Es gibt viele Formen von Mitarbeitergesprächen. In diesem Artikel geht es um die Königsdisziplin: das Mitarbeiterjahresgespräch. Nehmen Sie sich als Praxisinhaber* mindestens einmal jährlich geplant die Zeit, um ein Gespräch mit Ihren Mitarbeitern zu führen? Viele fragen sich hier: Muss das überhaupt sein? Ich kann doch ganz zwanglos in der Kaffeeküche mit meinen Mitarbeitern sprechen. Was bringt mir und meinen Mitarbeitern ein solches Gespräch?

Für Praxisinhaber, die noch nie offizielle Mitarbeitergespräche geführt haben, stellen sich vielleicht all diese Fragen zum Mehrwert des Gesprächs – schließlich lief die Praxis bisher ja auch gut. Stetiger Austausch findet in Teamsitzungen statt und ein offizielles Vieraugengespräch hat bislang niemand vermisst. Hier kann ich Sie nur ermutigen, Ihre Führungsverantwortung wahrzunehmen und die Möglichkeiten einer zielgerichteten Einflussnahme zu nutzen. Ihre Aufgabe ist es, laut einer Definition von Peter F. Drucker [1], den Mitarbeitenden den Sinn ihrer Aufgaben aufzuzeigen, über die Ziele die Richtung zu weisen und die Menschen entsprechend ihren Voraussetzungen und Aufgaben zu fördern, Stärken zu nutzen und den Schwächen ihre Bedeutung zu nehmen. Ziel ist es zudem, die Energie der Mitarbeitenden auf Handlungen auszurichten, mit dem Ziel, gewünschte Zustände im Praxisablauf, im Praxisgeist sowie in der wirtschaftlichen Positionierung zu erreichen. Wünschenswert wäre es, wenn sich Ihre Mitarbeitenden mit der Praxis identifizieren, gerne zur Arbeit kommen und engagiert ihren Aufgaben nachgehen.

Damit diese Wunschzustände Wirklichkeit werden, kommt das gängige Führungstool – das jährliche Mitarbeitergespräch – zum Einsatz. Natürlich kann es auch halbjährlich geführt werden, wenn Sie nah an Ihren Mitarbeitenden und deren Entwicklungen sein möchten und es die Zeit zulässt.

Worum geht es?

Spare ich mir jetzt Kritikpunkte ein Jahr für das offizielle Gespräch auf? Natürlich nicht! Ein anlassbezogenes Mitarbeitergespräch wird zeitnah am Geschehen geführt und bezieht sich auf die Leistung des Mitarbeiters. Beim Mitarbeiterjahresgespräch spreche ich über den Mitarbeiter als Arbeitnehmer an sich. Das Gespräch ist demnach auch inhaltlich deutlich umfassender, hier werden drei Gesprächsarten zusammengefasst, die Sie auch einzeln führen können:

  • ein Zielvereinbarungsgespräch
  • ein Beurteilungsgespräch
  • ein Entwicklungsgespräch

Das jährliche Gespräch will gut vorbereitet sein – von beiden Seiten – damit die Effektivität des Gespräches und die Wertschätzung für den Mitarbeitenden zum Tragen kommen. Dem Mitarbeiter können Sie beispielsweise eine Frageliste zur Vorbereitung ausdrucken.

Der Ablauf

Eine mögliche Gesprächsreihenfolge kann wie folgt sein, ist aber grundsätzlich variabel:

  1. Aufgaben/Ziele des letzten Jahres
  2. Stärken des Mitarbeiters
  3. Schwächen des Mitarbeiters
  4. Aufgaben/Ziele für das kommende Jahr
  5. Entwicklung des Mitarbeiters innerhalb der Praxis
  6. Feedback an Sie (als Chef oder Chefin) einholen

Eine hilfreiche Liste mit möglichen Fragen und Feedback in den einzelnen Phasen wurde von Alexander Groth zusammengestellt ( http://www.leadershipjournal.de/leadership-tools/das-mitarbeiterjahresgespräch.de ).

Fragen und Feedback

In der Infobox finden Sie verschiedene Fragen, die Sie (modifiziert) Ihren Mitarbeitern stellen können. Im Anschluss an die Beantwortung der Fragen geben Sie jeweils Ihr Feedback als Vorgesetzter, wie SIE den Mitarbeiter erlebt haben.

Schildern Sie aus Ihrer Sicht, wie Sie z. B. seine Stärken erleben und welche Ideen Sie haben, die jeweiligen Stärken noch mehr zum Einsatz zu bringen. Sie können erläutern, welche Entwicklung Sie für den Mitarbeiter sehen und welche Aufgaben Sie dem Mitarbeiter künftig übertragen oder auch entziehen möchten. Am Ende fassen Sie die wichtigsten Punkte nochmals zusammen.

Möglicherweise passen auch nicht alle Punkte in das von Ihnen geführte Gespräch, je nach Mitarbeiter, Beschäftigungsverhältnis und Größe Ihrer Praxis. Manche Mitarbeitenden haben keine speziellen Ziele für das kommende Jahr, sondern sind zufrieden mit dem, was ist. Und auch das sollte in Ordnung sein. Ebenfalls fällt es einigen schwer, zu formulieren, was sie wirklich gut können. Selbstkritik ist oft leichter zu äußern. Dahinter steckt häufig der Glaubenssatz aus unserer Erziehung: "Eigenlob stinkt".

Nehmen Sie sich für das Gespräch ausreichend Zeit, damit sich die Inhalte und die Selbstreflexion entwickeln können. Der Zeitrahmen kann von Mitarbeiter zu Mitarbeiter und nach Anliegen variieren, auch das ist in Ordnung. Wichtig ist nur, dass jedem Mitarbeiter die Zeit der Aufmerksamkeit zuteilwird und nicht nur denjenigen, "für die es sich lohnt". Getränke, ein gut gelüfteter Raum sowie eine ungestörte Atmosphäre (ohne Telefon und Handy) sollten selbstverständlich sein. Klar ist auch, dass diese Gespräche nicht zwischen Tür und Angel in der Kaffeeküche geführt werden können. Die Äußerungen von Bedürfnissen, Befürchtungen, Hoffnungen und Zielen benötigen einen geschützten Rahmen, ohne Sorge zu haben, dass unerwartet die Kollegin reinkommt.

Vom Sinn des jährlichen Mitarbeitergesprächs …

Diese Gesprächsform macht Sinn, wenn Sie grundsätzlich bereit sind, sich für Ihre Mitarbeitenden die Zeit für ein Gespräch und dessen Vorbereitung zu nehmen. Es macht dann Sinn, wenn Sie das Potenzial Ihrer Mitarbeiter in der Praxis weiterentwickeln und noch besser einsetzen möchten. Wenn Sie auf ein vertrauensvolles Miteinander setzen (dafür benötigen Sie manchmal privates Hintergrundwissen) und die Motivation Ihrer Mitarbeiter erfahren möchten. Diese Gesprächsform unterstützt einen respektvollen Umgang auf Augenhöhe und bietet die Möglichkeit, gemeinsam mit dem Mitarbeiter zu überlegen, wie mögliche Stärken besser genutzt werden können und mögliche Schwächen weniger in Erscheinung treten. Mit der entsprechenden Vorbereitung kann das Gespräch sehr effektiv sein, besonders in größeren Praxen oder Medizinischen Versorgungszentren, um den einzelnen Mitarbeiter besser im Blick zu haben. Durch die investierte Zeit erfährt der Einzelne Anerkennung und Wertschätzung – er als Person ist wichtig. Dies kann wiederum die Motivation beflügeln.

… und vom Unsinn …

Das jährliche Mitarbeitergespräch macht keinen Sinn, wenn Sie der Meinung sind, dass Sie in der Kaffeeküche oder zwischendurch genug von Ihren Mitarbeitenden mitbekommen und keine weitere Zeit investieren möchten oder können. Es macht dann keinen Sinn, wenn Sie aufgrund Ihrer Praxisgröße mit zwei bis drei Mitarbeitenden eine sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit pflegen, kaum Entwicklungsmöglichkeiten in Sicht sind und alles so gut ist, wie es ist.

Wenig sinnvoll und wenig motivierend ist ein Gespräch, in dem den Mitarbeitenden vorgehalten wird, was sie im letzten Jahr alles falsch gemacht haben und an welchen Defiziten sie künftig arbeiten müssen.

Feedback in beide Richtungen

Ihr Mehrwert könnte im Gegenzug eine Chance auf ein Führungsfeedback sein. Sie können den Mitarbeiter am Ende des Gespräches bitten, Ihnen eine Sache zu nennen, die er an Ihnen schätzt, und eine Sache, die Sie an Ihrem Führungsverhalten verändern könnten. Möglicherweise kann die Kritik des Mitarbeiters Sie wie ein Donnerschlag treffen! Seien Sie darauf gefasst, dass unter Umständen keine Kleinigkeit zur Sprache kommt, sondern vielleicht sogar ein charakterliches Defizit. Nehmen Sie es so an, wie es kommt, und verteidigen Sie sich nicht! Sprechen Sie im privaten Umfeld mit jemandem darüber. Möglicherweise wurde Ihnen ein blinder Fleck in Ihrer Selbstwahrnehmung gespiegelt, dann können Sie Ihrem Mitarbeiter dafür dankbar sein und haben die Chance, Ihr Verhalten zu verändern.

Ich bin der Meinung, mit einer beiderseitigen guten Vorbereitung und mit einer Gesprächsführung auf Augenhöhe lohnt sich das jährliche Mitarbeitergespräch auf jeden Fall, vor allem aufgrund seiner Effizienz. So manches lässt sich hier auf den Punkt bringen!

Das Jahresgespräch

Mögliche Fragen an Ihre Mitarbeiter


1. Aufgaben und Ziele des letzten Jahres

  • Wie geht es Ihnen – fühlen Sie sich wohl in der Praxis?
  • Wie war das letzte Jahr für Sie?
  • Wie ist die Zusammenarbeit mit den Kollegen?
  • Was lief aus Ihrer Sicht gut im letzten Jahr?
  • Was hätte anders laufen können?
  • Wie kamen Sie mit den Anforderungen an Sie in der Praxis zurecht?


2. Fragen zu den Stärken

  • Welches sind aus Ihrer Sicht Ihre drei wichtigsten Stärken?
  • Wie gut konnten Sie Ihre Stärken im letzten Jahr einbringen?
  • Was können wir beide tun, um Ihre Stärken noch mehr zum Einsatz zu bringen?


3. Fragen zu Schwächen des Mitarbeiters

  • Wo merken Sie, dass Sie sich bezogen auf Ihr jetziges und möglicherweise künftiges Arbeitsfeld entwickeln wollen/müssen?
  • Gibt es etwas, was Sie momentan in Ihrer Arbeit behindert?
  • Wie wollen Sie damit umgehen?


4. Fragen zu Aufgaben, Zielen und Entwicklung im nächsten Jahr

  • Haben Sie für das kommende Jahr bestimmte Ziele, die Sie in dieser Praxis verwirklichen möchten?
  • Und wie möchten Sie diese umsetzen?
  • Gibt es bestimmte Bereiche, in denen Sie sich weiterentwickeln möchten, oder bestimmte Fortbildungen, die Sie besuchen möchten?


*Aus lesetechnischen Gründen wurde die männliche Form gewählt, mit einbezogen sind selbstverständlich auch Praxisinhaberinnen und Mitarbeiterinnen.


Literatur:
1) Hofbauer H, Kauer A: Einstieg in die Führungsrolle. Praxisbuch für die ersten 100 Tage, München, 3. Auflage, 2011


Autorin:

Dipl. Päd. Petra Korioth

Kommunikationstrainerin, BusinessCoach, Mediatorin, 40883 Ratingen



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (17) Seite 76-79