Schlecht riechender Atem bzw. faul-übelriechender Mund- oder Nasengeruch (Halitosis) sind ein weltweit häufiges Problem. Sie nehmen mit dem Lebensalter zu und können für die Betroffenen psychosozial überaus belastend sein. Zudem sind sie manchmal Ausdruck einer chronischen Erkrankung. Daher sollte auch der Hausarzt mögliche Ursachen und Therapiemöglichkeiten kennen.
Die heutige Definition der Halitosis lautet: "Merklicher, schlechter Geruch aus den Atemwegen". Dieses Problem ist weltweit häufig anzutreffen: Bevölkerungsbezogene Quellen [1, 2] sprechen von einer Häufigkeit von 6– 23 % der Menschen in China und von bis zu 50 % der Bevölkerung in den USA – wobei hier anzumerken ist, dass offenbar die Prävalenz der Halitosis in den Ländern als am höchsten gilt, in denen die meiste Fernsehwerbung für Atemsprays und Mundspüllösungen gezeigt wird.
Ursachen und Pathophysiologie
Halitosis ist ein multifaktorielles Geschehen bzw. kann durch viele verschiedene Faktoren ausgelöst und unterhalten werden [1 – 6] (Abb. 1). In den meisten Fällen von Halitosis (ca. 80 – 85 % der Patienten) liegt die Geruchsquelle im Bereich von Mundhöhle, Zähnen, Zahnfleisch, Zunge und Rachen [3 – 6], so dass einer sorgfältigen Untersuchung dieser Regionen die wichtigste Bedeutung zukommt. Weitere Ursachen können im Bereich der Nasenhöhlen und Nebenhöhlen und in einigen Fällen auch in den tieferen Atemwegen (Bronchiektasen, chronisch-rezidivierende Infektionen) liegen.
Erst danach folgen gastroenterologische und internistisch-systemische Krankheitsbilder. Dazu zählen v. a. der gastro-ösophageale, saure Reflux (GERD), Prädispositionen wie Ösophagusdivertikel (Zenker) und Tumoren, Magenausgangsstenosen, Helicobacter-Gastritis und chronische Lebererkrankungen. Andere Organ- und Stoffwechsel-Erkrankungen wie Diabetes mellitus, chronische Niereninsuffizienz, die Ahornsirup-Krankheit, Trimethylaminurie, Leukämien oder Agranulozytose machen sich zumeist primär durch andere Symptome bemerkbar und werden i.d.R. nicht erst anhand des Mundgeruchs erkannt [1, 4, 6, 7].
Schließlich können auch Medikamente Mundgerüche bzw. geruchsintensive Exhalate verursachen. Die wichtigsten Substanzen und Gruppen, denen ein Zusammenhang mit schlechtem Atemgeruch zugeschrieben wird, sind in Tabelle 1 aufgelistet.
Pathophysiologisch spielt eine pathologische Bakterienflora, z. T. bestehend aus Anaerobiern und gramnegativen Keimen, eine besondere Rolle. Insbesondere diese gerne filmartig am Zungenrücken und in Zahn- und Zahnfleischlücken wachsenden Bakterienarten werden für die Entwicklung von flüchtigen Schwefelverbindungen (VCS) verantwortlich gemacht, die in Kombination mit einer protein(fleisch)reichen Kost und/oder Läsionen der Mundorgane schweflig-faulig riechende Zustände hervorrufen und unterhalten können.
Bei anderen der o. g. Ursachen liegt die Pathophysiologie natürlich in der Grundkrankheit begründet, z. B. bei entgleistem Diabetes mellitus, Nierenversagen, nekrotischen besiedelten Tumoren, Stase von Mageninhalt bei Pylorusstenosen, Regurgitation von Speiseresten beim Zenker-Divertikel oder rezidivierendem Erbrechen.
Die Primärdiagnostik der Halitosis lässt sich oft nicht-apparativ gut durchführen und bereits früh lassen sich dabei differenzialdiagnostische Pfade ebnen (Abb. 2).
Pragmatische Therapie der Halitosis
Aufgrund der oben aufgeführten pathophysiologischen Überlegungen und Hypothesen basiert die klinisch-praktische Behandlung bei "gesicherten Fällen" auf den folgenden Grundprinzipien:
- Chemische Reduktion der angeschuldigten pathologischen (Bakterien-)Flora in der Mundhöhle, dem Zahnfleisch und den Zähnen
- Mechanische Entfernung des Biofilms am Zungengrund (und anderen Stellen)
- Überdecken/Neutralisation dennoch entstandener Gerüche durch angenehm duftende Substanzen/Lösungen/Spülungen
- Im Einzelfall: Behandlung von anderen disponierenden Erkrankungen, z. B. Bronchiektasen, Helicobacter-pylori-Gastritis, Diabetes, chronischen Lebererkrankungen
Die Therapie der Halitosis stellt eine interdisziplinäre Aufgabe dar, bei der es auf ein gut funktionierendes Ärzte-Netzwerk ankommt. Abb. 3 zeigt einen pragmatischen Weg, mit dem sich viele der betroffenen Patienten mit Halitosis in der Praxis gut behandeln lassen.
Primär sollte stets der Zahnarzt bei der Therapie kontaktiert werden, da im Bereich der Zähne und Mundhöhle die meisten Ursachen zu finden sind, vor allem Zahnlöcher, Karies, Lücken, Wurzelprobleme, Vereiterungen und die Gingivitis. Die Patienten sollten dabei stets angehalten werden, eine regelmäßige Mund- und Rachenhygiene zu betreiben. Dazu zählen eine gründliche tägliche, mindestens zweimalige Zahnreinigung (am besten mittels elektrischer Zahnbürste) und tägliche Spülungen (spezielle Substanzen s. u.). Allerdings deuten frühere klinische Studien darauf hin, dass die Endpunkte "fauliger Mundgeruch" und Speichel-Odor durch die regelmäßige Anwendung von Zahnseide im Vergleich zum reinen Zähneputzen signifikant geringer ausfallen [5] können.
Zudem kann die Anwendung mechanischer Instrumente (mit Bewegungsrichtung von posterior nach anterior) zur Reduktion von Biofilm am Zungengrund so erlernt werden, dass kein Brechreflex mehr auftritt, die Compliance hoch ist und eine Langzeit-Anwendung klinisch (möglicherweise komplementär zur Zahnseide und Mundhygiene) wirksam ist [8, 9].
Da möglicherweise auch Ernährungsfaktoren eine Rolle spielen, sollte – besonders in "schweren Fällen" – die Zufuhr von Fleisch, Milch und Käse probatorisch vorübergehend reduziert werden. Nahrungsmittel, die besonders positive Effekte bei Halitosis aufweisen, sind vor allem Avocados, Apfelcider, Curcuma, Guave-Blätter, Ingwer, Kardamomsamen, Petersilie, Pfefferminze, Rosmarin, Sellerie, Zimt und Zitrusfrüchte.
Führen diese Maßnahmen und Behandlungen – auch nach Überprüfung der Compliance der Patienten – nach mindestens vier Wochen Therapie nicht zu einem befriedigenden oder guten Ergebnis, sollten weitere diagnostische Schritte unternommen werden (s. o.). Findet man dabei eine behandelbare Grundkrankheit, sollte eine spezifische Therapie erfolgen. Für die H.p.-Gastritis besteht dafür auch eine relativ gute Evidenzlage, so dass eine H.p.-Eradikation bei eindeutigem Nachweis jedenfalls versucht werden sollte [7].
Liegt der Verdacht auf eine "eingebildete Halitosis", Pseudohalitosis und/oder eine relevante psychische Begleiterkrankung (z. B. Angst- und Panikstörung) nahe, sollte zusätzlich eine Abklärung und ggf. Therapie bei einem psychiatrisch-psychosomatisch ausgerichteten Fachkollegen angestrebt werden. Auch bei diesen Patienten ist es sinnvoll, sie (z. T. auch aus Konditionierungsgründen) zu einer regelmäßigen Mund- und Rachenhygiene zu ermuntern.
Möglichkeiten der Lokaltherapie
Zur chemischen Bakterienreduktion werden häufig relativ "scharfe", desinfizierende Substanzen eingesetzt, die vor allem die Wirkstoffe Chlorhexidin, Cetylpyridinium-Chlorid und/oder Triclosan enthalten (z. B. Hexoral, Listerine N, GUM, Odol u. v. a. m.). Diese Substanzen sind in der Praxis wahrscheinlich unterschiedlich effektiv und reduzieren die bakterielle Flora in der Mundhöhle und den Zähnen/Zwischenräumen für einige Zeit [9 – 12].
Jedoch verursachen die o. g. Substanzen – bei häufiger Anwendung – signifikante Nebenwirkungen. Dazu zählen besonders Geschmacksstörungen, Zahnverfärbungen, Trockenheitsgefühl im Rachen, metallische Geschmackssensationen sowie pelzige Gefühlswahrnehmungen und andere unangenehme Lokalerscheinungen.
Daher gehen viele Anwender dazu über, eher den Geruch "maskierende" oder neutralisierende Substanzen einzusetzen. Das Angebot in Internet, Drogerien, Supermärkten etc. ist schier unüberschaubar, eine "Evidenz-basierte" Beurteilung einzelner Substanzen sicherlich nicht möglich. Diese Lösungen enthalten Mischungen aus Eukalyptusöl, Zink-Chlorid, Menthol, Thymol und anderen organischen Ölen, Poloxamer, Benzoesäure und Natrium-Fluorid. Ein Anwendungsversuch in der Praxis über mindestens 14 Tage kann durchaus empfohlen werden.
Auch rein "komplementär-medizinische" Maßnahmen können wahrscheinlich einen guten Beitrag leisten und schneiden im Bezug auf Verträglichkeit und Sicherheit sehr gut ab. Dazu hier folgende Tipps (vgl. auch Tabelle 2):
- Spülen der Mundhöhle mit Limetten- oder Zitronenwasser oder Spülen/Gurgeln mit in Wasser gelöstem Backpulver (neutralisierende Wirkung). Auch grüner Tee, der reich an Epigallocatechingallaten (ECG) ist, kann eingesetzt werden.
- Bei Unwirksamkeit oder nicht ausreichender Wirkung dieser Maßnahmen kann auf Substanzen wie Thymol (in Wasser gelöst), Pfefferminzöl- und/oder Teebaumöl-Tropfen (in Wasser gelöst) übergegangen werden. Sehr seltene Allergien können hier ggf. eine Rolle als Nebenwirkung spielen.
- Besonders "esoterisch angehauchte" bzw. "alternativ" eingestellte Patienten können von Lösungen wie Kardamom-Tee und/oder Blätter-Extrakten des Ayurvedischen NEEM-Baums profitieren, die als Aufguss, Tee oder Spüllösung nachhaltige Wirkungen in der Mundhöhle und dem Zahnfleisch entfalten sollen. Die individuelle Verträglichkeit sollte geprüft werden.
- Chlorophyll-Tabletten wird eine geruchs-neutralisierende Wirkung zugesprochen, im Einzelfall lohnt sich ein Behandlungsversuch.
Fazit für die Praxis
Die Halitosis kann ein individuell sehr belastendes Leiden für Betroffene sein. Eine gute Behandlung ist heute in der Regel gut möglich. Dabei sollten Allgemeinärzte primär eng mit Zahnärzten und MKG-Spezialisten sowie HNO-Kollegen zusammenarbeiten. Auch eine mögliche psychiatrische Ko-Morbidität sollte früh erfasst und dem Spezialisten zugeführt werden. Die Dauerbehandlung kann von vielen Patienten zu Hause selbst einfach durchgeführt werden und besteht im Wesentlichen aus Zahn- und Mundhygiene, Zahnseide-Anwendung und Zungenbürsten oder -schabern. Medikamente, die Mund- und Rachengerüche auslösen, sollten identifiziert und möglichst gemieden werde. Das Rauchen und die Anwendung stark riechender Gewürze wie Knoblauch sollten ebenfalls eingestellt werden. Verschiedene natürliche oder extrahierte Spüllösungen, Tees oder Öle können zudem die Gerüche neutralisieren und überdecken helfen. Eine ausgewogene, obst- und gemüsereiche Ernährung bzw. fleisch- und an tierischen Proteinen reduzierte Kost hilft oft, das Problem weiter zu reduzieren.
Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (5) Seite 54-57