Immunologische Testverfahren für TSH, T3 und T4 ermöglichen die Diagnose einer subklinischen Schilddrüsenfunktionsstörung. Doch ab wann und bei wem sollte man eine Therapie beginnen?

Die Prävalenz subklinischer Schilddrüsenfunktionsstörungen wird je nach Studie mit 1,5 bis 5,5 % für die Hyper- und 2,9 bis 16 % für die Hypothyreose angegeben, sagte Dr. Brigitte Velkeniers, Freie Universität Brüssel, am Euromedlab-Kongress in Mailand [1]. Definiert ist die subklinische Funktionsstörung durch ein zu tiefes oder zu hohes Serum-TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon: Thyreotropin) bei normalen Werten für freies T3 (Trijodthyronin) und T4 (Thyroxin) (vgl. Tabelle 1). Die Behandlungsbedürftigkeit bei subklinischer Hypo- oder Hyperthyreose ist umstritten, zumal diese keineswegs immer Vorbote einer sich noch entwickelnden Schilddrüsenerkrankung ist.

Immer mehrmals messen!

Auf alle Fälle kein Grund für Interventionen sei ein einmalig gemessener kritischer Wert, sagte Velkeniers, weil spontane, vorübergehende Schwankungen vorkommen können und sich das TSH in vielen Fällen von selbst wieder normalisiert (Abb. 1). Wie groß die Chance für die spontane Rückkehr auf Normalwerte ist, hängt von der zugrundeliegenden Erkrankung und dem TSH-Wert ab. So ist eine spontane Normalisierung bei einer schweren subklinischen Hyperthyreose (TSH < 0,1 mU/l) eher unwahrscheinlich (ca. 1 von 10), bei einer leichten Ausprägung (TSH 0,1 – 0,4 mU/l) jedoch durchaus möglich (ca. 7 von 10).

In der Praxis scheinen allerdings viele Patienten mit subklinischer Hypothyreose nach nur einer Messung eines kritischen TSH-Werts bereits mit Levothyroxin behandelt zu werden. Dies ergab eine kürzlich publizierte Studie in Großbritannien [2]. Dies sei umso bedenklicher, weil eine Levothyroxin-Verordnung im weiteren Verlauf kaum je in Frage gestellt wurde.

Subklinische Hypothyreose

Brigitte Velkeniers warnte vor allzu gewagten Schlussfolgerungen bezüglich der subklinischen Hypothyreose als Risikofaktor. Da es sich bei den publizierten Daten durchweg um retrospektive Be-
obachtungen und nicht um angemessen gepowerte randomisierte Therapiestudien handele, sei es alles andere als sicher, dass eine Behandlung die mit einer subklinischen Hypothyreose assoziierten Risiken tatsächlich mindert.

Bei einer Konstellation sei man sich allerdings einig: Subklinische Hypothyreose bei Schwangeren beziehungsweise Frauen, die schwanger werden wollen, ist behandlungsbedürftig.

Weniger klar ist der Zusammenhang mit kardiovaskulären Risiken. Eine schwere subklinische Hypothyreose (TSH ≥10 mU/l) geht mit einem höheren Risiko für ischämische kardiovaskuläre Ereignisse und Herzinsuffizienz einher. Es gebe aber keine Studien, die eine Ursache-Wirkungsbeziehung klar belegen oder beweisen könnten, dass die Substitution mit Levothyroxin in dieser Indikation tatsächlich sinnvoll ist.

In einer Übersichtsarbeit in der Zeitschrift „Lancet“ [3] im Jahr 2012 wurden die zurzeit gängigen Empfehlungen für die Indikation zur Levothyroxinsubstitution bei subklinischer Hypothyreose wie folgt formuliert: Eine Substitution mit Levothyroxin ist bei einem Serum-TSH ≥10mU/l sinnvoll (Zielwert 0,5 bis 2,5mU/l für junge Patienten und Patienten mittleren Alters, ggf.4 – 6mU/lbei älteren Patienten). Auch bei einem Serum-TSH 5 – 9mU/l kann man sie erwägen, sofern seit kurzem Symptome bestehen oder Struma, positive anti-thyroidale Antikörper, Dyslipidämie oder andere kardiovaskuläre Risikofaktoren vorhanden sind sowie bei Schwangerschaft oder Kinderwunsch. Patienten über 85 Jahre mit einem Serum-TSH 5 – 9mU/l sollten nicht behandelt werden; bei Patienten über 65Jahre gilt ein TSH-Ziel bis 7mU/l. Eine Therapie kommt bei einem TSH 5 – 9mU/l auch dann infrage, wenn der TSH-Wert stetig ansteigt (mehrfach messen!).

Während Labormediziner und Endokrinologen noch darüber diskutieren, ob und wann man bei einer subklinischen Hypothyreose therapieren sollte, wird dies in der Hausarztpraxis immer häufiger gemacht, zumindest in Großbritannien und den USA [2]. Auffällig sei, dass diese Therapie nicht selten bereits bei TSH-Werten unter 10mU/l verordnet wird, obwohl keine zusätzlichen Voraussetzungen gegeben sind, wie kardiovaskuläre Risikofaktoren oder klassische Symptome einer Schilddrüsenunterfunktion, schreiben Taylor und seine Co-Autoren. Sie warnen vor einer Übertherapie sowie dem Risiko der Induktion einer subklinischen Hyperthyreose und der damit verbundenen Risiken. Sie fanden in ihrer Studie nach fünf Jahren bei 10,2 % der Patienten unter Levothyroxin einen niedrigen Thyroxinspiegel unter 0,5mU/l und bei 5,8 % der Patienten einen sehr niedrigen von 0,1 mU/l.

Subklinische Hyperthyreose

Für Personen mit subklinischer Hyperthyreose gibt es noch gar keine klaren Empfehlungen für eine therapeutische Intervention, zumal diese mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden ist (Thyreostatika) oder die Schilddrüse irreversibel schädigen kann (Radioiod).

Eine subklinische Hyperthyreose kann viele Ursachen haben. Dazu gehört zum Beispiel die oben erwähnte Levothyroxintherapie, Morbus Basedow, solitäre autonome Adenome, Knotenstruma, Mutationen oder Thyroiditis de Quervain.

Niedrige TSH-Werte misst man zudem in der Schwangerschaft am Ende des dritten Trimesters, im Zusammenhang mit schweren Erkrankungen unter hoch dosierter Glukokortikoid- oder Dopamintherapie, und sie kommen auch bei einigen älteren Personen und Rauchern vor.

Drei im letzten Jahr publizierte Metaanalysen dokumentieren zwar eine Assoziation von subklinischer Hyperthyreose mit einem erhöhten Risiko für Arrhythmien, Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz, aber ob eine Behandlung tatsächlich etwas bringen würde, ist mangels randomisierter Therapiestudien noch offen.

Auch eine niedrigere Knochendichte wird mit der subklinischen Hyperthyreose in Verbindung gebracht, aber die Daten zum Frakturrisiko seien spärlich und widersprüchlich, so Velkeniers.

Genehmigter und bearbeiteter Nachdruck aus Ars medici 23/2013


Literatur:
1. Vortrag von Dr. Brigitte Velkeniers: Subclinical thyroid disorders: Is it clinically important? Symposium «Contemporary issues in thyroid disease» am Euromedlab-Kongress in Mailand, 19.-23. Mai 2013
2. Taylor PN et al.: Falling thresholds for treatment of borderline elevated thyrotropin levels – balancing benefits and risks. Evidence from a large community-based study. JAMA Intern Med 2013; published online October 7, 2013
3. Cooper DS, Biondi B: Subclinical thyroid disease. Lancet 2012; 379:1142-1154.



Autor:
Renate Bonifer

Interessenkonflikte: keine deklariert


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (10) Seite 64-66