Weltweit ist fast jeder fünfte Mann zwischen 30 und 80 Jahren von einer Erektilen Dysfunktion (ED) betroffen. Ihre Risikofaktoren teilt die ED mit den kardiovaskulären Erkrankungen, allen voran dem Metabolischen Syndrom, Übergewicht und Nikotinabusus. Im Folgenden gehen wir detaillierter auf die Ursachen und Behandlung der ED ein, aber auch auf die Ejaculatio praecox als weitere sexuelle Funktionsstörung.

Erektile Dysfunktion

Pathophysiologisch kann man die möglichen Ursachen einer ED grob in vaskuläre, neurogene, anatomische, hormonelle, medikamenteninduzierte und/oder psychogene Ursachen einteilen (vgl. Tabelle 1).

Nicht nur äußere Faktoren beeinflussen die Entstehung einer sexuellen Dysfunktion, sondern sie ist auch häufig die Folge einer kurativen Therapie des Prostatakarzinoms. Die radikale operative Entfernung der Prostata führt in 25–75 % aller Fälle zur Entwicklung einer ED, unabhängig vom operativen Zugang. Hauptfaktoren für die postoperative Entwicklung waren das Alter bei Operation, die präoperative Potenzrate sowie die Möglichkeit einer nerverhaltenden Operationstechnik, welche nur bei lokal begrenzten und gut differenzierten Prostatakarzinomen sinnvoll ist. Auch alternative Behandlungsmethoden wie die Strahlentherapie (Tele- oder Brachytherapie) führt im Langzeitverlauf zur ED durch Läsion des neurovaskulären Bündels sowie Änderung der penilen Durchblutung. Dies bedingt eine Beeinträchtigung der Morphologie des Schwellkörpers, insbesondere der glattmuskulären Anteile. Fokale Therapieansätze wie z. B. Protonentherapie, Kryotherapie oder die Hoch-Frequenz-Ultraschallbehandlung (HIFU) der Prostata sind nicht leitlinienkonform und sollten nur im Rahmen von klinischen Studien angeboten werden. Die bisherige Datenlage zeigt jedoch, dass auch diese Verfahren Auswirkungen auf die erektile Funktion haben und in der Mehrzahl der Berichte gleiche und meist sogar schlechtere Erfolgsraten als eine radikale Prostatektomie oder Strahlentherapie.

Mit den Männern sprechen

Zuallererst ist es wichtig, mit dem Patienten über seine sexuelle Zufriedenheit zu sprechen. Studien belegen, dass lediglich 16,5 % der Männer mit ihrem Arzt über sexuelle Probleme sprechen. Eine ausführliche medizinische und sexuelle Anamnese ist notwendig, und sofern möglich sollte der Partner/die Partnerin in das Gespräch eingebunden werden.

Die Sexualanamnese sollte auch die Rigidität und Dauer von sexuell stimulierten und morgendlichen Erektionen, Probleme der Erregung, Ejakulation und Orgasmus einschließen. Wesentliche Hilfestellungen geben standardisierte, validierte Fragebögen (z. B. IIEF-5).

Zudem sollten im Rahmen der Erstabklärung auch Laborkontrollen wie beispielsweise HbA1c, HDL, LDL und Serumtestosteron erfolgen. Testosteron sollte aufgrund seiner zirkadianen Rhythmik morgens abgenommen werden. Der Hypogonadismus als Ursache einer ED ist grundsätzlich möglich, findet sich jedoch nur in wenigen Fällen. Bei einem Gesamt-Testosteronwert > 8 nmol/l (oder 10 ng/ml) ist eine alleinige hormonelle Dysfunktion als Ursache der ED eher unwahrscheinlich.

Medikamentöse Therapie der ED

Das primäre Ziel der Therapie ist es, die zugrunde liegende Erkrankung zu behandeln und so die ED im besten Fall zu verhindern. Analog zur Vorbeugung kardiovaskulärer Erkrankungen stehen Gewichtsabnahme, Bewegung und die Raucherentwöhnung im Vordergrund. Sobald eine organische ED besteht, kann sie in der Regel medikamentös gut behandelt werden, eine Heilung ist jedoch in den meisten Fällen nicht möglich, Ausnahme ist die psychogene ED.

First-line-Therapie der ED sind die seit 1998 zugelassenen Phosphodiesterase-5-Inhibitoren (PDE-5-I). Neuerdings sind 4 potente Wirkstoffe zugelassen (vgl. Tabelle 2). Der Wirkmechanismus beruht auf einer Blockierung der cGMP-Hydrolyse, dies führt zur Relaxation der intrakavernösen glatten Muskelzellen und bedingt vermehrten arteriellen Einstrom. Daraus resultiert die Kompression des Venensinus, wodurch es zur Erektion kommt. PDE-5-I sind somit keine Initiatoren der Erektion, denn sie wirken nur bei sexueller Stimulation und Erregung und unterstützen den Aufbau der Erektion. Besonders wichtig ist die korrekte Einnahme der PDE-5-Hemmer – dies ist ein häufiges Problem bei fehlender Zufriedenheit des Patienten. Die Medikamente müssen mindestens 30 min vor der sexuellen Aktivität, in der Regel jedoch besser 1 – 1,5 h vorher eingenommen werden, um entsprechende Wirkspiegel zu erreichen.

Absolute Kontraindikationen zur Einnahme von PDE-5-I gibt es wenige, diese beziehen sich insbesondere auf die gleichzeitige Einnahme von NO-Donatoren (z. B. Nitropräparate). Da Phosphodiesterasen beinahe ubiquitär im Körper vorkommen, können verschiedene Nebenwirkungen auftreten; diese liegen jedoch alle unter 10 % und betreffen zumeist Schnupfengefühl, Sodbrennen, Kopfschmerzen sowie Gesichtsrötung. Im Allgemeinen werden diese Präparate sehr gut vertragen.

Bei Versagen der First-line-Therapie steht die intrakavernöse Injektionstherapie mit Prosta-
glandin E1 zur Verfügung. Alprostadil (Caverject®) wird per Spritze seitlich in das Corpus cavernosum injiziert und führt nach 5–15 Minuten zu einer Erektion. Studiendaten beschreiben Erfolgsraten von rund 70 %. In diversen Patientenuntergruppen wie z. B. bei Diabetikern sind Zufriedenheitsraten von 86–90 % sowohl von Patient als auch der Partnerin möglich. Vor allem Schmerzen und milde Hypotonie werden als Nebenwirkungen berichtet. Alternativ steht Alprostadil (MUSE®) auch als intraurethrales Präparat zur Verfügung.

Mechanische Hilfen und Prothesen

Bei Versagen dieser Therapien besteht neben der Vakuumpumpe auch die Möglichkeit der Stoßwellentherapie, welche derzeit aber nur in wenigen klinischen Studien getestet wurde. Die Vakuumpumpe hat im angloamerikanischen Raum hohe Verbreitung. Hierbei wird ein Zylinder über den Penis gestülpt und mittels eines mechanischen oder elektrischen Pumpmechanismus Blut in den Schwellkörper gesaugt. Bei praller Füllung der Schwellkörper wird über einen Gummiring der Abfluss des Bluts aus dem Penis verhindert und die Erektion erhalten. Zu beachten ist, dass der Ring nicht länger als 45 min den Penis komprimieren soll und dass die Erektion naturgemäß nicht den gesamten, auch am Schambein fixierten Schwellkörperanteil erfasst, sondern lediglich nur jenen Teil des Pars pendulans des Penis.

Falls dies auch nicht zur sexuellen Zufriedenheit führt, besteht die Möglichkeit der operativen Implantation einer sog. Schwellkörperprothese ("Penisprothese"). Hierbei gibt es semirigide und aufpumpbare Modelle, die rigiden Prothesen werden heutzutage nicht mehr verwendet. Die Penisprothese hat sehr hohe Zufriedenheitsraten von 92–100 %. Die sexuelle Zufriedenheit der Partnerinnen beträgt 91–95 %. Studien berichten, dass 88 % die Prothese Freunden und Verwandten empfehlen würden. Hauptkomplikationen hierbei sind mechanisches Versagen oder Infektion, die in schweren Fällen auch zum Ausbau des Systems führen kann.

Ejaculatio praecox ist ein häufiges Phänomen

Frühzeitige Ejakulation ist definiert als Ejakulation vor, während oder bereits kurz nach dem Penetrationsvorgang (innerhalb 1 min), ohne dass es die betreffende Person wünscht. Wesentliche Kriterien dieser Erkrankung sind die fehlende Kontrolle über den Zeitpunkt der Ejakulation, die verkürzte Ejakulationslatenz und die hohe psychische Belastung, die naturgemäß die Partnerschaft beeinträchtigen kann.

Mit einer Prävalenz von ca. 20 % in Deutschland ist diese Erkrankung die häufigste männliche sexuelle Beeinträchtigung, wobei aber nur ein geringer Prozentsatz der Männer sich dadurch gestört fühlt und eine Therapie möchte. Im Alter leidet ein signifikanter Anteil der Männer an einer Kombination aus ED und frühzeitiger Ejakulation. Die genaue Ätiologie der Erkrankung ist bis dato nicht vollständig geklärt, vermutlich spielen einerseits die Hyposensitivität von Serotoninrezeptoren des Subtyp 2c und andererseits die Hypersensitivität der Serotoninrezeptoren des Subtyp 1A eine wichtige Rolle. Möglicherweise ist die Ursache jedoch auch durch eine genetische Veränderung der Serotonin-Transporter zu erklären.

Anamnese sollte auch die Partnerin einbeziehen

Bei der Anamnese sollte erfragt werden, ob die Symptome bei jedem sexuellen Kontakt seit Beginn sexueller Erfahrungen oder lediglich in bestimmten Situationen oder mit bestimmten Partnern auftreten, um so die primäre (schon immer) von der sekundären (war früher besser, erst aufgetreten) Form zu unterscheiden. Als Diagnoseparameter kann die Stoppuhrmessung der intravaginalen Ejakulations-Verzögerungs-Zeit (IELT) aufschlussreich sein, welche selbst durch den Patienten bzw. das Paar erhoben werden kann. Darüber hinaus sollte ein neurologischer Status erfolgen und mögliche andere Erkrankungen wie die Induratio penis plastica, eine Urethritis oder Prostatitis ausgeschlossen werden. Neurophysiologische Untersuchungen oder bestimmte Laborparameter sind zur Erhebung nicht notwendig.

Squeeze-Techniken, bei welchen zur Unterdrückung des Ejakulationsreizes die Eichel komprimiert wird, führen häufig nicht zum gewünschten Erfolg. In diesem Fall können medikamentöse Therapien eingesetzt werden. Dapoxetin ist ein kurzwirksamer Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Es verfügt über ein gutes Wirkprofil zur Verwendung als Bedarfsmedikation und hemmt den Ejakulationsreflex. Dapoxetin hat eine Erfolgsrate von 80 % und führt in Studien zu einer 2–3-fachen Verlängerung der IELT bei Patienten mit einer IELT unter 30 Sekunden. Als Nebenwirkungen werden vor allem Müdigkeit, Benommenheit und Übelkeit berichtet. Gegebenenfalls kann Dapoxetin mit einem PDE5I kombiniert werden, hier berichten kleine Doppelblindstudien von deutlichen Verbesserungen der Zufriedenheit.

Eine weitere therapeutische Möglichkeit ist die Einnahme von Clomipramin als Off-label-Medikation. Die Wirkung beruht darauf, dass der physiologische Vorgang der Ejakulation durch ein spinales Ejakulationszentrum gesteuert wird, welches durch exzitatorische und inhibierende Effekte, die sowohl supraspinal als auch spinal generiert werden, beeinflusst wird. Durch Aktivierung von 5-HT1b- und 5-HT1c-Rezeptoren wird der Ejakulationsreflex hinausgezögert, eine Stimulation des 5-HT1a-Rezeptors verkürzt die Zeit bis zur Ejakulation hingegen. Für Clomipramin, ein serotoninerges trizyklisches Antidepressivum, wurde bereits 1973 die Wirkung bei Ejaculatio praecox festgestellt. Durch tägliche Kombination der beiden Präparate kann die chronische Off-label-Therapie angestrebt werden.

Als weitere Methoden zur Verzögerung der Ejakulation können beispielsweise Lokalanästhetika wie etwa Lidocain-Prilocain-haltige Cremes etwa 15–20 Minuten vor dem Geschlechtsverkehr auf die Glans aufgebracht werden, um die Sensitivität der Eichel zu reduzieren. Damit konnte im Rahmen einer Studie die IELT von 1 auf über 6 Minuten verlängert werden. Abwaschen des Lokalanästhetikums oder Einsatz eines Kondoms verhindern die möglicherweise unerwünschte anästhetische Wirkung bei der Partnerin.



Autor:

Dr. med. Martin Schmudermaier, Wien

Urologische Abteilung, Hanusch Krankenhaus, A - 1140 Wien

Interessenkonflikte: Die Autoren haben keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (5) Seite 18-23