Wie sinnvoll ist eine Hormonsubstitution mit L-Thyroxin bei schwangeren Frauen, die eine Schilddrüsenunterfunktion haben? Aktuelle Studien lassen einen Behandlungsnutzen vermuten, können diesen aber nicht abschließend beweisen.

Der Übertritt von mütterlichem Thyroxin (T4) durch die Plazenta ist für den Erhalt der Schwangerschaft und die fetale Entwicklung essenziell. Eine leichte oder subklinische Hypothyreose zeigt hier ungünstige Verläufe, darunter Fehl- und Frühgeburten, niedriges Geburtsgewicht und einen anormal tiefen Intelligenzquotienten beim Kind. Während der Schwangerschaft stimuliert das Choriongonadotropin die Schilddrüse, wodurch das freie Thyroxin ansteigt und der Spiegel des thyreoideastimulierenden Hormons (TSH) absinkt. Die Referenzgrenzen des TSH werden deshalb für das erste Trimenon nach unten angepasst.

Betrachtet man die randomisierten Studien zur Levothyroxinsubstitution bei subklinischer Hypothyreose in der Schwangerschaft, sind die Ergebnisse verwirrend [1]. Eine Studie zeigte etwa bei Frauen mit einem TSH über 2,5 mIU/l und positiven Thyreo-peroxidaseantikörpern (Anti-TPO), dass durch Substitution ein kombinierter Schwangerschaftsendpunkt günstig beeinflusst wurde. Die Erhebung hatte allerdings die kognitiven Aspekte beim Kind nicht untersucht. Eine weitere Erhebung sah auch weniger Frühgeburten bei anti-TPO-positiven Frauen unter Levothyroxin. Eine dritte Studie, die Frauen mit Hypothyroxinämie (also tiefes T4 bei normalem TSH) einschloss, wies wiederum keine Vorteile der Substitution auf den geburtshilflichen Verlauf oder die kognitive Funktion bei Kindern mit dreieinhalb Jahren nach.

Eine weitere Untersuchung betrachtete gezielt die kognitive Entwicklung der Kinder anhand des Intelligenzquotienten (IQ) im Alter von fünf Jahren [2]. Dazu wurden Einlingsschwangerschaften vor der 20. Woche gescreent. 677 Frauen mit subklinischer Hypothyreose (TSH: ≥ 4,00 mIU/l bei normalem T4: 0,08 – 1,90 ng/dl) und 526 Schwangere mit Hypothyroxinämie (TSH: 0,08 – 3,99 mIU/l und tiefes T4: < 0,86 ng/dl) wurden in zwei getrennten Gruppen jeweils mit Levothyroxinsubstitution oder Plazebo verglichen. Im Studienarm mit subklinischer Hypothyreose betrug der mediane kindliche IQ 97 in der Levothyroxin- und 94 in der Plazebogruppe. Im Arm mit Hypothyroxinämie lag der mediane IQ bei 94 unter Levothyroxin und bei 91 unter Plazebo. Auch für andere neurokognitive oder Schwangerschaftsverlaufs-Parameter beziehungsweise Nebenwirkungen ergaben sich zwischen den Vergleichsgruppen keine signifikanten Unterschiede.

Screening der Schilddrüsenfunktion

Die Ergebnisse dieser randomisierten Studie legen den Schluss nahe, dass ein Screening auf subklinische Hypothyreose und eine Therapie mit Levothyroxin vermutlich keinen Nutzen bringen, wenn sie erst spät im zweiten Trimenon erfolgen. Wenn eine erste Schwangerschaftsuntersuchung aber früher (vor der 12. Schwangerschaftswoche) stattfindet, kann man auch an eine frühere, niedrig dosierte Substitutionsbehandlung denken. Das empfiehlt die American Thyreoid Association in ihren Guidelines. Auch zwei retrospektive Kohortenstudien sprechen für einen Nutzen der Substitution von Schwangeren mit subklinischer Hypothyreose. In einer Datenbankanalyse wurden von 5.405 schwangeren Frauen 843 mit einem medianen unbehandelten TSH von 4,8 mIU/l mit Levothyroxin behandelt, 4.562 mit einem medianen unbehandelten TSH von 3,3 aber nicht [3]. Im Vergleich zur unbehandelten Gruppe hatten die Frauen unter Levothyroxin weniger Schwangerschaftsverluste, aber eine höhere Wahrscheinlichkeit für Frühgeburt, Schwangerschaftsdiabetes und Präeklampsie. Das geringere Risiko für einen Abgang war nur bei TSH-Werten zwischen 4,1 und 10 mIU/l statistisch signifikant. Die häufigeren Schwangerschaftskomplikationen bleiben vorerst unerklärt.

Eine Analyse der elektronischen Patientendaten der Mayo-Klinik untersuchte die Auswirkungen einer gesteigerten Levothyroxindosis bei schwangeren Frauen, die wegen einer bekannten Hypothyreose behandelt wurden, aber im ersten Trimenon einen TSH-Wert > 2,5 mIU/l aufwiesen [4]. Bei 85 Frauen wurde die Therapie angepasst, bei elf unterblieb sie. Eine höhere Levothyroxindosis im ersten Schwangerschaftsdrittel senkte das Risiko für eine Fehlgeburt. Andere schwangerschaftsbedingte Verlaufsparameter zeigten jedoch keinen Unterschied.


Literatur
1. Cooper DS et al.: Subclinical hypothyroidism and hypothyroxinemia in pregnancy – still no answers (Editorial). N Engl J Med 2017; 376: 876–877.
2. Casey BM et al.: Treatment of subclinical hypothyroidism or hypothyroxinemia in pregnancy. N Engl J Med 2017; 376:
815–825.
3. Maraka S et al.: Thyroid hormone treatment among pregnant women with subclinical hypothyroidism: US national assessment. BMJ 2017; 356: i6865.
4. Maraka S et al.: Effects of increasing levothyroxine on pregnancy outcomes in women with uncontrolled hypothyro- idism. Clin Endocrinol 2017; 86: 150–155.



Autor: Halid Bas


Genehmigter und bearbeiteter Nachdruck aus Ars Medici Dossier Endokrinologie/Diabetologie IX/2017



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (17) Seite 20-21