Kaum ein Medikament wird so ambivalent gehandhabt wie Hypnotika, einerseits seit jeher die Standardtherapie bei Schlafstörungen, andererseits mit zunehmend negativen Image: Hypnotika machen "süchtig", führen zu "erheblichen Absetzeffekten" und machen den "natürlichen Schlaf kaputt". Aber was ist die Alternative? Im Folgenden werden die typischen Problemstellungen in einer spezialisierten Schlafambulanz beschrieben und Empfehlungen für die hausärztliche Praxis gegeben.

Kasuistik: Lehrerin mit Schlafstörungen
Frau K. hat eigentlich noch nie richtig gut geschlafen, sie sei schon als Kind deswegen häufig ermahnt worden. Während ihrer Ausbildung habe sich der Schlaf dann etwas gebessert und sei jedoch mit der Geburt ihrer Kinder schlechter geworden. Sie habe gefühlt keine Nacht mehr durchgeschlafen und unabhängig von der Schlafqualität der Kinder dann auch noch Einschlafstörungen entwickelt. Trotz der Schlafstörungen und der Müdigkeit habe sie wieder als Lehrerin angefangen zu arbeiten. In den letzten Jahren sei sie jedoch zunehmend überfordert gewesen. Sie habe schon als Jugendliche Schlafmittel eingenommen, dessen Namen sie jedoch nicht erinnert. Nach der Geburt der Kinder habe sie zunächst pflanzliche Mittel genommen, dann von ihrem Hausarzt Zolpidem verschrieben bekommen. Damit habe sie endlich wieder einschlafen können. Aus Angst vor Abhängigkeit habe sie das Mittel jedoch nicht weiter einnehmen wollen. Sie habe schließlich Mirtazapin genommen, zunächst in einer Dosierung von 15mg, dann 7,5mg. Leider habe sie hierunter ein Restless-Legs-Syndrom entwickelt. Es folgten dann Therapieversuche mit Trazodon, Doxepin und Opipramol. Die Medikamente haben immer nur vorübergehend geholfen. Sie hatte auch immer wieder einmal eine Zolpidem genommen, wenn nichts mehr geholfen hat und sie "endlich mal wieder" eine Nacht durchschlafen wollte. Mittlerweile wirke auch dieses nicht mehr. Sie ist verzweifelt, habe bereits "alles" an schlafhygienischen Maßnahmen versucht (Verzicht auf Kaffee und abendlichen Sport, regelmäßige Bettzeiten), ohne Verbesserung. Sie gehe gegen 22.00 Uhr ins Bett und stehe um ca. 7.00 Uhr auf, sie erreiche höchstens 4 Stunden Schlaf. Tagsüber könne sie überhaupt nicht schlafen, egal wie müde sie ist. Sie weiß aber, dass sie so nicht mehr lange ihren Alltag schaffen wird.

Schlafstörungen sind nicht nur häufig, sie nehmen auch zu. Statistiken wie die der DAK [2]zeigen, dass 35% der Bevölkerung Schlafstörungen haben, in Deutschland geht man davon aus, dass 6% an einer klinisch relevanten Insomnie leiden [1]. Die Anzahl der Hypnotikakonsumentenunter den Berufstätigen hat sich von 5% bis auf 9% erheblich gesteigert. Frauen und ältere Personen scheinen generell mehr Psychopharmaka verschrieben zu bekommen, wofür unterschiedliche Gründe wie beispielsweise die Symptompräsentation diskutiert werden.

Typische Symptome einer Insomnie

Die Kasuistik beschreibt eine sehr häufige Symptomkonstellation einer Insomnie (siehe Tabelle 1). Typisch ist ein Gefühl der Hilflosigkeit gegenüber dem Schlaf, dies wird vor allem durch Unfähigkeit, den verlorenen Schlaf tagsüber nachzuholen, verstärkt. Damit einhergehend findet sich häufig eine starke Fokussierung auf den gestörten Schlaf und die antizipierten Folgen verbunden mit einer Forderungshaltung ("Sie sind meine letzte Hoffnung"). Viele Patient:innen befürchten, durch die anhaltenden Schlafstörungen erheblichen Schaden, entweder körperlicher oder beruflicher Art, zu erleiden und wollen eine schnelle und umfassende Lösung des Problems. Andererseits wird häufig eine Abneigung gegenüber einer pharmakologischen Behandlung signalisiert. Ein weiteres Problem ist der häufig chronische Verlauf der Schlafstörung mit vielen frustranen Therapieversuchen.

Tabelle 1: Typische Symptome einer Insomnie in der Schlafambulanz
  • chronische Ein- und Durchschlafstörungen
  • erhebliches Nachlassen der Leistungsfähigkeit/Zukunftsängste
  • Unfähigkeit, den Schlaf am Tage nachzuholen trotz Müdigkeit
  • Frustrane Therapieversuche
  • Versuch, den wenigen Schlaf durch lange Bettzeiten und Schonung am Tage zu kompensieren

Schlafmittel sind besser als ihr Ruf

Die verschriebenen Substanzen haben sich in den letzten Jahrzehnten erheblich gewandelt, von Benzodiazepinen über Z-Substanzen hin zu sedierenden Antidepressiva. Die Vorteile der Pharmakotherapie sind die Effizienz und die rasche Wirksamkeit, Nachteil ist die limitierte empfohlene Einnahmedauer vor allem bei den Benzodiazepin-Rezeptor-Agonisten. Insgesamt ist das Abhängigkeitspotenzial bei Hypnotika eher als gering einzuschätzen. Die Praxis zeigt, dass es außer einer Rebound-Insomnie (die in der Regel nur kurz anhält) meist keine schweren Absetzeffekte gibt. Das Problematische am Absetzen des Hypnotikums ist weniger der Entzug, sondern eher die Tatsache, dass die Betroffene dann OHNE Hilfe ist. Ein Hypnotikum sollte also immer dann abgesetzt werden, wenn sich die Schlafstörung entweder von alleine stabilisiert hat oder dem Betroffenen eine Alternative (z. B. eine kognitiveVerhaltenstherapie) angeboten wurde.

Weitere Nachteile (siehe Tabelle 2) sind unerwünschte Nebenwirkungen (z.B. Restless-Legs-Syndrom) und ein Wirkverlust. Letzterer ist das Hauptproblem bei der Hypnotikaeinnahme. Einer US-amerikanischen Studie zufolge leiden 53 % von Patient:innen mit Hypnotika noch an Schlafstörungen [3]. Das Hauptproblem der Schlafmittel ist also, dass sie bei einem Teil der Patient:innen nicht wirken – und dass diese Patient:innen ihre Hypnotika weiternehmen. Insgesamt gibt es auf dem Schlafmittelmarkt einen hohen Anteil an sogenannten Over-the-Counter-Produkten – überwiegend auf pflanzlicher Basis. Bedauerlicherweise ist die wissenschaftliche Datenlage hier noch zu dünn [4].

Tabelle 2: Vor- und Nachteile von Hypnotika
Nachteile
  • Unerwünschte Nebenwirkungen
  • Toleranzentwicklung
  • Absetzeffekte
  • Dysfunktionale psychologische Effekte
  • Empfehlung einer zeitlich begrenzten Einnahmedauer
  • Hangover-Effekte
Vorteile
  • Rasche Wirkung
  • Zuverlässige Wirkung
  • Immer verfügbar

Therapeutische Empfehlungen

Das Setting einer spezialisierten Schlafambulanz birgt die Vorteile eines größeren Zeitrahmens und die Möglichkeit einer weiterführenden Diagnostik in einem Schlaflabor. Verdachtsdiagnosen, die aufgrund ambulanter Messmethoden erhoben worden sind, können im Schlaflabor überprüft werden. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen können die folgenden Empfehlungen ausgesprochen werden.

Sich Zeit nehmen

Wie bei vielen psychosomatischen Krankheitsbildern bedürfen die Insomniepatient:innen Zeit und Aufmerksamkeit. Schlafstörungen können Ausdruck einer zugrundeliegenden körperlichen Ursache sein oder auch dem typischen psychophysiologischen Teufelskreis der Insomnie entsprechen [5]. UnterLetzterem ist die Wechselwirkung zwischen dem gestörten Schlaf, erhöhter ängstlicher Beobachtung und Anspannung zu verstehen. Allein die differenzialdiagnostische Untersuchung und erste Aufklärung kann zeitintensiver sein, erspart langfristig gesehen jedoch unnütze Therapieversuche.

Aufklärung hilft

Viele Patient:innen fühlen sich bezüglich ihrer Schlafstörungen zu wenig aufgeklärt. Was ist die Ursache meiner Schlafstörung? Haben diese Folgen für die Gesundheit? Auch wenn es nicht DIE Schlafstörung gibt, kann die Patient:in über Folgendes aufgeklärt werden: 1. Schlafstörungen sind grundsätzlich behandelbar. 2. Bei der Insomnie gibt es medikamentöse und verhaltenstherapeutische Therapiemethoden. 3. Man sollte die Insomnie sehr ernst nehmen, sie ist grundsätzlich jedoch keine gefährliche Erkrankung.

Viele schlafbezogene Ängste bestehen aufgrund falscher Vorstellungen [6], z. B. auf der Annahme, dass mindestens sieben Stunden in der Nacht geschlafen werden sollteund weniger Schlaf für den Körper schädlich sei. Alleine die Revision dieser dysfunktionalen Vorstellung kann schon zu einem Abbau schlafbezogener Ängste und damit zu einer Verbesserung der Schlafqualität führen. Psychoedukative Inhalte finden sich in seriösen Ratgebern zum Thema Insomnie (z. B. auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, www.dgsm.de).

Differenzialdiagnostik ist wichtig

Wann kann ich von einer psychophysiologischen Ursache der Schlafstörung ausgehen und wann sollte ich weiter differenzialdiagnostisch untersuchen? Typische Merkmale für eine weitergehende körperliche Untersuchung sind in Tabelle 3 aufgelistet. Falls sich die Schlafstörung unter der Therapie nicht verbessert, sondern eher noch verschlechtert, sollte eine weiterführende schlafmedizinische Untersuchung initiiert werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass ca. 20% aller Insomniepatient:innen eine unerkannte organische Schlafstörung, z. B. eine Schlafapnoe, haben [7]. Bei Verdacht auf eine organische Schlafstörung sollte eine weiterführende Untersuchung stattfinden, beispielsweise mit einer Polygraphie zur Abschätzung einer schlafbezogenen Atmungsstörung.

Tabelle 3: Symptome, die bei einer Insomnie auf eine körperlich bedingte Schlafstörung hinweisen
  • Morgendliche Abgeschlagenheit, Gefühl, wie gerädert zu sein
  • Ungewolltes Einschlafen tagsüber
  • Überwiegend Durchschlafstörungen mit raschem Wiedereinschlafen
  • Verschlechterung der Schlafstörung durch Alkohol oder Benzodiazepine
  • Anzeichen eines Restless-Legs-Syndroms
  • Schnarchen
  • Behinderte Nasenatmung
  • Übergewicht
  • Alter > 50 Jahre

Umsichtiges Umgehen mit Schlafmitteln

Man sollte der Patient:in grundsätzlich die Chance auf ein Schlafmittel geben, zumal die meisten Hypnotika in der Regel ohne Probleme absetzbar sind. Insbesondere bei reaktiven Schlafstörungen im Rahmen einer Stressreaktion (Trennung, Prüfung usw.) können Schlafmittel rasch Abhilfe schaffen und die Patient:in entlasten. Andererseits bergen sie auch bestimmte Gefahren, wobei die größte Gefahr die einer Chronifizierung der Schlafstörung darstellt (s. o.). Patient:innen verlassen sich unter Umständen auf die "gute Wirkung" und verhindern eine Umstellung ihrer Schlafgewohnheiten.

Richtige und falsche Schlafhygiene

Schlafhygienische Regeln finden sich in unterschiedlichen Qualitätsstandards in der Fach- als auch in der Laienliteratur. Der Name als solcher ist nicht geschützt und von daher fühlen sich viele befugt, schlafhygienische Tipps zu geben. Gute schlafhygienische Empfehlungen zeichnen sich durch folgende Eigenschaften aus:

  • Sie sollten das Entstehen von Schlafstörungen verhindern.
  • Sie sollten eine bestehende Schlafstörung nicht verschlechtern.
  • Sie sollten sich an wissenschaftlichen Standards der Schlafmedizin orientieren.

Leider erfüllen viele Maßnahmen diese Standards nicht und können im schlimmsten Fall nicht nur den Schlaf, sondern auch die Lebensqualität des Betroffenen erheblich einschränken. Auch an dieser Stelle kann auf die Ratgeber der Fachgesellschaft Schlafmedizin (DGSM) verwiesen werden.

Kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I)

Die KVT-I wird mittlerweile laut Leitlinien als Therapie der ersten Wahl empfohlen [4]. Sie hat das Ziel, das Wechselspiel zwischen gestörtem Schlaf, ängstlicher Sorge und dysfunktionalem Verhalten wirksam zu unterbrechen. In der Therapie wird die Patient:in auf der Basis einer Aufklärung über Mechanismen der Schlafregulation und des Krankheitsbildes der Insomnie motiviert, schlaffördernde Verhaltensmaßnahmen auszuprobieren, und wird bei der Ausführung therapeutisch begleitet. Die KVT-I basiert auf klassischen verhaltenstherapeutischen Methoden wie der Stimuluskontrolle und chronobiologischen Methoden wie der Bettzeitenrestriktion, allesamt in ein kognitives Therapiemodell eingebettet.

Metaanalysen zeigen, dass die KVT-I nicht nur vergleichbar gute Effekte wie die Hypnotikatherapie zeigt [8], sie hat vor allem einen nachhaltigen Effekt, der über das Therapieende noch messbar ist. Der hohe edukative Anteil in der KVT-I macht es möglich, die Therapie grundsätzlich auch mit reduziertem Therapeuten-Patienten-Kontakt (z. B. digital online) zu vermitteln. Dies hat die Entwicklung von Selbsthilfeprogrammen angestoßen und natürlich einem großen Markt von Ratgebern Platz geschaffen. Im ambulanten Bereich haben sich gruppentherapeutische Programme etabliert. Die Dauer der Sitzungen variiert zwischen einer und acht Sitzungen, kann aber auch länger andauern.

Die KVT-I sollte unbedingt bei chronischen Insomnien empfohlen werden. Die Einnahme eines Hypnotikums ist keine Kontraindikation.

Wichtig für die Sprechstunde
  • Vorteil einer Pharmakotherapie bei Schlafstörungen ist die rasche und zuverlässige Wirksamkeit.
  • Nachteile sind u.a. unerwünschte Nebenwirkungen, Toleranzentwicklung, Absetz- und Hangover-Effekte.
  • Insomniepatienten brauchen viel Zeit und Aufmerksamkeit.


Literatur:
1) Schlack R, Hapke U, Maske U, Busch M, Cohrs S. Häufigkeit und Verteilung von Schlafproblemen und Insomnie in der deutschen Erwachsenenbevölkerung: Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) [Frequency and distribution of sleep problems and insomnia in the adult population in Germany: results of the German Health Interview and Examination Survey for Adults (DEGS1)]. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2013; 56(5-6):740-8.
2) Nolting HG: IGES Gesundheitsreport. DAK, 2017
3) Pillai V, Roth T, Roehrs T, Moss K et al: Effectiveness of Benzodiazepine Receptor Agonists in the Treatment of Insomnia: An Examination of Response and Remission Rates. Sleep 2017, 1: 40.
4) Riemann D, Baum E, Cohrs S, Crönlein T et al: S 3 Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen. Somnologie 2017, 21: 2-44.
5) Harvey AG: A cognitive model of insomnia. Behav Res Ther 2002, 40:869 – 893.
6) Morin C, Stone J, Trinkle D, Mercer J & Remsberg S: Dysfunctional Beliefs and Attitudes About Sleep Among older Adults with and without Insomnia Complaints. Psychology and Aging 1993, 8: 463 – 467.
7) Crönlein T, Geisler P, Langguth B, Eichhammer P, Jara C, Pieh C, Zulley J, Hajak G. Polysomnography reveals unexpectedly high rates of organic sleep disorders in patients with prediagnosed primary insomnia. Sleep Breath. 2012 Dec;16(4):1097-103.
8) Koffel E, Koffel J & Gehrman P: A meta-analysis of group cognitive behavioral therapy for Insomnia. Sleep Med Rev 2014, 1-11.


Autorin

© privat
PD Dr. phil. Tatjana Crönlein

Schlafmedizinisches Zentrum
Universität Regensburg
93053 Regensburg
Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert



Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (9) Seite 40-43