Wenn man fehlerhafte Blutzuckermesswerte vermeiden will, gilt es zwei Dinge zu beachten: erstens die Wahl des passenden Blutzuckermesssystems und zweitens die richtige Handhabung. Zusätzlich wird in diesem Beitrag die Bedeutung der Blutzuckermessung bei kontinuierlichen Gewebeglukosemesssystemen kurz dargestellt.
Die Blutzuckermessung für Patienten entwickelte sich in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts und löste die Harnzuckermessung nach und nach ab. Der Patient hat nun eine praktikable Möglichkeit, seinen Stoffwechsel selbstständig zu überwachen.
Moderne Geräte sind alle auf Plasmawerte kalibriert, die ca. 11 % höher sind als die früher verwendeten Vollblutwerte. Die Grenzwerte zur Diagnostik des Diabetes mellitus wurden daher entsprechend geändert [21]. Neue Entwicklungen zeigen sich besonders in den Zusatzfunktionen (integrierter Bolusrechner, HbA1c-Schätzung, Verknüpfung mit dem PC oder Smartphone). Auch die Verbreitung des Smartphones sorgt für neue Entwicklungen (Einsatz von Apps zur Darstellung des Blutzuckerverlaufes oder als Tagebuch, Einsatz des Smartphones als Messgerät durch ein kleines Zusatztool …).
1. Das passende Blutzuckermesssystem (BZMS)
Es gibt eine Vielzahl an Designs und Zusatzfunktionen, sodass jeder sein optimal passendes Gerät finden sollte (ausreichend großes Display, einfache oder, falls gewünscht, komplexe Funktionen, einfache Handhabung). Entscheidend ist jedoch auch die Messqualität.
Messgenauigkeit von BZMS
BZMS durchlaufen eine Reihe von Untersuchungen, bevor sie ein CE-Zeichen erhalten. Die Untersuchungen sind von der Norm EN ISO 15197:2015 vorgegeben [1]. Zum Erfüllen der Vorgaben zur Genauigkeit müssen mindestens 95 % der Glukosemesswerte von 100 verschiedenen Personen in Bezug auf die Ergebnisse der Labormethode bei Glukosekonzentrationen <100 mg/dl innerhalb ±15 mg/dl und bei Glukosekonzentrationen ≥100 mg/dl innerhalb ±15 % liegen.
Verantwortlich für diese Zulassungstests ist der Hersteller, eine unabhängige Kontrolle der Qualität der Marktware ist nicht vorgesehen [16]. So zeigte eine Zusammenfassung von 9 Publikationen mit unabhängigen Testungen von jeweils mehreren BZMS, dass nur 53 % der getesteten Teststreifenchargen die Vorgaben zur Systemgenauigkeit der ISO 15197:2015 erfüllten (Abb. 2). BZMS aus anderen Quellen (Discounter, Drogeriemärkte) zeigten in einer unabhängigen Testung zum Teil deutliche Mängel in der Messgenauigkeit
[5, 6].
Blutprobe
Verwendet wird in der Regel ein frischer Bluttropfen aus der Fingerbeere (Kapillarblut). Einige Systeme können auch mit venösem oder arteriellem Blut im professionellen Rahmen verwendet werden. Arterialisiertes kapilläres Blut z. B. aus dem Ohrläppchen ist dabei arteriellem Blut gleichzusetzen. Für welche Blutproben ein System zugelassen ist, steht in der Bedienungsanleitung des Blutzuckermesssystems und sollte unbedingt beachtet werden. Der unterschiedliche Sauerstoffpartialdruck kann die angezeigten Werte verfälschen [7]. Auch Patienten mit Sauerstofftherapie sollten Blutzuckermesssysteme mit Vorsicht verwenden. Entsprechende Warnungen bzw. Ausschlüsse sind ebenfalls in der Bedienungsanleitung oder der Teststreifenpackungsbeilage zu finden.
Störsubstanzen
Die Angaben zu Störsubstanzen in der Bedienungsanleitung oder der Teststreifenpackungsbeilage sollte man ebenfalls überprüfen. Diese können den Messwert verändern. Es handelt sich dabei häufig um körpereigene Substanzen (z. B. Harnsäure, Cholesterin). Aber auch Medikamente wie Schmerzmittel (z. B. Paracetamol, Ibuprofen) oder Medikamente für spezielle Therapien wie L-Dopa können bei BZMS den Messwert beeinflussen [20].
Hämatokrit
Ein Hämatokritwert außerhalb der Norm kann ebenfalls einen Einfluss auf das Messergebnis haben [26]. Der zugelassene Bereich ist für jedes Gerät angegeben. Klinisch und messwertrelevante Änderungen des Hämatokrits finden sich im Alltag z. B. nach Operationen oder bei chronischen Erkrankungen.
Einfluss der Höhe
Auch für Freizeit- und Profisportler, die in größere Höhen gehen (z. B. Bergsteiger, Skifahrer), lohnt sich der Blick in die Unterlagen des Messsystems, hier ist in der Regel eine Maximalhöhe angegeben, in der das Blutzuckermesssystem angewendet werden kann [10].
Temperatur
Blutzuckermesssysteme sollten bei Raumtemperatur verwendet werden. Auch hierzu sind die Anwendungsbedingungen im Handbuch oder der Teststreifenpackungsbeilage zu prüfen. So werden ein Gerät und Teststreifen, die im Sommer im aufgeheizten Auto lagen, oder das System, das im Winter in der äußeren Jackentasche beim Spaziergang mitgeführt wurde, in der Regel keinen zuverlässigen Messwert erzeugen [24]. Hier ist es günstiger, z. B. eine Innentasche oder einen Temperaturschutz zu verwenden. Ist das Gerät überhitzt oder ausgekühlt, sollte man dem System vor der Messung einige Minuten Zeit geben, sich wieder an Raumtemperatur anzupassen.
Qualitätskontrollen
Für BZMS kann man auf die systemeigene Kontrolllösung zurückgreifen [18]. Diese stellt die einzige Möglichkeit für den Anwender dar, die Messqualität zu prüfen. Eine Kontrollmessung ist empfehlenswert bei ungewöhnlichen Messwerten oder wenn das Gerät zu Boden gefallen ist. Auch sollte jede neu angebrochene Teststreifendose vor Verwendung überprüft werden.
2. Die richtige Handhabung
Material
Obwohl viele BZMS intuitiv bedient werden können, sollte die Bedienungsanleitung gelesen werden und der Messablauf geübt werden. Wichtig sind die Lagerungsbedingungen und die Bedingungen für die Messung selbst (Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Lichtempfindlichkeit der Teststreifen, Höhe, Sonstiges wie elektromagnetische Felder) [3]. Die Teststreifenverpackung schützt die Teststreifen vor Feuchtigkeit (die Dosen enthalten z. B. häufig ein Trocknungsmittel im Deckel) und Licht. Teststreifen sollten daher immer bis kurz vor der Messung in der verschlossenen Verpackung/Dose verbleiben.
Beachten muss man auch die Haltbarkeit der Teststreifen. Nach Überschreiten der Haltbarkeitsdauer kommt es zum Abbau von Enzymen und weiteren Komponenten auf dem Teststreifen, abgelaufene Teststreifen können daher zu Fehlmessungen führen. Wenn ein Code angezeigt wird, ist die Korrektheit zu prüfen.
Vorbereitung und Messung
Die Hände sollten gewaschen sein, alternativ kommt das Abwischen des ersten Bluttropfens und die Verwendung des zweiten Tropfens in Betracht (vgl. Kasuistik) [19].
Das BZMS muss vor dem Fingerstich messbereit sein, damit ein rasches Auftragen des Blutes auf das Testfeld möglich ist. Ein Bluttropfen sollte nur kurz auf dem Finger stehen, da sich das Messergebnis möglicherweise verändert (Gerinnungsprozesse, Verdunstung, Anreicherung mit Sauerstoff). Dieser Fehler kann zu zusätzlichen Abweichungen von ca. 5 % innerhalb von 25 Sekunden führen [15]. Wenn es doch passiert, dass der Bluttropfen bereits gebildet wurde, obwohl das BZMS noch nicht messbereit war, sollte er abgewischt und neu gebildet werden.
Das Testfeld muss vollständig gefüllt sein.
Der Fingerstich
Einstiche sollten nur an den Seiten der Fingerbeere erfolgen, nicht an der Spitze und nicht in Daumen oder Zeigefinger (Abb. 3). Zu empfehlen ist das Wechseln der Einstichfinger und der Hand, soweit von der manuellen Geschicklichkeit möglich, damit sich die Finger entsprechend erholen können [9]. Viele Patienten haben Vernarbungen auch an den Fingerspitzen. Damit ist bei einer Retinopathie das Erlernen der Brailleschrift nicht mehr möglich.
Nur wenige Patienten wechseln nach jedem Stich die Lanzette, obwohl es sich um Einmalartikel handelt [25]. Sprechen Sie mit Ihren Patienten auch über die korrekte Handhabung der Stechhilfe: Stechtiefe so gering wie möglich für einen ausreichenden Bluttropfen einstellen. Mit der niedrigsten Einstichtiefe beginnen.
Kontinuierliche Gewebeglukosemessung
Verschiedene Systeme zur kontinuierlichen Gewebeglukosemessung (CGM) sind auf den Markt gekommen und werden zunehmend Teil der Diabetestherapie. Im Gegensatz zur Blutglukosemessung zeigen die CGM-Systeme eine Zeitverzögerung bei Glukoseanstieg oder -abfall. Bei stabilem Blutzucker sollte die Anzeige vergleichbar sein. Die Zeitverzögerung entsteht zum einen durch das System selbst (technische Zeitverzögerung bis zur Anzeige eines Messwertes) und zum anderen physiologisch. Das Gewebe zeigt einen verspäteten Anstieg der Glukose nach Mahlzeiten sowie auch nach Glukosezufuhr bei Hypoglykämien. Die zeitlichen Abweichungen betragen 8 – 22 Minuten [2, 23].
CGM-Systeme werden mit Blutzuckerwerten kalibriert. Hierbei kommt es auf die Bestimmung eines möglichst genauen Blutzuckerwertes an. Kalibrationen sollten nur während einer stabilen Stoffwechsellage erfolgen.
Die Genauigkeit eines CGM-Systems reicht nicht an die Genauigkeit eines guten Blutzuckermessgerätes heran [11]. Jedoch bieten die Systeme eine Vielzahl an Zusatzinformationen (Trends, nächtliche Werte, Alarme). Bei unklaren oder unplausiblen Werten (z. B. Hyposymptome bei Normalwert in der Anzeige) sollte eine Blutzuckermessung erfolgen.
Das Flash Glukose Monitorin System bietet einen Wert nach Bedarf und Trendpfeile, jedoch keine Alarme. Dieses System sollte, obwohl es nicht kalibriert werden muss, ebenso durch Blutzuckermessungen überprüft werden.
- Bedienungsanleitung kennen.
- Material sachgerecht lagern und anwenden (Luftfeuchtigkeit, Temperatur, geografische Höhe).
- Material zur Messung vorbereiten (Stechhilfe, Blutzuckermessgerät, Teststreifen (Haltbarkeit und Unversehrtheit prüfen), ggf. Tagebuch).
- Hände waschen und gut abtrocknen (alternativ zweiten Bluttropfen verwenden), eine Desinfektion ist nicht nötig.
- Stich seitlich in die Fingerbeere (mit neuer Lanzette), Bildung des Bluttropfens durch leichtes Drücken unterstützen.
- Rascher Blutauftrag: Blut einsaugen lassen, Teststreifen nicht auf den Finger drücken.
- Das Testfeld vollständig befüllen.
- Messwert dokumentieren.
- Und: Misstrauisch bleiben, wenn Befinden und Blutzuckerwert nicht zusammenpassen.

Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (11) Seite 36-40