Unter dem Begriff "Thyreoiditis" verbergen sich sehr unterschiedliche Formen der Schilddrüsenentzündung. Ihnen gemeinsam ist, dass es durch die Entzündung zur unregulierten Freisetzung von Schilddrüsenhormonen kommt. Diese Freisetzungshyperthyreose ist allerdings nur vorübergehend. Entsprechend wird hier nicht thyreostatisch, sondern nur symptomatisch behandelt. Bei den meisten Formen der Thyreoiditis – Ausnahme Hashimoto-Thyreoiditis – wird nach der folgenden, meist passageren Hypothyreose innerhalb eines Jahres wieder eine euthyreote Funktionslage erreicht.

Hyperthyreose ist ein recht häufiger Befund. Schätzungen gehen von einer Prävalenz in der Bevölkerung von 2 % aus, wie Dr. Lea Slahor vom Kantonsspital Luzern berichtet [1]. Die Schilddrüsenüberfunktion wird zwar nur zu etwa 10 % von Entzündungen verursacht, dennoch muss eine Thyreoiditis von den häufigeren Hyperthyreose-Ursachen, wie der Autoimmunthyreopathie Morbus Basedow oder Autonomie bei Schilddrüsenknoten, abgegrenzt werden, so die Endokrinologin.

Entzündung – Parenchymdestruktion − Hyperthyreose

Denn das hat therapeutische Konsequenzen: Durch die mit der Entzündung einhergehende Parenchymdestruktion kommt es zur schlagartigen Freisetzung von Schilddrüsenhormonen, also einer Hyperthyreose. Nach Slahors Erfahrung denken bei dieser Stoffwechsellage viele Hausärzte reflexartig an eine thyreostatische Therapie mit Thiamiden. Doch diese Hemmung der Synthese und Sekretion von Schilddrüsenhormonen ist aufgrund des Pathomechanismus wirkungslos, betont Slahor. Daher sollte vor einer thyreostatischen Therapie daran gedacht werden, dass der Hyperthyreose auch eine Thyreoiditis zugrunde liegen könnte.

Verwirrende Nomenklatur

Die Nomenklatur unterscheidet einerseits entsprechend dem Verlauf zwischen akuten und chronischen, andererseits anhand des klinischen Bildes zwischen schmerzhaften und indolenten Formen. Eine weitere Kategorisierung erfolgt nach Einteilung der spezifischen Ätiologie (Tabelle 1).

Hyperthyreose-Symptomatik bei Thyreoiditis variiert

Die klinischen Symptome variieren bei den verschiedenen Formen der Schilddrüsenentzündung. Zusammen mit der Anamnese lässt sich jedoch die Diagnose meist zuordnen.

Anders als beispielsweise bei Morbus Basedow fällt die Hyperthyreose bei Thyreoiditis oft milder aus, entsprechend sind die Symptome weniger ausgeprägt. Als typische Hyperthyreose-Symptome gelten gesteigerte Nervosität, Palpitationen, Schwitzen und Hitzeintoleranz sowie eine ungewollte Gewichtsabnahme. Auch Dyspnoe, Diarrhoe, eine generelle Leistungsminderung und Zyklusstörungen treten im Zusammenhang mit Hyperthyreose gelegentlich auf.

Je nach Typ kommen bei einer Thyreoiditis noch weitere Symptome hinzu. So weisen Schmerzen über der Schilddrüsenloge mit möglicher Ausstrahlung, begleitet von Allgemeinsymptomen und Fieber, auf eine Thyreoiditis de Quervain hin.

Umgekehrt kommen auch asymptomatische Verläufe vor, die dann entsprechend "Silent Thyreoiditis" oder selbsterklärend "Painless Thyreoiditis" genannt werden. Auch der Befund ist bei diesem Typ nur wenig aussagekräftig: Bei der klinischen Untersuchung ist meist nur eine diskrete Struma diffusa zu tasten.

Thyreoiditis kann gefährlich werden

Die Schweizer Endokrinologin weist darauf hin, dass es auch bei der durch Entzündung ausgelösten Hyperthyreose zu Komplikationen kommen kann.

Generell geht eine Hyperthyreose mit erhöhter Morbidität und Mortalität einher, was vor allem durch die Auswirkungen der Schilddrüsenhormone auf das kardiovaskuläre System bedingt ist, beispielsweise durch Arrhythmien oder Thromboembolien.

Auch die Knochen leiden unter einer hyperthyreoten Stoffwechsellage: die Knochendichte sinkt.

Bei der Hyperthyreose im Rahmen einer Thyreoiditis kann es, wenn auch sehr selten, zur thyreotoxischen Krise kommen. Diese lebensbedrohliche Komplikation wird in einzelnen Fallbeispielen auch bei der Thyreoiditis de Quervain beschrieben.

Langwierige Verläufe sind insbesondere bei den medikamentös bedingten Thyreoiditiden, wie bei der Amiodaron-induzierten Thyreoiditis (Typ 2), möglich.

Der Schilddrüsenentzündung auf der Spur

Hat sich in der Laboranalyse eine Hyperthyreose ergeben, empfiehlt Slahor zunächst, folgende Fragen zu klären, um eine vorliegende Thyreoiditis zu erkennen :
  1. Liegen in der persönlichen Anamnese oder in der Familienanamnese Risikofaktoren für Schilddrüsenerkrankungen vor? Sind Autoimmunerkrankungen bekannt? Haben die Patienten kürzlich einen (viralen) Infekt durchgemacht? Welche Medikamente werden eingenommen?
  2. Hat sich die gesamte Symptomatik rasch entwickelt? Ist die Hyperthyreose mild ausgeprägt?
  3. Bestehen Schmerzen über der Schilddrüse, Fieber und Allgemeinsymptome?
  4. Sind Schilddrüsen-Autoantikörper, wie TRAK (TSH-Rezeptor-Antikörper) und/oder Anti-TPO-AK (Anti-Thyreoperoxidase-Antikörper), nachweisbar?
  5. Passt der Sonografie-Befund zur Verdachtsdiagnose, bestätigt in Zweifelsfällen die Szintigrafie diese?

Auch das Labor gibt durch die Differenzierung der Schilddrüsenhormone bereits Hinweise darauf, was die Ursache einer Hyperthyreose sein kann. So lässt sich eine manifeste Hyperthyreose durch Bestimmung eines erniedrigten bzw. supprimierten TSH-Werts bei erhöhten peripheren Schilddrüsenhormonen laboranalytisch bestätigen.

Bei einer Thyreoiditis ist der Wert an freiem T4 (fT4) proportional zum fT3-Wert erhöht, was der Verteilung in den Schilddrüsenfollikeln entspricht. Mit dem Nachweis von TSH-Rezeptor-Antikörpern gelingt die Abgrenzung zum Morbus Basedow, wobei für diesen auch extrathyreoidale Manifestationen (z.B. endokrine Orbitopathie, prätibiales Myxödem) pathognomonisch sind.

Mittels Sonografie lassen sich Knoten und somit eine funktionelle Autonomie ausschließen. Im Ultraschall zeigt sich bei Thyreoiditis ein diffuses, heterogenes Bild mit hypoechogenen Bezirken und vermindertem Vaskularisationsmuster. Die Szintigrafie zeigt das typische Muster eines niedrigen bis fehlenden Uptakes und ergänzt bei Unsicherheiten die Diagnostik. Der tiefe Uptake in der 99mTechnetium-Pertechnetat-Szintigrafie ist während der hyperthyreoten Phase allen Thyreoiditiden gemeinsam.

Anti-TPO-Antikörper – wichtig für die Differenzialdiagnose

Bei der häufigsten Form der Schilddrüsenentzündung, der Hashimoto-Thyreoiditis, wird die "Hashitoxikose", also kurzzeitige hyperthyreote Funktionslage, nur selten erfasst. Durch Nachweis positiver Anti-TPO-Antikörper lässt sich die Diagnose dieser Autoimmunthyreopathie bestätigen (vgl. Tabelle 2).

Die postpartale Thyreoiditis stellt eine Subklasse der Hashimoto-Thyreoiditis dar und tritt per definitionem innerhalb des ersten Jahres nach einer Schwangerschaft auf. Hierbei lassen sich bei 80 % aller Betroffenen Anti-TPO-Antikörper nachweisen. Dies ist auch bei etwa der Hälfte aller Patienten mit Silent Thyreoiditis der Fall, weshalb auch hier von einer autoimmunologischen Genese ausgegangen wird.

Der Thyreoiditis de Quervain geht oft ein viraler Infekt der oberen Luftwege voraus, sodass eine Infekt-getriggerte Entzündungsreaktion vermutet wird. Hohe Entzündungsparameter mit generellen Krankheitssymptomen stützen diese Verdachtsdiagnose.

Seltene Thyreoiditiden

In unseren Breiten kommt die suppurative Thyreoiditis, eine andere schmerzhafte Verlaufsform, nahezu nicht vor. Auch die Riedel-Struma, eine fibrotische Umwandlung des Parenchyms, ist eine Rarität und führt typischerweise nicht zur Entwicklung einer Hyperthyreose.

Andere exogene Einflüsse, wie verschiedene Medikamente oder zervikale Radiatio, müssen in der Anamnese hingegen erfragt werden. Als gut bekannter Auslöser gilt Amiodaron, doch auch neue Therapieformen werden immer häufiger mit Schilddrüsenentzündungen in Verbindung gebracht. Auch unter einer Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren, wie sie verstärkt in der Onkologie eingesetzt werden, kommt es nach neuen Daten einer retrospektiven Kohortenstudie gehäuft zu einer destruktiven Thyreoiditis. Bei einem Drittel dieser Patienten lassen sich Anti-TPO-Antikörper nachweisen.

Therapie – im Prinzip symptomorientiert

Trotz unterschiedlicher Ursachen steht bei den Schilddrüsenentzündungen (außer bei der Hashimoto-Thyreoiditis) primär eine symptomorientierte Therapie im Vordergrund, Betablocker und NSAR bilden hierbei die Grundlage. Da die hyperthyreote Funktionslage nicht durch eine gesteigerte Synthese der Schilddrüsenhormone bedingt ist, bleibt eine thyreostatische Therapie wirkungslos.

Glukokortikoide nur im Ausnahmefall

Eine Prednisolon-Therapie verkürzt bei Thyreoiditis de Quervain weder die hyperthyreote Phase noch beeinflusst diese die resultierende Funktionslage. Entsprechend sollte die Glukokortikoidtherapie schwer symptomatischen Patienten vorbehalten sein. Hingegen stellt die systemische Glukokortikoidtherapie bei der Amiodaron-induzierten Thyreoiditis Typ 2 einen wichtigen Therapiepfeiler dar.

Dreiphasiger Thyreoiditis-Verlauf

Thyreoiditiden verlaufen in der Regel in drei Phasen:
  1. Die erste selbstlimitierende hyperthyreote Phase dauert zwei bis drei Monate.
  2. Abhängig vom Schweregrad der Schilddrüsendestruktion tritt danach eine Hypothyreose auf, diese kann bis zu ein halbes Jahr anhalten.
  3. Meist ist eine Restitution des Schilddrüsengewebes zu erwarten und somit eine euthyreote Funktionslage innerhalb eines Jahres.

Das heißt, bei Thyreoiditiden verläuft auch die Hypothyreose meist passager, z. B. in 90 % der Fälle nach einer De-Quervain-Thyreoiditis. Trotz Anstieg des TSH-Wertes während der hypothyreoten Phase kann deshalb mit einer Ersatztherapie abgewartet werden. Slahor empfiehlt als Faustregel, bei einem TSH-Wert von unter 10 mU/l auf eine Substitutionstherapie zu verzichten.

Bei der postpartalen Thyreoiditis resultiert immerhin bei ca. der Hälfte der Betroffenen innerhalb der nächsten sieben Jahre eine permanente Hypothyreose, was wohl dem zugrunde liegenden autoimmunen Prozess geschuldet ist. Dadurch lässt sich auch die hohe Rezidivrate von 70 % bei weiteren Schwangerschaften erklären.

Bei der De-Quervain-Thyreoiditis kommt es nur in 4 % aller Fälle zu einem Rezidiv. Risikofaktoren hierfür sind eine schwere Verlaufsform sowie auch in diesem Fall (vorbestehende) Anti-TPO-Antikörper.


Quelle: Lea Slahor, CME: Hyperthyreose bei Thyreoiditiden, Praxis 2018, 107 (22), 1187 – 1192



Autorin:
Angelika Ramm-Fischer



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (5) Seite 38-42