Stellen Sie sich vor, Ihre Auszubildende hat ihre Prüfung mit Bravour bestanden, Sie stellen sie als frischgebackene MFA ein und sind begeistert von ihrer Leistung und Mitarbeit. Mit zwei weiteren teilzeitbeschäftigten Mitarbeiterinnen läuft die Praxis reibungslos. Sieben Monate später teilt sie Ihnen mit, sie sei schwanger. Ihre Freundin, die auch MFA ist, habe gesagt, sie dürfe nicht mehr bei Ihnen arbeiten, das habe sie so in der Berufsschule gelernt. Was nun?

Zunächst gilt es zwischen Arbeitsunfähigkeit und Beschäftigungsverbot zu unterscheiden.

Arbeitsunfähigkeit (AU)

AU liegt vor, wenn ein Patient erkrankungsbedingt die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr durchführen kann bzw. darf. AU besteht auch dann, wenn sich eine bestehende Erkrankung, die selbst noch keine AU bedingt, durch die Tätigkeit so verschlechtern würde, dass dann AU einträte.

Für Arbeitslose gilt, dass AU besteht, wenn auch eine körperlich leichte Tätigkeit nicht in dem zeitlichen Umfang durchgeführt werden kann, für den sich der Patient arbeitssuchend gemeldet hat.

Beschäftigungsverbot (BV)

Ein BV wird ausgesprochen bei Menschen, die nicht arbeitsunfähig sind, bei denen es aber einen medizinischen Grund gibt, dass sie ihrer Arbeit nicht nachkommen können. Zwei Gesetze regeln das BV: das Infektionsschutzgesetz (IfSG) und das Mutterschutzgesetz (MuSchG).

Infektionsschutzgesetz (IfSG)

Nach § 31 kann die zuständige Behörde Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern bestimmte Tätigkeiten untersagen. In § 42 ist dies genauer beschrieben: Patienten mit Typhus, Paratyphus, Cholera, Shigellenruhr, Salmonellose oder anderen infektiösen Magen-Darm-Erkrankungen sowie Hepatitis A oder E dürfen nicht mit Lebensmitteln in Berührung kommen und nicht in Küchen von Gaststätten oder Gemeinschaftseinrichtungen arbeiten, ebenso bei Verdacht auf diese Erkrankungen. Dasselbe gilt für Patienten mit infizierten Wunden oder Hautkrankheiten und Ausscheider von Shigellen, Salmonellen, EHEC oder Choleravibrionen.

Obwohl die Patienten nicht arbeiten dürfen, erhalten sie weiterhin in den ersten 6 Wochen ihren Lohn vom Arbeitgeber, danach Verdienstausfall in Höhe des Krankengeldes. Für die Auszahlung zuständig ist die Behörde, die dazu von der Landesregierung bestimmt wurde; in Baden-Württemberg z. B. ist dies das Gesundheitsamt. Von dieser Behörde erhält dann auch der Arbeitgeber das Geld zurückerstattet, das er seinem Mitarbeiter bezahlt hat; hierzu muss aber ein Antrag gestellt werden. § 56 Abs. 7 regelt, dass AU das BV "sticht": Wer also wegen der o. g. Erkrankungen arbeitsunfähig ist, erhält "normalen" Lohn oder nach 7 Wochen Krankengeld. Der Anspruch auf Entschädigung ruht dann.

Beispiel: Ein 37-jähriger Metzger erkrankt an Fieber, Bauchschmerz und Diarrhoe. Wegen dieser Erkrankung ist er nicht in der Lage, seiner Tätigkeit nachzugehen; er erhält eine Krankmeldung. Nach 10 Tagen fühlt er sich gesund, hat keinen Durchfall mehr. Sie haben aber zwischenzeitlich das Ergebnis der Stuhluntersuchung erhalten: Salmonellen. Da der Patient eigentlich gesund ist, beenden Sie die AU und erteilen ein BV. Dieses Verbot heben Sie erst wieder auf, wenn die Stuhlkultur negativ ist.

Mutterschutzgesetz (MuSchG)

Im § 3 ist ganz allgemein geregelt, dass werdende Mütter nicht beschäftigt werden dürfen, "soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist." Im § 4 sind konkrete Arbeitsbedingungen genannt, bei denen immer oder erst ab einer bestimmten Schwangerschaftsdauer ein BV auszusprechen ist. Somit ist klar: Wird die Schwangere krank und kann deshalb nicht arbeiten, so besteht eine AU. Hat die gesunde Schwangere einen Arbeitsplatz, der nicht zur Schwangerschaft passt, dann besteht BV.

Während der Zeit des BV erhält die Schwangere durchgehend Entgelt in Höhe des Durchschnittsverdienstes der letzten 3 Monate, und zwar auch über die 6. Woche hinaus, bis zur regulären Zahlung des Mutterschaftsgeldes 6 Wochen vor dem errechneten Entbindungstermin. Bei AU würde ab der 7. Woche weniger Geld gezahlt (Krankengeld). Der Arbeitgeber erhält den gezahlten Lohn über die Umlage 2 auf Antrag von der zuständigen Krankenkasse zurück.

Beispiel: Die 37-jährige Filialarbeiterin eines Lebensmitteldiscounters muss neben Verwaltungstätigkeiten auch an der Kasse arbeiten und Waren räumen. Durch Übelkeit und Erbrechen wird eine Schwangerschaft bekannt. Wegen des Schwangerschaftserbrechens ist das Arbeiten nicht möglich, die Frau erhält eine AU-Bescheinigung. Nach 5 Wochen hat sich das Schwangerschaftserbrechen erheblich gebessert, es besteht nur noch eine leichte morgendliche Übelkeit. Sie dürfte eigentlich wieder arbeiten, aber der Arbeitsplatz "passt" nicht, denn sie muss an der Kasse und beim Räumen regelmäßig mehr als 5 kg bewegen. Also sprechen Sie ein BV aus. Nach 4 Wochen hat der Arbeitgeber die Arbeit so organisiert, dass die Filialarbeiterin ausschließlich im Büro tätig sein kann, daher heben Sie das BV wieder auf. In der 28. Woche zeigt sich eine Zervixinsuffizienz, die Schwangere muss viel liegen. Nun besteht wieder AU.

Was gilt für eine schwangere MFA in der Arztpraxis?
Schwangere sollen nicht beschäftigt werden, wenn ein erhöhtes Risiko für Berufserkrankungen besteht. Sie dürfen auch keinen gesundheitsgefährdenden Stoffen ausgesetzt sein. Wenn die MFA keinen Kontakt zu Körpersekreten hat und auch nicht Gefahr läuft, Maßnahmen zur Ersten Hilfe durchführen zu müssen, kann sie an der Anmeldung und mit Verwaltungstätigkeit in der Praxis beschäftigt sein. Sie sollte aber nie alleine in der Praxis arbeiten müssen, weil sich die oben genannten Einschränkungen dann nicht durchhalten lassen.

Beschäftigungsverbote in der Schwangerschaft


§ 4 MuSchG: Weitere Beschäftigungsverbote

(1) Werdende Mütter dürfen nicht mit schweren körperlichen Arbeiten und nicht mit Arbeiten beschäftigt werden, bei denen sie schädlichen Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Stoffen oder Strahlen, von Staub, Gasen oder Dämpfen, von Hitze, Kälte oder Nässe, von Erschütterungen oder Lärm ausgesetzt sind.

(2) Werdende Mütter dürfen insbesondere nicht beschäftigt werden

1. mit Arbeiten, bei denen regelmäßig Lasten von mehr als fünf Kilogramm Gewicht oder gelegentlich Lasten von mehr als zehn Kilogramm Gewicht ohne mechanische Hilfsmittel von Hand gehoben, bewegt oder befördert werden. Sollen größere Lasten mit mechanischen Hilfsmitteln von Hand gehoben, bewegt oder befördert werden, so darf die körperliche Beanspruchung der werdenden Mutter nicht größer sein als bei Arbeiten nach Satz 1,
2. nach Ablauf des fünften Monats der Schwangerschaft mit Arbeiten, bei denen sie ständig stehen müssen, soweit diese Beschäftigung täglich vier Stunden überschreitet,
3. mit Arbeiten, bei denen sie sich häufig erheblich strecken oder beugen oder bei denen sie dauernd hocken oder sich gebückt halten müssen,
4. mit der Bedienung von Geräten und Maschinen aller Art mit hoher Fußbeanspruchung, insbesondere von solchen mit Fußantrieb,
5. mit dem Schälen von Holz,
6. mit Arbeiten, bei denen sie infolge ihrer Schwangerschaft in besonderem Maße der Gefahr, an einer Berufskrankheit zu erkranken, ausgesetzt sind oder bei denen durch das Risiko der Entstehung einer Berufskrankheit eine erhöhte Gefährdung für die werdende Mutter oder eine Gefahr für die Leibesfrucht besteht,
7. nach Ablauf des dritten Monats der Schwangerschaft auf Beförderungsmitteln,
8. mit Arbeiten, bei denen sie erhöhten Unfallgefahren, insbesondere der Gefahr auszugleiten, zu fallen oder abzustürzen, ausgesetzt sind.

(3) Die Beschäftigung von werdenden Müttern mit

1. Akkordarbeit und sonstigen Arbeiten, bei denen durch ein gesteigertes Arbeitstempo ein höheres Entgelt erzielt werden kann,
2. Fließarbeit mit vorgeschriebenem Arbeitstempo ist verboten.


§ 8 Mehrarbeit, Nacht- und Sonntagsarbeit

(1) Werdende und stillende Mütter dürfen nicht mit Mehrarbeit, nicht in der Nacht zwischen 20 und 6 Uhr und nicht an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden.



Autor:

Dr. med. Jürgen Herbers

Facharzt für Allgemeinmedizin, Sozialmedizin, Sportmedizin, Ernährungsmedizin (DAEM/DGEM), Naturheilverfahren und Palliativmedizin
74385 Pleidelsheim

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (11) Seite 62-63