Die Kontrolle des Blutzuckers durch den Patienten ist eine der wesentlichen Errungenschaften in der Behandlung des Diabetes mellitus. Ohne diese wäre eine moderne Therapie mit dem Ziel einer nahe normalen Blutzuckereinstellung und damit der Vermeidung von Folgeschäden nicht denkbar. Doch die Blutzuckerselbstkontrolle ist auch mit hohen Kosten verbunden. Es ist daher sowohl von ärztlicher als auch von Patientenseite zu erwarten, dass die Blutzuckermessungen nicht willkürlich, sondern standardisiert erfolgen, damit aus den gewonnenen Ergebnissen auch therapeutische Konsequenzen gezogen werden können.

Im Jahre 1965 brachten die Laboratoires Ames-Miles mit dem Dextrosit® den ersten Teststreifen zur Blutzuckerselbstbestimmung auf den Markt. Fast zeitgleich folgte der Hämoglucotest der Firma Boehringer Mannheim, heute Roche. Erstaunlicherweise war die Begeisterung hierfür ganz aufseiten der Patienten und weniger aufseiten der Ärzte, die befürchteten, dass die Selbstbestimmung des Blutzuckers die ärztliche Autorität unterlaufen würde und die Patienten möglicherweise die falschen Schlüsse daraus ziehen könnten.

Doch dies ist mittlerweile Historie und die Blutzuckerselbstkontrolle gilt als einer der wesentlichen Meilensteine der modernen Diabetestherapie. Die modernen Therapiekonzepte und Schulungsprogramme beruhen auf der Durchführung einer Blutzuckerselbstkontrolle durch die Patienten. Nur hierdurch kann die Diabetestherapie den Bedürfnissen und Realitäten des Alltags der Patienten angepasst werden. Ohne die Blutzuckerselbstkontrolle wäre das Selbstmanagement der eigenen Zuckerkrankheit nicht durchführbar.

Reglementierungen der Verordnungsfähigkeit von Blutzuckerteststreifen

Es steht außer Frage, dass Typ-1-Diabetiker ihren Blutzucker mehrfach am Tage selbst messen müssen, um Insulin entsprechend zu dosieren und Unterzuckerungen zu vermeiden. Das Gleiche gilt für insulinpflichtige Typ-2-Diabetiker. Daher werden Teststreifen bei diesen Patientengruppen uneingeschränkt von den Kostenträgern übernommen. Anders sieht es dagegen aus bei Typ-2-Diabetikern, die kein Insulin injizieren. Im Jahre 2005 erhielt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) den Begutachtungsauftrag zur Blutzuckerselbstkontrolle bei Typ-2-Diabetikern, die kein Insulin injizieren. Vier Jahre später wurde der Abschlussbericht vorgelegt. Danach folgten Diskussionen, Beratungen, Eingaben von Patientenverbänden und Fachgesellschaften, bis schließlich im Jahre 2011 der G-BA den Beschluss der Verordnungsfähigkeit bei nicht insulinbehandelten Typ-2-Diabetikern zulasten der gesetzlichen Krankenversicherungen fasste. In diesem Beschluss wurde die Verordnung von Harn- und Blutzuckerteststreifen bei Patienten mit Typ-2-Diabetes mellitus, die nicht mit Insulin behandelt werden, ausgeschlossen. Allerdings lässt dieser Beschluss die in Übersicht 1 aufgeführten folgenden Ausnahmen zu.

Bei aller berechtigten Kritik haben die vergangenen beiden Jahre gezeigt, dass dieser Beschluss ein vielleicht nicht geliebter, aber akzeptabler Mittelweg ist, um einerseits Patienten nicht zu gefährden, andererseits die Kosten im Rahmen zu halten. Dennoch darf man nicht vergessen, dass die Blutzuckertestung die einzige Möglichkeit darstellt, niedrige Blutzuckerwerte zu erkennen. Dies ist von besonderer Relevanz bei gefährlichen Situationen (Beruf, Autofahren oder aber auch bei körperlicher Aktivität und Sport). Bei einer Prävalenz von rund 6 Millionen Menschen mit Diabetes erleiden rein rechnerisch pro Jahr 1,4 % aller mit einem Sulfonylharnstoff behandelten Patienten eine schwere hilfsbedürftige Hypoglykämie, die mit einer Testung des Blutzuckers möglicherweise abzuwenden wäre. Somit ist die Situation aktuell nicht ideal.

Vorteil der Blutzuckerselbstkontrolle bei Typ-2-Diabetes belegt

Polonsky konnte im Jahre 2011 zeigen, dass die strukturierte Selbstmessung des Blutzuckers auch bei nicht insulinbehandelten Typ-2-Diabetikern wirksam und effektiv ist. Bei insgesamt 483 schlecht eingestellten Menschen mit nicht insulinbehandeltem Typ-2-Diabetes (HbA1c über 7,5 %) wurde prospektiv über zwölf Monate in der strukturierten Testgruppe der Blutzucker gemessen und strukturiert ausgewertet. In der aktiven Kontrollgruppe wurde der Blutzucker wie bisher auch gemessen, vom Arzt mit dem Patienten besprochen, aber nicht in einer strukturierten Vorgehensweise. Das strukturierte Vorgehen führte zu einem deutlicheren Abfall des HbA1c als die unstrukturierte Messung. Lag in der strukturiert behandelten Gruppe der HbA1c-Wert nach zwölf Monaten um 1,2 % niedriger als der Ausgangswert, so war die Differenz in der unstrukturiert den Blutzucker messenden Gruppe um nur 0,9 % niedriger (vgl. Abb. 1).

Zudem nahm das Wohlbefinden der Patienten in der strukturiert messenden Gruppe deutlich stärker zu als in der Kontrollgruppe. Bemerkenswert war, dass die Testhäufigkeit in der strukturiert messenden Gruppe signifikant niedriger war als in der Kontrolle. Entscheidend für den besseren Therapieerfolg war, dass durch die strukturierte Messung die ärztlichen Therapieanpassungen in dieser Gruppe dreimal so häufig vorgenommen wurden wie in der Kontrollgruppe.

Wie häufig sollte der Blutzucker gemessen werden?

Prinzipiell macht es bei allen diagnostischen Verfahren – und nichts anderes ist die Blutzuckerselbstkontrolle – nur Sinn, die Diagnostik durchzuführen, wenn daraus auch eine therapeutische Konsequenz folgt. Die Messhäufigkeit richtet sich nicht nur nach der Therapieform, sondern auch danach, ob der Patient in der stabilen Therapiephase oder in der Einstellungsphase den Blutzucker misst. Prinzipiell wird unabhängig vom Diabetestyp bei einer intensivierten Insulintherapie, bei der neben dem prandialen Insulin ein Basalinsulin zur Anwendung kommt, Blutzucker vor jeder Hauptmahlzeit und vor dem Zu-Bett-Gehen gemessen. Dies sind die Zeitpunkte, in denen der Patient ohnehin zur Kohlenhydratabdeckung Insulin verabreichen muss und diese Gelegenheit kann für eine etwaige Blutzuckerkorrektur mitgenutzt werden. In der Einstellungsphase muss zusätzlich zu den präprandialen Messungen überprüft werden, ob die postprandialen Blutzuckerexkursionen im Zielbereich sind. Daher kommen in der Einstellungsphase auch postprandiale Messungen nach ein bis zwei Stunden zur Anwendung. Zur Vermeidung nächtlicher Hypoglykämien sollte in der Einstellungsphase auch einmal nachts gegen drei Uhr gemessen werden.

Sobald der Blutzucker stabil ist, entfallen sowohl die postprandialen Messungen als auch die nächtlichen Messungen. Ähnlich geht man bei der konventionellen Insulintherapie (CT) und bei der supplementären Insulintherapie (SIT) vor. Entsprechend geringer sind die Messfrequenzen bei der basalunterstützten oralen Therapie (BOT) oder bei der Therapie mit oralen Antidiabetika (OAD). Eine Übersicht gibt die Tabelle 1.

Anzumerken sei, dass diese Empfehlungen Expertenmeinungen von niedriger Evidenzklasse sind, da ausreichend Studien hierzu fehlen. Die fehlende Datenlage verwundert auch nicht, da die Blutzuckermessung selbst ein Diagnostikum und kein Therapeutikum ist. Die meisten Studien zur Effektivität einer Therapie untersuchen pharmakologische Interventionen oder die Interventionen mit Schulungsprogrammen. Die Blutzuckerselbstkontrolle ist daher stets nur ein Teil des Behandlungsansatzes.

Kontinuierliche Glukosemessung

Die Blutzuckerselbstkontrolle stellt nur eine punktuelle Wiedergabe der aktuellen Stoffwechselsituation dar. Wie der Blutzucker zwischen den Messungen verläuft, bleibt daher unklar und wird seitens des Patienten mit allen Ungenauigkeiten extrapoliert. Sehr viel besser wäre es für den Patienten, stets über seinen Blutzucker informiert zu sein. Dies gelingt mit einer kontinuierlichen Glukosemessung, die aktuell jedoch nur im subkutanen Gewebe möglich ist. Der Blutzucker im Subkutangewebe spiegelt allerdings nicht den Blutzucker wider, sondern repräsentiert eine zeitliche Latenz des aktuellen Blutzuckers um etwa 15 bis 25 Minuten.

Die bisher verwendeten Messsysteme zur kontinuierlichen Glukosemessung im Subkutangewebe sind derzeit keine Kassenleistung und werden nur im Ausnahmefall durch die Kostenträger erstattet. Der Patient mit Unterzuckerungs-Wahrnehmungsstörungen profitiert ganz erheblich von der kontinuierlichen Glukosemessung. Aus Sicht des Autors wäre es wünschenswert, dass insbesondere Typ-1-Diabetiker, die dies wünschen, auch mit einer kontinuierlichen Glukosemessung ausgestattet werden können. Dies setzt jedoch voraus, dass die Messsysteme günstiger werden, und dies kann nur geschehen, wenn die Verbreitung der Systeme stärker voranschreitet. Auch ist es gegenwärtig nicht zulässig, den Blutzucker über die kontinuierliche Glukosemessung im Subkutangewebe zu steuern.

Dass dies möglich ist, zeigen mittlerweile zahlreiche Publikationen, wobei es entscheidend ist, dass die Therapiealgorithmen für die subkutane Glukosemessung andere sind als für die Blutzuckermessung. Die Patienten müssen hier sehr viel stärker auf den Blutzuckertrend achten und dürfen sich nicht auf eine aktuell angezeigte Stoffwechselsituation verlassen. Ob sich kontinuierliche Glukosemesssysteme als Alternative zur Blutzuckerselbstmessung langfristig durchsetzen werden, wird die nahe Zukunft zeigen.

Vorteile durch modernes Datenmanagement

Pro Tag generiert jeder Diabetiker eine Vielzahl von Daten, die aus Blutzuckermesswerten, Insulineinheiten, aufgenommenen Kohlenhydratmengen und vielem mehr bestehen. Bislang werden diese Daten in Papierform für das ärztliche Gespräch präsentiert. Eine aktuelle Untersuchung zeigt jedoch, dass mehr als die Hälfte aller Tagebucheintragungen fehlerhaft sind, insbesondere finden sich falsche zeitliche Zuordnungen und nicht übertragene Werte vom Blutzuckermessgerät in das Blutzuckerselbstkontrollheft. Außerdem sind die auf Papier dargebotenen Daten statisch und können nicht verrechnet werden. All diese Nachteile vermögen moderne Datenmanagement-Lösungen zu kompensieren. Die führenden Hersteller von Blutzuckermesssystemen arbeiten zurzeit intensiv an solchen Datenmanagement-Lösungen.

Bei der Umsetzung solcher Lösungen lassen sich neben dem Blutzucker auch die verabreichten Insulineinheiten, die aufgenommenen Kohlenhydratmengen sowie weitere Ereignisse im Blutzuckermessgerät erfassen. Die Daten können dann ausgelesen und mit einer entsprechenden Software verrechnet werden. Dabei lassen sich unterschiedliche Daten erzeugen, mit deren Hilfe eine intensive Beratung zwischen Behandler und Patient möglich wird. Übersicht 2 zeigt beispielhaft, welche graphischen Aufarbeitungen mit modernen Datenmanagement-Systemen möglich sind. Diese modernen Verfahren bieten eine viel intensivere Beratung und Therapieoptimierung als die Einzelmessungen, die mehr oder minder sorgfältig in Protokollheften aufgezeichnet werden.

Fazit für die Praxis

Die Blutzuckermessung stellt für alle Diabetiker eine wichtige Voraussetzung für eine Akzeptanz der Erkrankung und die Motivation zur optimalen Therapieführung dar. Die mit der Blutzuckermessung erhobenen Daten sind Teil des therapeutischen Gesamtkonzeptes und ohne Schulung der Patienten wenig wertvoll. Moderne Datenmanagement-Lösungen werden in naher Zukunft eine einfachere und effektivere Beratung der Patienten ermöglichen und dabei effektiv sein.▪


Interessenkonflikte:
Beratertätigkeit für Roche, Sanofi Aventis, MSD, Lilly. Vortragshonorare von Roche, Lilly und Novo Nordisk.

Prof. Dr. med. Thomas Haak


Kontakt:
Prof. Dr. med. Thomas Haak
Internist, Endokrinologe und Diabetologe
Diabetes Zentrum Mergentheim
97980 Bad Mergentheim

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2013; (9) Seite 44-48