Bei einem erheblichen Anteil von Männern können erniedrigte Testosteronkonzentrationen als Folge verschiedener Erkrankungen vorliegen. Umgekehrt können die niedrigen Testosteronspiegel selbst Erkrankungen nach sich ziehen, welche oft rein symptomatisch behandelt werden. Eine Testosteronbestimmung sollte also in jedem Fall fester Bestandteil der Abklärung spezifischer Symptome wie Libidoverlust, Erektiler Dysfunktion, Depressionen, Lethargie, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen und Reizbarkeit sein.

Ob die im Durchschnitt über fünf Jahre geringere Lebenserwartung deutscher Männer im Vergleich zu Frauen hauptsächlich durch sozio-kulturelle oder durch genetische Faktoren verursacht wird, bleibt bis heute unklar. Der männliche Hormonhaushalt als wichtige Einflussgröße auf die Lebenserwartung rückt jedoch immer mehr in den wissenschaftlichen Fokus. Männer erleben mit zunehmendem Alter eine allmähliche und diskret verlaufende Veränderung der Konstitution – anders als Frauen durch die abrupte Einstellung der Ovarialfunktion in der Menopause [1] – , was von den Männern oft eher als natürliche Alterung denn als Zeichen einer Erkrankung eingeordnet wird.

Veränderungen der männlichen Hormone

Zwischenzeitlich konnte gezeigt werden, dass bei Männern die Androgenfreisetzung ab dem 30. Lebensjahr jährlich um etwa 1 – 2 % abnimmt [2, 3, 4], was zu klinischen Symptomen führen kann. Zudem verringert sich der Anteil des biologisch wirksamen Testosterons im Blut mit steigendem Alter, da ein zunehmender Anteil an das Sexualhormon-bindende Globulin (SHBG) gebunden ist und dem Organismus dann für seine eigentliche Funktion nicht mehr zur Verfügung steht [5, 6].Zum überwiegenden Teil handelt es sich beim im Erwachsenenalter diagnostizierten Hypogonadismus um eine erworbene Mangelerscheinung, die im Zusammenhang mit Adipositas, Lebensstilfaktoren oder Medikamenteneinnahme steht [7]. Eine teils ernährungs- und teils verhaltensbedingte Zunahme des Bauchumfanges auf über 94 cm hat durch die Wirkung der im Fettgewebe produzierten Östrogene negative Auswirkungen auf den Hormonhaushalt. Chronische Erkrankungen wie das erworbene Immunschwächesyndrom (AIDS), die Sichelzellanämie, Leberzirrhose oder eine Niereninsuffizienz können ebenfalls einen Testosteronmangel nach sich ziehen [6, 8, 9].

Zu den regelmäßig eingesetzten Arzneimitteln, welche einen negativen Effekt auf den Testosteronhaushalt bewirken können, zählen Ketoconazol, Glukokortikoide, Opioide, Spironolacton, Estrogene, Gestagene, GnRH-Analoga, Cimetidin, Phenytoin, Carbamazepin und Flutamid [2, 10]. Die Arbeitsgruppe um Alberti konnte eine statistische Korrelation zwischen einem Androgenmangel und den Merkmalen eines metabolischen Syndroms nachweisen [11].

Häufige Symptome

Symptome eines Androgenmangels beim Mann stellen Antriebsarmut bis hin zu depressiven Verstimmungen, Rückbildung der Muskulatur, Fettstoffwechselstörungen, Abnahme der Hautdicke, Rückgang von Libido und Potenz, teilweise mit Einschränkungen der Fertilität, Verlust an Knochendichte und Anämie durch Einschränkungen der Hämatopoese dar.

Aufgrund der sehr unterschiedlichen und häufig unspezifischen Symptomatik wird der Hypogonadismus oft nicht diagnostiziert. Vielmehr wird eine symptomatische Therapie der Folgen des Testosteronmangels betrieben, ohne die eigentliche Ursache der Beschwerden zu kennen [12].

Hauptsymptom: Libidoverlust

Eine verringerte Libido wurde bei einer Umfrage unter 353 Ärzten als häufigstes Symptom eines Androgenmangels angegeben. 71 % der Ärzte gaben an, dass eine fehlende Libido oder ein geringes sexuelles Verlangen das Hauptsymptom eines Testosteronmangels darstelle, gefolgt von Erektionsstörungen (51 %) und Müdigkeit (39 %) [13]. In einer Studie mit 434 Männern wurde ersichtlich, dass die Prävalenz der Erektilen Dysfunktion erst bei Gesamttestosteronspiegeln unter 8 nmol/l (2,3 ng/ml) signifikant anstieg, während unspezifische Symptome wie reduzierte Libido oder nachlassende Vitalität bereits bei Gesamttestosteronwerten unter 15 nmol/l (4,32 ng/ml) signifikant zunahmen [14].Erhöhte SterblichkeitDass es sich bei den Folgeerscheinungen eines Testosteronmangels keineswegs um eine Befindlichkeitsstörung handelt, belegt die Tatsache, dass das Mortalitätsrisiko für hypogonadale Männer (Gesamttestosteron < 2,5 ng/ml) im Vergleich zu Männern ohne Mangelerscheinungen mehr als verdoppelt ist (OR 2,24) [15].

Umgekehrt konnte durch die schwedische Arbeitsgruppe um Ohlsson gezeigt werden, dass ältere Männer bei Testosteronspiegeln > 550 ng/dl weniger häufig an kardiovaskulären Erkrankungen litten (OR 0,7) [16]. Bei niedrig normalen und hypogonadalen Testosteronspiegeln ergab sich eine Verdoppelung des Risikos, eine TIA (Transient Ischemic Attack) oder einen Apoplex zu erleiden [17]. Vigen et al. ermittelten in ihrer Publikation unter laufender Substitutionsbehandlung mit Testosterongel bei Männern über 65 Jahren nach sechs Monaten Therapie ein erhöhtes Risiko für das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse. Erhebliche Mängel im Studiendesign lassen die Ergebnisse dieser Arbeit jedoch als wenig nachvollziehbar erscheinen [18]. Die Vermutung, dass eine langfristige Testosteronsubstitution bei hypogonadalen Männern das Risiko steigern könnte, an einem Prostatakarzinom zu erkranken, konnte widerlegt werden [19].

Im Rahmen einer eigenen Untersuchung in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit e. V. wurde rein zufällig ausgewählten Probanden eine Blutentnahme zur Bestimmung der Gesamttestosteronkonzentration im Serum angeboten. Hauptziel war hierbei, Männer aller Altersklassen für das Thema zu sensibilisieren. So erfolgte im Jahr 2012 eine Testosteronbestimmung bei 5 735 Männern. Bei insgesamt 873 Probanden (15,2 %) wurden hypogonadale Werte mit einer Gesamttestosteronkonzentration von unter 2,5 ng/ml ermittelt. Betrachtet man zusätzlich den "Graubereich" mit Testosteronkonzentrationen von unter 3,5 ng/ml, in welchem durchaus Symptome eines Testosteronmangelsyndroms auftreten können, so steigt der Anteil der Männer mit erniedrigten Messwerten auf 37,4 % (2 145 Männer) (vgl. Tabelle).

Die mittlere Testosteronkonzentration über alle Altersklassen betrug 4,15 ng/ml (95 % KI 3,88 – 4,83 ng/ml), ohne dass sich hieraus ein signifikanter Unterschied zwischen den einzelnen Altersklassen errechnen lies. Die Ergebnisse zeigen, dass bei mehr als jedem dritten Mann des Kollektivs teilweise erheblich erniedrigte Testosteronspiegel im Serum ermittelt wurden [20].

Testosteronspiegel bestimmen!

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Testosteronhaushalt einen teilweise entscheidenden Einfluss auf verschiedene Organsysteme des Mannes hat, sollte die Bestimmung dieses bedeutsamen Parameters im Rahmen der Abklärung entsprechender Beschwerden nicht in Vergessenheit geraten.

In einer britischen Untersuchung konnte bei 27 % von 124 Männern mit Erektiler Dysfunktion im mittleren Alter von 50 Jahren ein niedriger Testosteronspiegel bestimmt werden [22]. Zudem haben Männer mit erniedrigtem Testosteronspiegel ein erhöhtes Frakturrisiko durch Osteoporose, wodurch sich eine erhebliche Morbidität, Mortalität und Behinderung ergeben kann [23].

Die Ergebnisse der Querschnittstudie zum Hypogonadismus bei Männern (HIM) konnten belegen, dass etwa zwei Drittel aller Männer mit niedrigem Gesamttestosteronspiegel mindestens eines oder mehrere Symptome des Hypogonadismus aufwiesen [21].

Es darf aus den bereits bekannten Zusammenhängen und den in unserer Arbeit ermittelten Prävalenzzahlen zum Testosteronmangel gefolgert werden, dass ein Testosteronmangel in allen Altersklassen eine Ursache für Erkrankungen darstellt, welche symptomatisch behandelt werden, ohne die auslösende Ursache zu kennen. Hier muss in Zukunft Aufklärungsarbeit bei den Patienten, aber auch bei den Fachkollegen sämtlicher Fachdisziplinen geleistet werden, um bei der Diagnostik im Rahmen eines teilweise unspezifischen Beschwerdebildes auch an die Möglichkeit eines Hypogonadismus als potenzielle Ursache zu denken.

Insbesondere bei Vorliegen spezifischer Symptome wie Libidoverlust, Erektiler Dysfunktion, Depression, Lethargie, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen, Reizbarkeit und depressiver Verstimmung sollte eine Bestimmung des Testosteronspiegels angeraten werden.

Das Therapieziel einer Substitutionsbehandlung bei nachgewiesenem Hypogonadismus stellt die möglichst konstante Einstellung des Gesamttestosteronspiegels in den physiologischen Normalbereich dar. Hierdurch kann die sexuelle Funktion – insbesondere Libido und Erektion – verbessert werden [24, 25]. Depressionen werden positiv beeinflusst [26], die fettfreie Körpermasse wird gesteigert, während der Körperfettanteil reduziert wird und die Knochenmineralisation steigt [27, 28].

Therapie des Testosteronmangels

Zur Behandlung stehen verschiedene orale, transdermale oder injizierbare Präparate zur Verfügung. Durchgesetzt haben sich Testosterongele in unterschiedlichen Dosierungen zur täglichen transdermalen Anwendung und injizierbare Testosteronderivate, welche entweder alle zwei bis drei Wochen oder als Depot alle drei Monate intramuskulär appliziert werden. Orale oder sublinguale Darreichungsformen werden aufgrund ihrer schwachen androgenen Potenz, ihrer teilweise hepatotoxischen Wirkung und der geringen Patientenakzeptanz wenig eingesetzt.

Wird eine Substitutionsbehandlung eingeleitet, sollte diese über drei bis sechs Monate fortgesetzt werden. Der für den Mann subjektiv spürbare Therapieerfolg setzt häufig erst mit einer erheblichen zeitlichen Verzögerung ein. Hierüber muss der Patient aufgeklärt werden, damit die Erwartungshaltung nach Beginn der Therapie nicht enttäuscht wird.

Die Aufklärung ist insbesondere bei Patienten mit begleitender Erektionsstörung von höchster Bedeutung, da hierbei oft ein schneller Therapieerfolg erwartet wird. Gerade in diesem Fall ist der positive Effekt einer Substitutionsbehandlung aber erst viele Monate nach Therapiestart zu erwarten, so dass zu Beginn der Therapie eine Kombination mit einem PDE-5-Inhibitor ratsam erscheint.

Die Therapie durch eine Substitutionsbehandlung dient keinesfalls nur der Verbesserung der Sexualfunktion, sondern kann einen wichtigen Beitrag leisten, teilweise ernsthafte Folgen des Androgenmangels zu verhindern. Nach den bislang verfügbaren Daten scheinen die Vorteile einer Substitutionsbehandlung bei nachgewiesenem Testosteronmangel gegenüber den möglichen Risiken zu überwiegen.


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Autor:

Diplom-Gesundheitsökonom (BI) Priv.-Doz. Dr. med. Tobias Jäger, FEBU

Facharzt für Urologie, Andrologie und Männergesundheit (cmi)
UPK – Urologische Praxisklinik Essen
45130 Essen

Interesssenkonflikte: Dr. Jäger ist als Referent und Berater im Auftrag der Firmen Jenapharm und Lilly tätig.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (15) Seite 30-34