Zoonosen sind Infektionen, die auf natürliche Weise zwischen Menschen und anderen Wirbeltieren übertragen werden (WHO 1959). Bakterien, Parasiten, Pilze, Prionen und Viren sind Erreger von Zoonosen. Über 200 Zoonosen sind bekannt. Zudem wird vermutet, dass bei Säugetieren und Vögeln noch 1,67 Millionen unbekannte Viren mit Zoonosepotenzial existieren [3].

Es wird geschätzt, dass die 56 häufigsten Zoonosen weltweit über 2,5 Milliarden Krankheitsfälle bei Menschen und 2,7 Millionen Tote pro Jahr verursachen [6, 5]. Etwa 60% der bekannten menschlichen Infektionskrankheiten sind zoonotischen Ursprungs. Hauptansteckungsquellen für Zoonosen sind Haus- und Nutztiere. Für neu auftretende Infektionskrankheiten sind Wildtiere die wichtigste Quelle. Über 70 % dieser Krankheiten stammen von Wildtieren, darunter finden sich etliche Coronaviren [8]. Von durchschnittlich fünf pro Jahr neu auftretenden Infektionskrankheiten des Menschen sind im Mittel drei tierischen Ursprungs.

Entstehung neuer Zoonosen

Für die Entstehung neuer Zoonosen sind insbesondere die "Schnittstellen" zwischen Mensch und Tier sowie die Populationsdichten von Mensch und Haustieren wichtig.

Die Stellen, an denen der Mensch eng mit Haus-, Nutz- und Wildtieren in Kontakt kommt, ermöglichen bzw. erleichtern es Erregern, Artbarrieren zu überschreiten ("Wildlife–livestock–human-interface"[9]). Ein Beispiel sind "wet" markets (traditionelle Märkte, auf denen lebende bzw. kurz vor dem Verkauf geschlachtete Tiere verkauft werden). SARS-CoV-2 wurde vermutlich auf einem solchen Markt auf den Menschen übertragen [10]. Aber auch andere "Schnittstellen" kommen für solche Spillovers in Betracht, zum Beispiel der Umgang mit "Bushmeat", d.h. von Wildtieren unterschiedlichster Arten (Nagetiere, Reptilien bis hin zu Menschenaffen) gewonnenem Fleisch oder der direkte Kontakt zu solchen Tieren.

Von großer Bedeutung scheint zu sein, dass der Mensch immer weiter in die natürlichen Lebensräume von Wildtieren eindringt ("encroachment"), beispielsweise um Urwald zu roden. Dabei werden insbesondere die "Spezialisten" unter den Wildtieren zurückgedrängt, weil ihre Biotope vernichtet werden, während "Generalisten" zumindest vorübergehend bleiben können. Dabei kann es zur Übertragung von Infektionskrankheiten zunächst von den "Spezialisten" auf die "Generalisten" kommen, die häufig synanthrop leben. Bei Zoonosen besteht das Risiko, dass sie von den Spezialisten über die Generalisten auf den Menschen überspringen [4].

Auch in Europa ist der plötzliche Übergang von Krankheitserregern von Tieren auf den Menschen an entsprechenden Schnittstellen möglich. Beispielsweise sind in Schweinehaltungen Influenza-A-Virus-Infektionen weit verbreitet, von denen manche ursprünglich durch den Menschen auf Schweine übertragen wurden (z.B. Influenza A H1N1/2009). Vielfach werden Schweine gegen diese Erreger geimpft, was zu einem Selektionsdruck und somit zu ständiger Anpassung der bei den Tieren verbreiteten Subtypen der Influenza-A-Viren führt. Hier besteht ständig das Risiko eines Übergangs solcher Viren auf den Menschen, auch in Deutschland. Einige Isolate ließen sich per Aerosol auf Frettchen übertragen, was ihr zoonotisches Potenzial unterstreicht, weil die Infektion von Frettchen als gutes Modell für die humane Influenza gilt. Manche Viren sind bereits resistent gegen das humane MxA-Protein und haben somit eine wichtige Barriere für die Übertragung auf den Menschen überwunden [7]. Hausschweine in Europa können somit zum Reservoir für zoonotische Influenzaviren mit prä-pandemischem Potenzial werden.

Eine hohe menschliche Bevölkerungsdichte kann einen Selektionsdruck für solche Zoonoseerreger aufbauen, der dazu führt, dass sich die genetischen Varianten durchsetzen, die leichter von Mensch zu Mensch übertragen werden. Dies scheint bei SARS-CoV-2 in der Provinz Wuhan, China, geschehen zu sein.

Ausbreitung neuer Zoonosen

Für die Ausbreitung von Zoonosen sind die globale Mobilität bzw. der globale Handel und der Klimawandel von Bedeutung. Durch die globale Mobilität können Menschen nahezu jeden Punkt auf der Erde in der Inkubationszeit vieler Erreger erreichen und sie so zunächst unbemerkt verschleppen. Auch hier stellt SARS-CoV-2 ein eindrucksvolles Beispiel für diesen Mechanismus dar. Früher selbstlimitierende Infektionen mit zoonotischem Ursprung wie beispielsweise Ebola breiten sich inzwischen zumindest regional aus, weil sie durch die wachsende Mobilität von Menschen aus entlegenen Dörfern in Städte eingetragen werden und von dort weiterverschleppt werden können.

Der weltweite Handel, auch mit Tieren, kann das Problem der Ausbreitung von Zoonosen durch die Globalisierung verschärfen, wenn potenziell infizierte Tiere verbracht werden. Die bestehenden internationalen Regularien zum Handel mit Tieren und Erzeugnissen, die von Tieren stammen, zielen darauf ab, die Verschleppung von Tierseuchenerregern und Zoonosen zu verhindern. Allerdings können sie den illegalen Handel nicht erfassen. Im Falle des Auftretens von Zoonosen im Zusammenhang mit dem Halten von exotischen Tieren besteht zusätzlich die Schwierigkeit, dass diese Tierhaltungen den zuständigen Behörden oft nicht bekannt sind [1, 2]. Während man das Halten von landwirtschaftlichen Nutztieren anzeigen muss, besteht eine solche Pflicht bei exotischen Tieren nicht, sodass die Veterinär- und Gesundheitsämter vor dem Problem stehen, potenziell exponierte Menschen nur schwer ermitteln zu können. Die Einführung einer Anzeigepflicht für solche Tierhaltungen wird derzeit diskutiert.

One Health – Die Gesundheit von Menschen, Tieren und Umwelt zusammen sehen
Eine Lösung der Probleme im Zusammenhang mit sich ausbreitenden Zoonosen kann im One-Health-Ansatz gesehen werden, der die enge Verknüpfung der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt betont. Auf globaler Ebene arbeiten die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Weltorganisation für Tiergesundheit (WOAH), die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) im Zusammenhang mit dem One-Health-Ansatz eng zusammen.

Antimikrobielle Resistenzen

Neben Viren sind auch andere Infektionserreger von Bedeutung. Insbesondere bei den Bakterien stellen die weltweit zunehmenden antimikrobiellen Resistenzen (AMR) ein Erreger-übergreifendes Problem dar, das vom Gefährdungspotenzial mindestens so groß ist wie das von neu auftretenden Zoonosen. Wie AMR entstehen, ist weitgehend bekannt. Der unsachgemäße Einsatz von Antibiotika in der Human- und der Tiermedizin spielt eine zentrale Rolle.

Überwachung und Bekämpfung von Zoonosen bei Tieren

Zahlreiche Zoonosen stellen im Bereich der Tiermedizin anzeigepflichtige Tierseuchen dar. Wenn sie bei Tieren auftreten, werden sie staatlich bekämpft. Neu auftretende Zoonosen können auf dem Verordnungsweg leicht in die Anzeige- oder Meldepflicht aufgenommen werden, wie es bei SARS-CoV-2 kurz nach den ersten nachgewiesenen Übertragungen des Virus von Menschen auf Tiere (insbesondere Katzen, Hunde und Nerze) geschehen ist.

Wichtig für die Sprechstunde
  • Durch die globale Mobilität können Menschen nahezu jeden Punkt der Erde schnell erreichen.
  • Eine Verschleppung von zoonotischen Erregern bleibt daher oft zunächst unbemerkt.
  • Neben Viren sind auch Bakterien von Bedeutung.


Literatur:
1. Allendorf V, Rubbenstroth D, Schlottau K, Hoffmann D, Frank C, Amler S, Beer M, Conraths FJ, Homeier-Bachmann T. (2021). Assessing the occurrence of the novel zoonotic variegated squirrel bornavirus 1 in captive squirrels in Germany -A prevalence study. Zoonoses Public Health 68(2):110-120.
2. Cadar D, Allendorf V, Schulze V, Ulrich RG, Schlottau K, Ebinger A, Hoffmann B, Hoffmann D, Rubbenstroth D, Ismer G, Kibbey C, Marthaler A, Rissland J, Leypoldt F, Stangel M, Schmidt-Chanasit J, Conraths FJ, Beer M, Homeier-Bachmann T, Tappe D. (2021). Introduction and spread of variegated squirrel bornavirus 1 (VSBV-1) between exotic squirrels and spill-over infections to humans in Germany. Emerg Microbes Infect 10(1):602-611.
3. Carroll D, Daszak P, Wolfe ND, Gao GF, Morel CM, Morzaria S, et al. The Global Virome Project. Science 2018, 359 (6378): 872–4. 1
4. Fackelmann G, Gillingham MAF, Schmid J, Heni AC, Wilhelm K, Schwensow N, Sommer S. (2021). Human encroachment into wildlife gut microbiomes. Commun Biol 4(1):800.
5. Gebreyes WA, Dupouy-Camet J, Newport MJ, Oliveira CJ, Schlesinger LS, Saif YM, Kariuki S, Saif LJ, Saville W, Wittum T, Hoet A, Quessy S, Kazwala R, Tekola B, Shryock T, Bisesi M, Patchanee P, Boonmar S, King LJ. (2014). The global one health paradigm: challenges and opportunities for tackling infectious diseases at the human, animal, and environment interface in low-resource settings. PLoS Negl Trop Dis 8(11):e3257.
6. Grace, D.; Mutua, F.; Ochungo, P.; Kruska, R.; Jones, K.; Brierley, L.; Lapar, L.; Said, M.; Herrero, M.; Pham Duc Phuc; Nguyen Bich Thao; Akuku, I.; Ogutu, F. Mapping of poverty and likely zoonoses hotspots. ILRI, Kenya (2012) 119 pp.
7. Henritzi D, Petric PP, Lewis NS, Graaf A, Pessia A, Starick E, Breithaupt A, Strebelow G, Luttermann C, Parker LMK, Schröder C, Hammerschmidt B, Herrler G, Beilage EG, Stadlbauer D, Simon V, Krammer F, Wacheck S, Pesch S, Schwemmle M, Beer M, Harder TC. (2020). Surveillance of European Domestic Pig Populations Identifies an Emerging Reservoir of Potentially Zoonotic Swine Influenza A Viruses. Cell Host Microbe 28(4):614-627.e6.
8. Jones KE, Patel NG, Levy MA, Storeygard A, Balk D, Gittleman JL, Daszak P. (2008). Global trends in emerging infectious diseases. Nature 451 (7181): 990-3.
9. Jones BA, Grace D, Kock R, Alonso S, Rushton J, Said MY, McKeever D, Mutua F, Young J, McDermott J, Pfeiffer DU. (2013). Zoonosis emergence linked to agricultural intensification and environmental change. Proc Natl Acad Sci U S A 110(21):8399-404.
10. Zhang YZ, Holmes EC. A Genomic Perspective on the Origin and Emergence of SARS-CoV-2. Cell. 2020;181(2):223-227. doi:10.1016/j.cell.2020.03.035


Autor

© privat
Prof. Dr. Franz J. Conraths

Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, Institut für Epidemiologie
17493 Greifswald-Insel Riems
Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert



Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (7) Seite 43-45