Zeitspanne vor der sexuellen Aktivität eingenommen. Die tägliche Einnahme des Präparates zur Konstanztherapie stellt nach ca. fünf Tagen den erektionsfördernden Effekt permanent zur Verfügung. Studien haben gezeigt, dass die meisten Männer Sexualität nicht planen möchten. In der Bedarfstherapie kann einerseits die unterschiedliche Latenzzeit zwischen der Einnahme der einzelnen Präparate und dem Eintritt der Wirkung (Tabelle 2) zur Beratung herangezogen werden. Andererseits könnte auch die Verordnung des Präparates mit der längsten Wirkdauer ("Wochenendpille") für einzelne Patienten von Vorteil sein.

Bei der Konstanztherapie entfällt die Notwendigkeit, die Sexualität zu planen, sowie gleichzeitig die psychologisch nachteilige Erinnerung an das Potenzproblem als solches. Ferner kommt es unter Konstanztherapie zusätzlich häufiger auch zu stärkeren und häufigeren nächtlichen und Morgenerektionen, was neben einem Schwellkörpertraining auch einen positiven Effekt auf das Selbstbewusstsein der Männer mit sich bringt.

In der Beratung sollte nicht zuletzt auch auf das Preisgefüge der Präparate hingewiesen werden, zumal durch Patentablauf der Originale zunehmend deutlich preisgünstigere Generika auf den Markt gebracht werden.

Die Erfolgsraten der PDE-5-Hemmer-Therapie liegen bei Diabetikern niedriger als bei Nicht-Diabetikern, aber dennoch bei über 50 %, bezogen auf erfolgreichen Geschlechtsverkehr, und bei rund 75 %, bezogen auf eine Verbesserung. Männer mit niedrigeren HbA1c-Werten zeigen signifikant höhere Erfolgsraten, eine Tatsache, die vielleicht bei dem einen oder anderen zu einer Steigerung der Compliance in ihrer Diabetestherapie führen könnte.

Bei gleichzeitiger Einnahme der kurzwirksamen PDE-5-Hemmer mit Alkohol und fettreicher Nahrung kann es zu einer Verzögerung und Abschwächung des Effektes kommen (Tabelle 3).

Was tun bei Therapieversagern?

Therapieversager können vielfach durch gute Beratung vermieden werden (Fünf-Finger-Regel):
  • Es gibt drei Therapiemöglichkeiten: kurz, lang und konstant wirksam.
  • Halten Sie bei der Bedarfsmedikation eine adäquate Zeit zwischen Tabletteneinnahme und sexueller Aktivität ein. Bei täglicher Einnahme Wirkung nach ca. fünf Tagen. Vorsicht mit Alkohol und fettreicher Nahrung!
  • Das Medikament wirkt nur im Zusammenhang mit sexueller Stimulation.
  • Wenn das Bedarfsmedikament beim ersten Mal nicht gewirkt hat, probieren Sie es mehrfach – nur nicht am gleichen Tag.
  • Ggf. ist bei der Bedarfsmedikation eine Dosissteigerung oder ein Präparatewechsel erforderlich.

Funktioniert die Therapie auch dann noch nicht, sollte ein Hypogonadismus ausgeschlossen werden, für den Diabetiker ebenfalls ein überdurchschnittlich hohes Risiko aufweisen (ca. 50 % Betroffene!). Testosteron spielt nicht nur eine entscheidende Rolle für die Libido, es beeinflusst praktisch alle zentralnervösen Vorgänge vom Lustempfinden bis hin zur nervalen Steuerung der Erektion und dem molekularen Mechanismus, der letztlich zur Relaxation der glatten Schwellkörpermuskulatur führt.

Die Bestimmung des Testosteronspiegels sollte wegen der zirkadianen Schwankung der Hormonkonzentration aus einer frühmorgens entnommenen Serumprobe erfolgen.

Eine Testosteronsubstitution sollte nur bei erniedrigten Testosteronspiegeln und dem Vorliegen einer entsprechenden Hormonmangelsymptomatik vorgenommen werden.

Auch wenn es keine generell akzeptierten unteren Grenzwerte für die Hormonspiegel gibt, gilt hierbei folgender Konsens:

Gesamt-Testosteron < 8 nmol/l (230 ng/dl, 2,3 ng/ml)
Indikation für eine Testosteron-Ersatz-Therapie (Patient profitiert)

Gesamt-Testosteron 8 – 12 nmol/l
wiederholte Bestimmung des Gesamt-Testosterons, Bestimmung des Sexualhormon-bindenden Globulins (SHBG) zur Berechnung des freien Testosterons (wenn die Konzentration des Gesamt-Testosterons nicht zur Diagnose passt)

Gesamt-Testosteron > 12 nmol/l (350 ng/dl, 3,5 ng/ml)
keine Testosteron-Ersatz-Therapie

Die Hormonmangelsymptomatik sollte sich nicht alleine auf sexuelle Symptome beziehen und kann zur Verlaufskontrolle sehr gut mit dem AMS-Score (Ageing Male Symptom Score nach Heinemann) erfasst werden, bei dem die Domänen körperliche, psychische und sexuelle Beschwerden erfasst und quantifiziert werden.

Bei jüngeren Männern mit Kinderwunsch ist die Indikation zur Testosteronsubstitution besonders kritisch zu stellen (negatives Feedback auf die Spermiogenese). Optimale Ergebnisse liefern die transkutane Anwendung von Gels und Lösungen sowie die Verwendung von Langzeitdepots. Eine regelmäßige Kontrolle des erreichten Testosteronspiegels, der Prostata (PSA!) und des Hämatokrits sollte grundsätzlich erfolgen.

Für die verbliebenen Therapieversager stehen die Anwendung eines Erektionshilfesystems (Vakuumpumpe) oder von Prostaglandin E1 (Alprostadil) über die Harnröhre (MUSE) bzw. als Schwellkörper-Autoinjektions-Therapie (SKAT), gefäßchirurgische Maßnahmen oder die Implantation von Schwellkörperprothesen zur Verfügung. Spätestens hier sollte eine Überweisung zum Urologen erfolgen.



Autor:

Dr. med. Volker Moll

Facharzt für Urologie,
Medikamentöse Tumortherapie, fachgebundene genetische Beratung, Männergesundheit cmi,
Belegarzt an der Stadtklinik im Diako
D-86150 Augsburg

Interessenkonflikte: Honorare für Beratertätigkeit: Apogepha, Astellas, Berlin-Chemie, Lilly, Recordati.Honorare für Vorträge: Apogepha, Aristo, Astellas, Berlin-Chemie, Lilly, Jenapharm, Medac, OmniaMedReisekostenübernahme für Kongressbesuche: Astellas, Bayer, Ipsen, Janssen-Cilag, Lilly.Studiendurchführung: Astellas, Berlin-Chemie, Janssen-Cilag



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (17) Seite 16-18