In Deutschland fasten etwa 40% der schwangeren Muslimas im Ramadan. Schwangere sind vom Fasten ausgenommen, allerdings wollen viele Gläubige den Ramadan einhalten. Gleichzeitig ist Ramadan in der Schwangerschaft mit Gesundheitsrisiken für das Kind verbunden. Eine Herausforderung für Hausärzt:innen, an der Schnittstelle zwischen Gesundheit und Religion sensibel zu beraten.

Das Fasten während des Ramadans ist eine Säule des islamischen Glaubens. Zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang wird in dieser Zeit komplett auf Essen und Trinken verzichtet. Die meisten der etwa sechs Millionen Muslim:innen in Deutschland üben den Ramadan aus und sehen dies als wichtigen Ausdruck ihres Glaubens und Zeit der Besinnung an. Bei Gesunden ist das Ramadanfasten mit positiven Auswirkungen auf die Gesundheit verbunden [1, 2]. Vom Fasten ausgenommen sind Kinder, menstruierende und stillende Frauen, Kranke, alte Menschen sowie Reisende.

Schwangere sind gemäß den meisten Interpretationen des Korans von der Fastenpflicht ebenfalls ausgenommen – zumindest, wenn sie um ihre Gesundheit oder die ihres Kindes besorgt sind. Es fastet dennoch ein hoher Anteil – etwa 40% der schwangeren Muslimas in Deutschland [3, 4], 65% im Iran [5] und 99% in Bangladesch [6].

Gesundheitsfolgen von Ramadan in der Schwangerschaft

Die Zusammenhänge zwischen Ramadan in der Schwangerschaft und der Gesundheit der Nachkommen sind in der epidemiologischen Literatur gut untersucht. Dokumentiert sind höhere Risiken für Symptome von Diabetes, Atemwegserkrankungen oder koronaren Herzkrankheiten. Auch die kognitive Gesundheit wird beeinflusst: Kinder schreiben etwas schlechtere Schulnoten und Erwachsene erzielen geringere Einkommen [7]. Diese Spätfolgen treten besonders auf, wenn Ramadan mit der frühen Schwangerschaft überlappt.

Die meisten Folgen treten nicht direkt bei Geburt auf, sondern erst später im Leben. Dies ist ein bekanntes Phänomen. Durch epigenetische Anpassungen wird der Fötus schon während der Schwangerschaft auf die spätere Lebensumwelt vorbereitet. Dem Fötus wird während des Ramadans suggeriert, dass Nahrungsknappheit herrscht. Der Organismus hat dann ohne Knappheit Anpassungsschwierigkeiten. Zudem kann es zu Unterentwicklung kommen, wenn eine Unterversorgung während kritischer Wachstumsphasen von Organen auftritt.

Wie wird Ramadan in der Schwangerschaft in Deutschland praktiziert?

Eine Umfragestudie aus Mainz zeigt, dass etwa 40% der schwangeren Muslimas in Deutschland fasten [3, 4]. Die meisten Frauen fasten an mehr als 20 Tagen, wobei die Fastenrate im ersten Schwangerschaftstrimester am höchsten ist. Manche Schwangere versuchen zu fasten, stellen das Fasten dann aber ein, weil sie sich zu schwach fühlen.

Viele Frauen fasten aus Gewohnheit, weil sie in der Frühschwangerschaft noch nicht über die Schwangerschaft kommunizieren wollen oder weil sie sich der Risiken nicht bewusst sind. Andere Frauen fasten nicht, weil sie um die Gesundheit ihres Kindes besorgt sind. Die meisten Frauen treffen die Entscheidung eigenständig. Der Anteil der Partner, die denken, dass schwangere Muslimas fasten sollten, ist mit etwa 5 – 7 % gering.

Hausärzt:innen als vertrauensvolle Ansprechpartner:innen

Aufgrund des Vertrauensverhältnisses, das viele Patientinnen zu ihren Hausärzt:innen haben, ist die Thematik auch für die Hausarztpraxis hochrelevant. Nur wenige Muslimas sprechen das Thema Ramadan in der Schwangerschaft bei medizinischem Fachpersonal an. Übernehmen Sie die Initiative und machen Sie ein Gesprächsangebot.

Klar ist: Die letztendliche Entscheidung obliegt der Patientin. Dennoch können Sie kulturelle Sensibilität zeigen, indem Sie sich zunächst darüber informieren, wann der Ramadan stattfindet. Dieses Jahr ist das voraussichtlich vom 22. März bis zum 21. April.

Auch unabhängig von einer Schwangerschaft können Sie Ihren muslimischen Patientinnen im gebärfähigen Alter ein Angebot zum Austausch über den Ramadan machen. Durch eine Sensibilisierung für die mit Ramadan in der Schwangerschaft verbundenen Risiken ermöglichen Sie den Patientinnen, im Falle einer Schwangerschaft eine informierte Entscheidung zu treffen. Sie werden feststellen, dass die meisten Muslimas es wichtig finden zu wissen, wie Fasten sich auf das Kind auswirken kann.

Auch Muslimas, die fasten wollen, sollten mit ihrem Wunsch respektiert werden. Frauen mit dringendem Fastenwunsch können Sie darauf hinweisen, dass neueste Studien darauf hindeuten, dass eine ausreichende Kalorienzufuhr außerhalb der Fastenzeiten wichtig ist [4]. Die Mainzer Studie legt nahe, dass die Umstellung auf eine fettreiche, kalorienreiche Ernährung die Auswirkungen des Fastens auf das Neugeborene abmildern könnte – allerdings ist zum derzeitigen Stand der Forschung noch unklar, ob die langfristigen Auswirkungen auf diese Weise vollständig vermieden werden können. Zudem können Sie daran erinnern, dass für Schwangere kein Fastengebot besteht und das Fasten jederzeit unterbrochen werden kann.

Tipp: Ermutigen Sie dazu, den Fastenwunsch offen mit Gynäkolog:in oder Hebamme abzusprechen.

Selbstverständlich sollte die Schwangerschaftsvorsorge weiterhin bei Gynäkolog:in/Hebamme stattfinden. Nach einem vertrauensvollen Gespräch in der Hausarztpraxis ist die Patientin allerdings ggf. eher bereit, das Gespräch bei der Fachärzt:in zu suchen und auf eine regelmäßige Vorstellung dort vor und während des Ramadans zu achten.

Eines der UN-Nachhaltigkeitsziele ist ein gesundes Leben für alle Kinder. Da die Grundsteine dafür bereits in der Schwangerschaft gelegt werden, tragen Sie mit einer kulturkompetenten Beratung in der Hausarztpraxis zur Erreichung dieses Ziels bei.

Essentials - Wichtig für die Sprechstunde
  • Schwangere sind laut Koran von der Fastenpflicht im Ramadan ausgenommen, fasten aber häufig dennoch.
  • Schwangere Muslimas sollten aufgeklärt sein über die Risiken, um sich informiert entscheiden zu können.
  • Eine fettreiche kalorienreiche Ernährung außerhalb der Fastenzeit kann das Risiko für das Kind abmildern.


Literatur:
1. Faris, M.A., Jahrami, H., BaHammam, A., Kalaji, Z., Madkour, M. & Hassanein, M. (2020). A systematic review, meta-analysis, and meta-regression of the impact of diurnal intermittent fasting during Ramadan on glucometabolic markers in healthy subjects, Diabetes Research and Clinical Practice, 165, 108226.
2. Fernando, H.A.; Zibellini, J.; Harris, R.A.; Seimon, R.V.; Sainsbury, A. (2019). Effect of Ramadan Fasting on Weight and Body Composition in Healthy Non-Athlete Adults: A Systematic Review and Meta-Analysis. Nutrients, 11, 478.
3. Leimer, B., Pradella, F., Fruth, A., Queißer, A. & van Ewijk, R. (2018). Ramadan während der Schwangerschaft in Deutschland: eine Herausforderung für die Schwangerschaftsvorsorge. Geburtshilfe und Frauenheilkunde, 78(07): 684-689.
4. Pradella, F., Leimer, B., Fruth, A., Queißer-Wahrendorf, A., van Ewijk, R.J. (2023). Ramadan during pregnancy and neonatal health—Fasting, dietary composition and sleep patterns. PLoS ONE 18(2): e0281051.
5. Ziaee, V., Kihanidoost, Z., Younesian, M., Akhavirad, M.B., Bateni, F., Kazemianfar, Z., Hantoushzadeh, S. (2010). The effect of ramadan fasting on outcome of pregnancy. Iran J Pediatr., 20(2),181-6.
6. Seiermann, A.U., Al-Mufti, H., Waid, J.L., Wendt, A.S., Sobhan, S. & Gabrysch, S. (2021). Women’s fasting habits and dietary diversity during Ramadan in rural Bangladesh. Maternal & Child Nutrition, 17(3), e13135.
7. Van Ewijk R. (2022) Ramadan: Health, Human Capital, and Economic Outcomes. In: Zimmermann K. (eds.) Handbook of Labor, Human Resources and Population Economics. Springer, Cham.


Autor:innen

© privat
Dr. Fabienne Pradella

Prof. Dr. Reyn van Ewijk
Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Lehrstuhl für Statistik und Ökonometrie
55128 Mainz

Interessenkonflikte: Die Autor:innen haben keine deklariert.



Erschienen in: doctors|today, 2023; 3 (3) Seite 46-47