Gutes Fachpersonal ist für Ärzte mitunter nicht ganz so einfach zu bekommen. Die Zeiten großen Überhanges an ausbildungswilligen Schulabgängern sind insbesondere wegen der seit Jahren sinkenden Geburtenraten vorbei. Hinzu kommt, dass sich immer mehr leistungsstarke Schüler in die Hochschulen verabschieden.

Diese Umstände werfen die Frage auf, ob in einer ärztlichen Praxis nur fertig ausgebildete Arzthelferinnen, Medizinische Fachangestellte oder Technische Assistenten (MTAF, MTLA, MTRA) arbeiten dürfen oder ob auch ungelerntes oder nur angelerntes Hilfspersonal eingesetzt werden darf. Das Einsatzspektrum könnte von „unblutigen“ Tätigkeiten wie der Durchführung eines EKGs oder eines Lungenfunktionstests bis zur Blutabnahme und der Assistenz bei ambulanten operativen Eingriffen reichen. Selbst bei einem Einsatz am Empfang könnten ja im Notfall erste medizinische Entscheidungen anstehen. Erlaubt die Rechtsordnung den Einsatz ungelernter Kräfte und wenn ja, wer haftet, wenn diese einen Schaden verursachen?

Zur Qualifikation schweigt das Gesetz

Wer meint, dass es für einen derart sensiblen Bereich – immerhin geht es um das höchste Schutzgut, das unsere Rechtsordnung kennt, nämlich Leib, Leben und Gesundheit – ein spezifisches Gesetz gäbe, liegt überraschenderweise falsch. Der Betrieb einer ärztlichen Praxis ist nicht generell, sondern nur in einzelnen Aspekten gesetzlich geregelt. Man denke hier nur an das Infektionsschutzgesetz, die Röntgenverordnung, die Medizinprodukteverordnung, länderspezifische Gesetze über den öffentlichen Gesundheitsdienst, die Qualitätssicherungsvorgaben der KVen oder des Gemeinsamen Bundesausschusses. Demgegenüber fehlt eine Vorschrift, die eine generelle Aussage über die Anforderungen an das Hilfspersonal einer Arztpraxis trifft. Lediglich bezüglich einzelner Leistungen im Bereich der Kassenmedizin bestehen Vorgaben. Aktuelles Beispiel sind die Anforderungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes an die sogenannte Nicht-ärztliche Praxisassistentin (NäPa) bei Abrechnung der Gebührenordnungspositionen 03 060, 03 062 und 03 063. Abseits dessen ist der Arzt frei in seiner Entscheidung, ob er mit Angestellten arbeitet, die eine staatlich geregelte Ausbildung durchlaufen haben, oder ob er sich auf anderes Personal verlässt.

Wann droht Haftung?

Allerdings hat der Arzt ein haftungsrechtliches Interesse daran, nur ausreichend qualifiziertes Personal einzusetzen. Fehlt es nämlich an der ausreichenden Qualifikation und verursacht die Hilfsperson einen Schaden bei einem Patienten, haftet der Arzt auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Der Grund dafür liegt im Behandlungsvertrag mit dem Patienten. Danach schuldet der Arzt eine Behandlung nach Facharztstandard. Dieser ist nur dann eingehalten, wenn (auch) die eingesetzten Hilfspersonen über eine ausreichende Sachkunde verfügen.

Wann aber gilt das Hilfspersonal haftungsrechtlich als ausreichend qualifiziert? Kommt es auf die formale Ausbildung oder auf den tatsächlichen Stand der Erfahrungen, Fertigkeiten und Kenntnisse an? Zugespitzt gefragt: Haftet der Arzt wegen eigenen Verschuldens bei der Delegation auch dann, wenn er die ärztliche Hilfstätigkeit – zum Beispiel eine Blutdruckmessung – auf eine Person übertragen hat, die zwar keine formale Ausbildung besitzt, wohl aber vom Arzt persönlich ausreichend ausgebildet wurde?

Juristisch kommt es auf die tatsächlichen Kenntnisse und Fähigkeiten der Hilfsperson an. So hat das Oberlandesgericht Karlsruhe die Übertragung der Aufklärung über die Risiken einer Herzkatheteruntersuchung auf einen Medizinstudenten im Praktischen Jahr für zulässig gehalten, wenn der Student von seinem Ausbildungsstand her zur korrekten Durchführung der Aufklärung in der Lage ist (Urteil vom 29.1.2014, AZ 7 U 163/12). Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Delegation einer intramuskulären Injektion auf eine Krankenpflegehelferin für möglich gehalten, obwohl der staatlich geregelte Ausbildungsgang der Krankenpflegehelferin intramuskuläre Injektionen nicht umfasst. Voraussetzung, so der BGH, sei aber, dass die Krankenpflegehelferin für intramuskuläre Injektionen „besonders qualifiziert und über das allgemeine Ausbildungsziel hinaus geübt“ ist (Urteil vom 8.5.1979, AZ VI ZR 58/78).

Auch Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung halten in ihrer gemeinsamen Bekanntmachung zu den Grundsätzen der persönlichen Leistungserbringung (Deutsches Ärzteblatt 2008, A2173 – A2177) eine Delegation auf Mitarbeiter, die nicht über eine abgeschlossene Ausbildung in einem Fachberuf im Gesundheitswesen verfügen, für möglich. Voraussetzung ist, dass der Mitarbeiter „aufgrund seiner allgemeinen Fähigkeiten für eine Delegation der betreffenden Leistung geeignet erscheint“ und zur selbständigen Durchführung der zu delegierenden Leistung angelernt und später regelmäßig überwacht wurde.

Beweisnot bei der Ausbildung

Trotz dieser Rechtslage bleibt der Einsatz nicht förmlich qualifizierter Hilfskräfte ein Spiel mit dem Feuer. Es könnte für den Praxisinhaber nämlich sehr schwierig sein, eine hinreichende tatsächliche Ausbildung und Überwachung der Hilfsperson zu beweisen. In einem zivilgerichtlichen Schadensersatzprozess müsste der Arzt im Einzelnen und konkret vortragen und beweisen, wann und wie er die Hilfsperson ausgebildet hat, wie er das Erreichen des Ausbildungsziels überprüft hat und wann er mit welchem Ergebnis die Hilfsperson im konkreten Behandlungsfall angeleitet und überwacht hat. Ob dafür eine handschriftliche Dokumentation des Arztes ausreichend oder letztlich nur der Zeugenbeweis möglich ist, ist noch nicht geklärt. Die eingesetzte Hilfskraft wird als Zeugin in der Regel nicht zur Verfügung stehen, denn ein kundiger Patientenanwalt wird nicht nur den Arzt, sondern auch die Hilfskraft verklagen, was zur Folge hat, dass ein Zeugenbeweis durch die Hilfskraft prozessrechtlich nicht mehr möglich ist.

Wie gefährlich derartige Beweisnot sein kann, zeigt der Fall eines Arztes, der einer Arzthelferin die intravenöse Injektion von Novaminsulfon übertragen hatte. Da intravenöse Injektionen im Gegensatz zu subkutanen und intramuskulären Injektionen nicht zum Ausbildungsgang einer MFA gehören, hätte der Arzt beweisen müssen, dass die MFA aufgrund entsprechender Ausbildung und Anleitung durch ihn die hinreichende Qualifikation für eine intravenöse Injektion erworben hatte. Das gelang ihm nicht. Für nicht ausreichend hielt das Gericht seinen Vortrag, seine Helferin sei langjährig bei ihm beschäftigt, sehr zuverlässig und befähigt, Injektionen zu verabreichen (Landgericht Berlin, Urteil vom 28.06.1993, AZ 6 O 330/92).

Im Ergebnis ist also bei einem Einsatz von Mitarbeitern, die nicht über eine abgeschlossene Ausbildung in einem Fachberuf im Gesundheitswesen verfügen, größte Vorsicht geboten. Gleiches gilt für die Übertragung von Tätigkeiten, die nicht Inhalt einer solchen Ausbildung waren. Die Gefahr, in einem Haftungsfall die ausreichende Qualifikation des Mitarbeiters nicht beweisen zu können, ist groß und eine Steilvorlage für jeden Patientenanwalt.



Autor:

Torsten Münnch, Berlin

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht
Dierks + Bohle Rechtsanwälte, Berlin

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (10) Seite 77-78