Ein neues Ärztezentrum eröffnet in näherer Umgebung, eine langjährige Mitarbeiterin kündigt oder die Patientenstruktur verändert sich – im Praxisumfeld gibt es immer wieder kleine und größere Veränderungen, die Auswirkungen auf Ihre Praxis haben. Es ist wichtig, diese Veränderungen nicht nur hinzunehmen und die weitere Entwicklung dem Zufall zu überlassen. Vielmehr sollten Sie diese frühzeitig erkennen, um sie aktiv und zielgerichtet im Sinne eines Veränderungsmanagements – "Change-Management" – zu gestalten. So sichern Sie Erfolg und Wettbewerbsfähigkeit Ihrer Praxis.

Change-Management ist nicht nur aufgrund des zukünftigen wirtschaftlichen Erfolgs für Sie relevant, sondern auch aufgrund der positiven Effekte, die es auf Ihre Mitarbeiter hat: Diese können im Rahmen eines aktiven Change-Managements Veränderungen schneller erfassen und deren Einführung verstehen und aktiv mittragen. Vor allem jedoch fühlen sie sich einbezogen und unterstützt, was ihre Motivation fördert und sich vorteilhaft auf Leistungsbereitschaft und Arbeitsergebnisse auswirkt.

Systematischer Veränderungsprozess

Change-Management bezeichnet die koordinierten und geplanten Aktivitäten, die eine Veränderung in einer Organisation, in diesem Fall der Praxis, bewirken sollen. Dies reicht von einer kontinuierlichen Optimierung in kleinen Schritten bis hin zu substanziellen Änderungen. Wesentlich ist, dass Sie als Praxisinhaber und Führungskraft eine proaktive und reflektierende Grundeinstellung gegenüber Veränderungen entwickeln.

Interne und externe Auslöser erkennen

Es wird zwischen internen und externen Auslösern für Veränderungsprozesse unterschieden. Interne Auslöser im Praxisumfeld können sein:
  • Das Ausscheiden einer wichtigen Mitarbeiterin und die darauffolgende Neuordnung der Aufgabenverteilung bzw. Neueinstellung.
  • Die Übergabe der Praxis an einen Nachfolger: Gerade für langjährige Mitarbeiter kann dies einen entscheidenden und problematischen Einschnitt darstellen, der systematisch begleitet werden sollte.

Externe Auslöser für Veränderungsprozesse können ebenfalls vielfältig sein:
  • Die Eröffnung eines größeren Ärztehauses in näherer Umgebung.
  • Die damit verbundene Ab- oder Zuwanderung von Patienten aus der bzw. in die eigene Praxis: Hierdurch kann es zu einer erheblichen Mehr- oder Minderauslastung oder einer Verschiebung des Durchschnittsalters der Patienten mit entsprechend anderen Diagnosen kommen.
  • Die neue Datenschutzgrundverordnung, durch die verschiedene Prozesse angepasst werden müssen.
  • Das Update der Praxissoftware bzw. der Arztinformationssoftware, welches zu einer Veränderung der gewohnten und etablierten Prozesse führt sowie möglicherweise zu Unsicherheiten beim Personal.
  • Der allgemeine wissenschaftliche Fortschritt und neu zugelassene Arzneimittel, die dazu führen, dass Schwerpunkte verlagert werden: z. B. erhalten Patienten zukünftig seltener Infusionen, dafür aber häufiger Injektionen, wodurch die vorhandenen Infusionskapazitäten der Praxis frei werden.

Das Konzept von John P. Kotter

Ein detailliertes Modell für Change-Management ist das von John P. Kotter. Es ist das wahrscheinlich bekannteste und unterscheidet im Veränderungsprozess acht Phasen (Abb. 1).

Phasen 1–3: Klima für den Wandel schaffen

1. Gefühl der Dringlichkeit schaffen

In der ersten Phase des Änderungsprozesses führen Sie eine interne und externe Analyse durch, um potenzielle Risiken oder ungenutzte Chancen zu identifizieren. Schon jetzt ist es wichtig, die Situation und deren Dringlichkeit mit den Betroffenen zu kommunizieren.

2. Leitungsteam zusammenstellen

In größeren Praxen stellen Sie nun ein schlagkräftiges Team zusammen, das die Veränderung proaktiv vorantreibt. Dabei sollten Sie sicherstellen, dass dieses Team jenseits von etablierten Hierarchien arbeiten kann. In kleineren Praxen benennen Sie einen Verantwortlichen.

3. Entwicklung einer Vision

In dieser Phase erschaffen Sie eine zugkräftige Vision, die dem Veränderungsprozess eine Richtung gibt. Die Vision darf nicht zu komplex oder unscharf sein, da ansonsten der Erfolg des gesamten Prozesses gefährdet ist. Außerdem entwickeln Sie Strategien zur Umsetzung dieser Vision.

Phasen 4–6: Die Organisation beauftragen und befähigen

4. Werbung für Akzeptanz der Veränderung

In diesem Stadium des Änderungsprozesses kommunizieren Sie die neue Vision sowie deren Umsetzungsstrategien über jeden verfügbaren Kanal. Achten Sie unbedingt auf eine ausreichende Kommunikation Ihrer Vision und überprüfen Sie vor dem nächsten Schritt, ob Sie tatsächlich Verständnis für die Veränderung erreicht haben.

5. Für Handlungsspielräume sorgen und Hindernisse ausräumen

In Phase 5 räumen Sie störende oder widerläufige Strukturen, wie z. B. behindernde Meinungsbilder, aus oder verändern diese. Hier geht es darum, die Betroffenen zur Übernahme von Aktivitäten sowie zum unkonventionellen Handeln zu motivieren und sie zur Übernahme der zumutbaren Risiken zu ermutigen.

6. Kurzfristige Erfolge generieren

In dieser Phase definieren und etablieren Sie Meilensteine für eine sichtbare Verbesserung. Darüber hinaus sollten Sie schon jetzt Mitarbeiter identifizieren und auszeichnen, die diese Verbesserung antreiben oder bereits erzielen.

Phase 7 und 8: Wandel umsetzen und unterstützen

7. Nicht nachlassen!

Nach den ersten Erfolgen ist es nun wichtig, die gewachsene Glaubwürdigkeit zu nutzen, um weitere Hemmnisse zu beseitigen und dadurch noch bessere Erfolge zu erzielen. Keinesfalls sollten Sie sich auf den ersten Leistungsverbesserungen ausruhen und den Prozess frühzeitig für beendet erklären. Jetzt gilt es, auch die vorhandenen Rückstellkräfte im Auge zu behalten und möglichst frühzeitig zu kompensieren.

8. Für Nachhaltigkeit sorgen

Zum Schluss des Veränderungsprozesses ist es wesentlich, die neue Kultur in der Praxis zu festigen und die Zusammenhänge zwischen geändertem Verhalten und dem Erfolg herauszustellen. Der Erfolg des Veränderungsprozesses kann aber auch jetzt noch gefährdet werden, wenn Sie die Rückstellkräfte unterschätzen.

Checkliste für den Veränderungsprozess

Um den Veränderungsprozess konstruktiv und erfolgreich zu gestalten, können Sie sich an folgender Checkliste orientieren (s. auch Abb. 2):

1. Vision: Gibt es eine verstandene und akzeptierte Vision? Ohne Vision keine Veränderung!

2. Dringlichkeit: Ist die Dringlichkeit klar? Ohne Dringlichkeit hat die Veränderung keine Priorität und Aufgaben aus dem Tagesgeschäft werden als wichtiger bewertet.

3. Vorteil: Gibt es einen Vorteil für die Beteiligten? Ohne einen Vorteil bzw. Mehrwert wird der Widerstand gegen die Veränderung substanziell und möglicherweise unüberwindbar.

4. Aktionsplan: Gibt es einen Aktionsplan, der die Aufgaben klar verteilt und koordiniert? Ohne Plan kann der Veränderungsprozess nicht erfolgreich initiiert und gestaltet werden.

5. Fähigkeiten: Verfügen Ihre Mitarbeiter über die nötigen Kompetenzen, um die Veränderung zu gestalten? Andernfalls werden Ihre Mitarbeiter glauben, den anstehenden Aufgaben nicht gewachsen zu sein und der Veränderung ängstlich gegenüberstehen.

6. Ressourcen: Haben Ihre Mitarbeiter die zeitlichen und finanziellen Ressourcen? Zur Veränderung motivierte Mitarbeiter, denen es an Zeit fehlt, die zu stark ins Tagesgeschäft eingebunden sind oder die mit fehlenden finanziellen Ressourcen konfrontiert sind, werden sich von dem Prozess frustriert und demotiviert abwenden.

Kommunikation: Das A & O im Change-Management

Während des gesamten Veränderungsprozesses, schon vorher und auch danach ist eine offene und konsistente Kommunikation wichtig. Um das Kommunikationsbedürfnis Ihrer Mitarbeiter zu befriedigen und diese im Gesamtprozess mitzunehmen, können Sie regelmäßige Team-Besprechungen, wie z. B. einen wöchentlichen Jour Fix, einführen. Diese Maßnahme ist besonders in kritischen Phasen von Bedeutung. Es wird sich bewähren, wenn Sie als Praxisinhaber oder Führungskraft die Mitarbeiter regelmäßig über den aktuellen Stand und die nächsten Schritte informieren.



Autor:

Dr. Carsten von Blohn

Zertifizierter Business Coach bei PlanB GmbH
48369 Saerbeck



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (8) Seite 54-56