Halitosis (lat. Halitus – Atem) bezeichnet einen als unangenehm wahrgenommenen Geruch der Ausatemluft des Menschen, umgangssprachlich als Mundgeruch bezeichnet. Bis zu 50 % der Bevölkerung beklagt zumindest zeitweise Halitosis, etwa 1 % sucht aus diesem Grund fachkundigen Rat.

Der menschliche Körper bildet eine Vielzahl flüchtiger Verbindungen, welche in ihrer Gesamtheit auch als Volatolom bezeichnet werden [1]. Die größte Vielfalt hiervon findet sich in unserer Ausatemluft, noch vor anderen Geruchsquellen wie Schweiß, Speichel, Stuhl und Urin (Abb. 1). Verantwortlich für den unangenehm empfundenen Mundgeruch sind dabei insbesondere flüchtige Schwefelverbindungen ("volatile sulphur compounds", VSC). Verschiedene Mikroorganismen, vorzugsweise gramnegative Anaerobier, auch solche der physiologischen Flora, bilden diese aus residuellen Nahrungsbestandteilen (Abb. 2). Schwefelhaltige Aminosäuren (Cystein, Cystin und Methionin) aus Nahrungseiweiß dienen hierbei als Substrate. Mangelhafte Zahn- und Mundhygiene fördert die Besiedelung, insbesondere im Periodontium und auf dem hinteren Zungenbereich.

Objektivierung der Halitosis

In bis zu einem Drittel aller Konsultationen ist das Symptom "Mundgeruch" weder subjektiv noch messtechnisch nachweisbar [2]. Vor eingehender Diagnostik sollte daher möglichst eine Objektivierung angestrebt werden. Als Goldstandard zum VSC-Nachweis gilt die Gaschromatographie. Da diese aber teuer und im Regelfall nicht verfügbar ist, hat sich die organoleptische Methode als praxistauglich etabliert. Hierbei schätzt der Untersucher das Ausmaß der Halitosis anhand des Abstands zum Patienten ein, in welchem der Geruch der Ausatemluft noch nachweisbar ist (Tabelle 1). Da der Mundgeruch variablen Einflüssen unterliegt, sollte die Untersuchung an wenigstens zwei von drei verschiedenen Untersuchungstagen auffällig sein, um eine Halitosis zu etablieren.

Physiologischer Mundgeruch

Schlechter Mundgeruch kann physiologisch sein. Die morgendliche Ausatemluft (vor der ersten Mundhygiene des Tages) ist hierfür ein typisches Beispiel [3]. Auch durch Konsumverhalten entsteht Mundgeruch [4], etwa durch Verzehr geruchsintensiver Nahrungsmittel (z. B. Knoblauch, Zwiebeln, Kohl, Blumenkohl, Radieschen), (erhöhten) Alkoholkonsum oder Konsum von Tabakprodukten. Übermäßiger Kaffeegenuss kann zu Mundtrockenheit führen, welche Mundgeruchsbildung erleichtert.

Psychogene und kulturelle Hintergründe

Ist ein Patient von seinem Mundgeruch zunächst überzeugt, ohne dass sich dieser objektivieren lässt, und kann er durch Untersuchung und Aufklärung von dieser Idee wieder abgebracht werden, so hat sich hierfür die Bezeichnung Pseudo-Halitosis etabliert. Die Behandlung kann, wie bei anderen somatoformen Störungen, jedoch langwierig sein und bedarf häufig eines Mindestmaßes an rückversichernder somatischer Diagnostik. Die Möglichkeit einer kofaktoriellen depressiven Störung ist zu erwägen.

Nicht immer gelingt es, Betroffene von der Unrichtigkeit ihrer Vermutung zu überzeugen. Persistiert die Vorstellung von schlechtem Mundgeruch, so spricht man auch von Halitophobie. Hier kann eine wahn- oder zwanghafte, aber auch eine hypochondrische Störung zugrunde liegen. Im ostasiatischen Kulturraum, insbesondere in Japan, leidet ein signifikanter Anteil vorwiegend jüngerer Männer unter einer Sonderform des olfaktorischen Referenz-Syndroms, Taijin Kyofusho. Aus Sorge, andere durch den befürchteten eigenen Mundgeruch zu beschämen, ziehen sich die Betroffenen sozial zurück [5, 6].

Echte Halitosis

90 % der Halitosisfälle haben ihre Ursache im Mund-Nasen-Rachenraum. Wärme und Feuchtigkeit fördern das Mikrobenwachstum, so dass hier über 500 Spezies physiologisch nachweisbar sind. Bei schlechter Mundhygiene können sich bevorzugt die VSC-Bildner vermehren. Gingivitis, Parodontitis und andere enorale Entzündungen begünstigen dies. Eindrucksvoll ist z. B. der Foetor bei akuter nekrotisierender Gingivitis (Plaut-Vincent). Auch im Zahnbelag gedeihen halitogene Erreger. Eine medikamentös bedingte Gingiva-Hyperplasie (z. B. durch Phenytoin, Cyclosporin oder Ca2+-Blocker) kann Halitosis verursachen. Zu bedenken ist auch eine Tonsillitis, mitunter können Tonsillensteine gefunden werden. In den oberen Atemwegen sind insbesondere die Nasennebenhöhlen zu nennen, pulmonal kommen Bronchiektasen sowie tuberkulöse Kavernen in Betracht.

Auch Medikamente bzw. Drogen können Mundgeruch fördern, zumeist wiederum durch Abnahme der Speichelsekretion: Amphetamine, manche Zytostatika bzw. Antidote (DMSO: Knoblauchgeruch), Nitrite und Nitrate, Antihistaminika, Antiallergika, Parkinsonmittel, Benzodiazepine und Diuretika. Eine Kiefernekrose bei Bisphosphonat-Therapie kann ebenfalls mit Halitosis einhergehen [7, 8]. Gravierende, aber glücklicherweise seltene Auslöser sind Tumoren im Mund oder im Nasen-Rachenraum.

Magen-Darm-Trakt: Seltener Auslöser

Zumeist überschätzt wird die Bedeutung des Magen-Darm-Trakts bei der Entstehung der Halitosis [9, 10]. Dieser ist vermutlich bei weniger als 1 % der Betroffenen ursächlich. Häufig wird vom Patienten eine H. pylori-Infektion vermutet. Überzeugende Studiendaten, welche dies stützen, fehlen jedoch weitgehend.

Findet ein Abszess Anschluss an den oberen Gastrointestinaltrakt, beispielsweise im Rahmen einer Pankreatitis, so kann sich dies natürlich auch in einer Halitosis manifestieren. Weitere mögliche, einer pathologischen Anatomie geschuldete Halitosisquellen können z. B. eine gastrokolische Fistel oder ein (länger liegender) Ösophagusstent sein. Andere Symptome der Grunderkrankung werden in all diesen Fällen das Krankheitsbild jedoch zumeist so weit dominieren, dass nur ausnahmsweise die Klage über oralen Foetor den Weg zur richtigen Diagnose weist. Insbesondere bei älteren Patienten ist auch nach einem Zenker-Divertikel zu fahnden, wenngleich Dysphagie und Regurgitation dann üblicherweise als führende Symptome beklagt werden.

Metabolische Störungen

Mancher Foetor ist pathognomonisch für bestimmte Stoffwechselerkrankungen [11]. Die aromatisch-fruchtartige Atemluft bei diabetischer Ketoazidose, der Foetor hepaticus bei fortgeschrittener Leberkrankheit oder der Foetor uraemicus bei Nierenversagen sind geläufige Beispiele. In diesen Fällen hilft die Nase bei der Diagnosefindung, der Foetor selbst aber stellt nicht das führende Problem dar. Vor allem, aber nicht ausschließlich in der Kinder- und Jugendmedizin kommt auch den seltenen Stoffwechselkrankheiten Bedeutung zu. Eine große Anzahl von Speichererkrankungen geht mit charakteristischen Geruchseindrücken einher, welche auch die Atemluft betreffen (z. B. Fischgeruch bei Trimethylaminurie, Geruch von Mäuseurin bei der Phenylketonurie).

Therapieziele bei Halitosis

Nach Ausschluss einer "sekundären" Halitosis bei zugrundeliegender Systemkrankheit richtet sich das primäre Therapieziel auf die Beseitigung des Mundgeruchs. Wesentlicher als dieser kosmetische Effekt ist allerdings zumeist der soziale und psychologische Zugewinn für die Betroffenen. So steigt die Lebensqualität messbar, die sozialen Kontakte und damit auch das Selbstwertgefühl der Betroffenen verbessern sich signifikant.

Prozedere bei gesicherter Halitosis

Ursachen außerhalb des Oropharynx und der Atemwege sollten zunächst durch Untersuchung und Anamnese orientierend ausgeschlossen werden. Bei 90 % der Patienten wird der Besuch beim Zahnarzt, ggf. ergänzt durch die HNO-Diagnostik, richtungsweisend sein [7]. Zahn- und Zahnfleischerkrankungen werden als Voraussetzung eines Langzeiterfolges hier saniert und die Patienten zum weiteren Prozedere instruiert. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen ist eine chronische Tonsillitis auszuschließen, ggf. kann eine Tonsillektomie indiziert sein. Orale Hygienekonzepte fußen auf den beschriebenen Erkenntnissen über die halitogene Flora: Regelmäßiges Zähneputzen von hinreichender Dauer (drei Minuten) und professionelle Zahnreinigung nach Indikationsstellung des Zahnarztes werden ergänzt durch den Einsatz von Zungenschabern (überwiegend positive Evidenz) sowie geeigneten Mundspüllösungen. Letztere enthalten z. B. Zinkacetat/Chlorhexidin sowie weitere Komponenten oder Probiotika wie Streptococcus salivarius oder Weissella cibaria, welche halitogene Keime der Mundflora hemmen [12, 13].

Nicht zuletzt können auch Ernährungstipps für Betroffene hilfreich sein: Regelmäßige Mahlzeiten, faserige Kost sowie insbesondere zum Abschluss der Mahlzeit rohes Obst oder Gemüse (z. B. Karotten, Ananas) oder Kräuter (z. B. Petersilie) unterstützen die natürliche Reinigung des Oropharynx und helfen durch ihr Eigenaroma.


Literatur:
1. De Lacy Costello B et al (2014) A review of the volatiles from the healthy human body. J Breath Res 8 epub 014001
2. Filippi A, Müller N (2006) Echte und psychisch bedingte Halitosis – Befunde, Diagnosen und Ergebnisse einer Mundgeruch-Sprechstunde. Schweiz Monatsschr Zahnmed 116: 129-135
3. Snel J et al (2011) Volatile sulphur compounds in morning breath of human volunteers. Arch Oral Biol 56: 29-34
4. Porter SR, Scully C (2006) Oral malodour (halitosis). Br Med J 333: 632-635
5. Zaitsu T et al. (2011) Social anxiety disorder in genuine halitosis patients. Health and Quality of Life Outcomes 9: 94-100
6. Sugiyama T et al. (2011) Character traits of malodor patients. Bull Tokyo Dent Coll 52: 123-128
7. Filippi A (Hrsg.) (2011) Halitosis. Professionelle Behandlung von Mundgeruch in der zahnärztlichen Praxis. 2. Aufl., Quintessenz, Berlin - Chicago – Tokio – Barcelona – Istanbul – London – Mailand – Moskau – Neu-Delhi – Paris – Prag – Sao Paulo – Seoul - Singapur – Warschau
8. Felsenberg D et al. (2006) Kiefernekrosen nach hoch dosierter Bisphosphonattherapie. Dtsch Ärztebl 103: A 3078-3081
9. Tas A et al. (2011) No significant association between halitosis and upper gastrointestinal endoscopic findings: a prospective study. Chin Med J 124: 3707-3710
10. Bollen CML, Beikler T (2012) Halitosis: the multidisciplinary approach. Int J Oral Sci 4: 55-63
11. Shirasu M, Touhara K (2011) The scent of disease: volatile organic compounds of the human body related to disease and disorder. J Biochem 150: 257-266
12. Bonifait L, Chandad F, Grenier D (2009) Probiotics for Oral Health: Myth or Reality? J Can Dent Assoc 75: 585-590
13. Kumar SKS, Byrne G (2010) Some evidence shows that certain mouthrinses can reduce halitosis. J Am Dent Assoc 141: 1008-1009
14. Rosenberg M et al (1991) Halitosis measurement by an industrial sulphide monitor. J Periodontol 62: 487–489


Autor:

Priv.-Doz. Dr. med. Roger Secknus, Weimar

Klinik für Innere Medizin II
Sophien- und Hufeland-Klinikum Weimar gGmbH
99425 Weimar

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (15) Seite 16-19