Auch bei Symptomen im Bereich der Augen wie Rötungen, Schmerzen oder Einschränkungen des Sehens ist die Hausarztpraxis oft die erste Station, die Patient:innen aufsuchen. In diesem Beitrag sollen folgende Fragen behandelt werden: Welche Krankheitsbilder sind häufig und können von der Hausärzt:in allein behandelt werden? In welchen Fällen sollte bei fehlender Besserung ein Augenarzt hinzugezogen werden? Welche Symptome deuten auf einen augenärztlichen Notfall hin und bedürfen einer sofortigen Überweisung an eine Ophthalmolog:in?

Allgemeinärzt:innen kommt in der medizinischen Versorgung eine Schlüsselfunktion zu, da sie von Patient:innen bei Gesundheitsfragen mehrheitlich als primärer Ansprechpartner ins Vertrauen gezogen werden [3]. Vor allem im ländlichen Bereich und in kleineren Städten, in denen vielfach ein Mangel an Augenärzt:innen herrscht, behandelt der Hausarzt regelmäßig ophthalmologische Krankheitsbilder [2]. Insgesamt machen augenärztliche Erkrankungen etwa 2 – 3 % des hausärztlichen Behandlungsspektrums aus [4]. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, der Hausärzt:in anhand klassischer ophthalmologischer Symptomkomplexe eine Hilfestellung bei der Einordnung, Beratung und Behandlung von Patient:innen mit ophthalmologischen Erkrankungen zu geben. Mithilfe einer ausführlichen Anamnese kann die Behandlung oftmals erfolgreich durch den Hausarzt, d. h. ohne Hinzuziehung eines Augenarztes, erfolgen [1]. Nachfolgend werden häufige Symptomkomplexe vorgestellt, die mit einem "roten Auge" einhergehen können.

Symptomkomplex 1:

Ein- oder beidseitige Rötung, Schmerzen, Blepharospasmus (Lidkrampf), Fremdkörpergefühl, Photophobie und/oder Epiphora (Tränenträufeln)

Grundsätzlich sollte bei jedem schmerzhaften roten Auge zunächst an ein Trauma oder einen Fremdkörper gedacht werden. Während Fremdkörper im Bereich der Hornhaut und Lidspalte meist mittels Taschenlampe/Pupillenleuchte festgestellt werden können, lassen sich auf der Innenseite des Augenlides gelegene Fremdkörper nur durch Umschlagen der Lider (Ektropionieren) darstellen. Sofern sich festsitzende oder einspießende Partikel (z. B. Metall) manuell nicht mit einem feuchten Wattestäbchen entfernen lassen, sollte eine umgehende Vorstellung beim Augenarzt erfolgen (Abb. 1).

Zudem sind Hornhauterosionen häufig für ein schmerzhaftes rotes Auge verantwortlich. Oft geht ein Trauma voraus (z. B. Fingernagel- oder Astverletzung). Oberflächliche Epitheldefekte lassen sich gut nach Fluorescein-Tropfenapplikation unter Blaulicht (Kobaltfilter) darstellen. Die vorherige Gabe anästhesierender Augentropfen (z. B. Proparakain oder Conjuncain® EDO® AT) führt zu einer schnellen Linderung und erlaubt eine bessere Untersuchung des Auges. Bei Schmerzen, die durch eine Entzündung des Auges verursacht sind (z. B. Skleritis, Uveitis, Endophthalmitis), verspürt der Patient nach Oberflächenanästhesie meist keine Linderung seiner Beschwerden. Als Therapie einer Hornhauterosio eignet sich zumeist eine Kombinationstherapie aus lokalen Antibiotika (z. B. Ofloxacin), Aseptika (z. B. Posiformin) und Tränenersatzmitteln (z. B. Hyaluronsäure) in Tropfen- oder Salbenform (z. B. 4x tgl). Bei ausbleibender Beschwerdebesserung bzw. einer -verschlechterung ist zeitnah eine Mitbeurteilung durch eine Ophthalmolog:in angeraten.

Merke: Zur Untersuchung oberflächlicher Binde- oder Hornhautläsionen erweist sich die Anfärbung mit Fluorescein EDO AT und Betrachtung mit einer Visitenlampe unter einem Blaufilter als hilfreich.

Liegen weder Fremdkörper noch eine Erosio vor, sollte als Nächstes eine infektiöse Ursache ausgeschlossen werden. Neben einer Bindehautentzündung (Konjunktivitis) ist immer auch eine Entzündung der Hornhaut (Keratitis) in Betracht zu ziehen. Dies gilt insbesondere bei Vorliegen einer positiven Kontaktlinsen- oder Traumaanamnese. Als mögliche Erreger einer Konjunktivitis und/oder Keratitis kommen grundsätzlich Bakterien, Viren, Pilze und Protozoen (Akanthamöben) in Betracht. Klinisch kann es zudem zu einer Visusminderung, Hornhauttrübung, einem Hornhautgeschwür (Ulkus) oder einem Hypopyon kommen.

Typischerweise manifestiert sich eine bakterielle Keratitis mit Infiltraten und Ulzerationen der Hornhaut (Abb. 2). Für eine virale Keratitis, z. B. durch Herpes-simplex- oder Varizella-zoster-Virus verursacht, sind dahingegen zunächst Fluorescein-positive epitheliale Läsionen wie eine sogenannte "Bäumchen-" bzw. "Dendriticafigur" und eine herabgesetzte Hornhautsensibilität pathognomonisch (Abb. 3). Die Berührungsempfindlichkeit der Hornhaut lässt sich gut mit einem ausgezogenen Stieltupfer prüfen, wobei im Hinblick auf eine potenzielle Erregerübertragung zuerst immer das "gesunde" Auge untersucht werden sollte. Darüber hinaus können bei Virus-bedingten Entzündungen wasserklare Bläschen oder Verkrustungen an den Lidern richtungsweisend sein.

Eine Pilzkeratitis wird in der Regel durch eine Verletzung mit organischem Material (z. B. Pflanzen) verursacht. Charakteristischerweise treten multiple, weißgraue, erhabene, trocken anmutende Hornhautinfiltrate, sogenannte Satellitenläsionen, auf.

Bei einer Akanthamöben-Keratitis, die häufig mit Kontaktlinsentragen einhergeht und stärkere Schmerzen verursacht, zeigt sich zumeist ein weißliches Ringinfiltrat. Grundsätzlich sollte vor Therapieeinleitung möglichst ein Hornhautabstrich bzw.- abradat durchgeführt werden, um die Therapie nachfolgend ggf. Erreger-spezifisch anpassen zu können. Dieser Abstrich sollte möglichst in einer Fachabteilung erfolgen, da die weitere laborspezifische Aufarbeitung nicht überall möglich ist.

Je nach Ursache und klinischem Bild kommen antibiotische (z. B. Gentamicin), virustatische (z. B. Aciclovir), antimykotische (z. B. Voriconazol) oder antiamoeboide (Antiseptika wie z. B. Propamidin/Polyhexamethylenbiguanid) Präparate in Tropfen- oder Salbenform in Betracht. Bei ausgeprägten Befunden kann eine systemische Therapie erforderlich sein.

Eine weitere häufige Differenzialdiagnose ist die Entzündung der Gefäßhaut (z. B. Uveitis). Bei einer Regenbogenhautentzündung (Iritis) fallen klinisch typischerweise Beschläge des Hornhautendothels, Trübungen der vorderen Augenkammer (Zellen und Eiweißausschwitzungen) und Verklebungen zwischen Pupille und Linsenvorderkapsel (hintere Synechien) auf. Die Basistherapie nichtinfektiöser Erkrankungen beinhaltet zunächst die halb- bis stündliche Applikation von steroidhaltigen AT/AS (z. B. Prednisolonacetat), pupillenerweiternde AT (z. B. Boro-Scopol® AT 2- bis 3-mal tgl.) und ggf. systemische Gabe von Steroiden (z. B. Prednison p.o. 1 mg/kg KG). Bei einer infektiösen Ursache sollte die Therapie vor einer Steroidgabe zunächst erregerspezifisch eingeleitet werden.

Merke: Bei einer längerfristigen Applikation von steroidhaltigen Augentropfen/-salben sollten stets potenzielle Nebenwirkungen berücksichtigt werden, wie eine Augeninnendruckerhöhung (Sekundärglaukom), Linsentrübung (Cataracta complicata), bakterielle Superinfektion oder Reaktivierung einer vormals stattgehabten Entzündungsreaktion (z. B. Kerato(uveitis) herpetica).

Symptomkomplex 2:

Ein-/beidseitige Rötung, Fremdkörpergefühl, Brennen, Pruritus, Epiphora, Sekretion

Diese Symptome deuten in erster Linie auf eine Konjunktivitis hin, die verschiedenste Ursachen haben kann. Bei beidseitigem, saisonal auftretendem Juckreiz, wässriger Sekretion, mäßiger Bindehautrötung, Chemosis und periokulärer Lidschwellung sollte zunächst an eine allergische Genese gedacht werden (Abb. 4), von der häufig Atopiker betroffen sind. Die Therapie stützt sich auf eine Allergenkarenz, die Gabe von Mastzellstabilisatoren (z. B. Cromoglicinsäure AT 2- bis 3-mal tgl.), Antihistaminikum p.o. (bei Bedarf) und eine Desensibilisierung. Kurzzeitig können steroidhaltige AT (z. B. Fluorometholon AT 2-mal tgl.) zu einer raschen Beschwerdelinderung führen.

Merke: Cromoglicinsäure-haltige AT brauchen immer einige Tage, bis ihre antiallergische Wirkung einsetzt! Viel schneller wirken dahingegen Ketotifen AT (z. B. Zaditen®, bereits nach ca. 15 min). Zur Überprüfung der Verdachtsdiagnose "allergische Konjunktivitis" empfiehlt sich daher im Zweifelsfall die Applikation von Zaditen® AT in der Praxis.

Charakteristisch für eine bakterielle Genese ist ein reichhaltiges, rahmiges, mukopurulentes Sekret mit Verkrustung der Wimpern. Ein zumeist einseitiger Beginn mit Übergreifen auf das andere Auge innerhalb weniger Tagen (bei Nichteinhalten der "Hygieneregeln") ist charakteristisch. Je nach klinischem Bild und Ausprägung kann in Einzelfällen jedoch eine topische Antibiotikagabe (z. B. Gentamicin AT 4x tgl.) erforderlich sein.

Merke: Bei Auftreten von vermehrtem Juckreiz, wässrigem Sekret und Epiphora einhergehend mit Erkältungssymptomen, präaurikulärer und/oder submandibulärer Lymphadenopathie und Lidschwellung ist unbedingt an eine, bei positivem Labornachweis meldepflichtige, Adenoviren (Serotypen 8, 19, 37)-bedingte Keratokonjunktivitis epidemica zu denken. Als pathognomonisch gelten eine Schwellung der Plica semilunaris und Karunkel im nasalen Augenwinkel. Nach zunächst einseitigem Beginn ist ein Befall beider Augen in der Regel typisch. Aufgrund der hohen Kontagiosität ist auf strenge Hygienemaßnahmen (auch im eigenen Haushalt) und auf eine Arbeitsunfähigkeit von ca. 10 bis 14 Tagen zu verweisen. Zur Therapie können Tränenersatzpräparate, nichtsteroidale antiphlogistische, lokale Antiseptika und, zur Vermeidung einer Superinfektion, auch antibiotische Augentropfen verordnet werden. Eine Überweisung ist erst nach fehlender Besserung oder bei Verdacht auf Hornhautbeteiligung notwendig. Wichtig sind zudem Desinfektionsmaßnahmen in der eigenen Praxis, um ein "Ausbruchsgeschehen" zu vermeiden.

Symptomkomplex 3:

Ein-/beidseitiges Brennen, Fremdkörpergefühl ("müde Augen"), Juckreiz, Epiphora, verschwommenes Sehen und/oder Photophobie

Diese Symptome weisen auf ein trockenes Auge hin und erzeugen bei den Betroffenen häufig einen hohen Leidensdruck. Typischerweise führt die Gabe eines lokalen Analgetikums (z. B. Conjuncain® EDO® AT) zu einer umgehenden Beschwerdelinderung. Das Sicca-Syndrom wird häufig von einer Lidrandentzündung (Blepharitis/Meibomitis) begleitet, welche mit Rosazea, atopischer Dermatitis oder Akne vergesellschaftet sein kann. Klinisch imponieren schuppige, teils ulzerative Lidränder mit Rötung und u. U. fettig anmutenden Wimpern. Therapeutisch wird eine dauerhafte Lidrandhygiene 2-mal tgl. mit Expression des fettigen Sekrets der Lidrand(Meibom)drüsen empfohlen. Als hilfreich können sich desinfizierende Präparate (z. B. Posiformin AS 1- bis 2-mal tgl.) und, in hartnäckigen Fällen, antibiotische Salben (z. B. Ofloxacin AS 2-mal tgl. 2 bis 8 Wochen) oder systemische Antibiotika (Tetrazykline, z. B. Doxycyclin 50 mg 1-mal tgl.) in Kombination mit steroidhaltigen Tropfen erweisen. Die Behandlung des trockenen Auges erfolgt darüber hinaus zusätzlich mit Tränenersatzmitteln (z. B. Hyaluronsäure oder Dexpanthenol AT/AS) mindestens 4- bis 6-mal täglich. Eine Überweisung ist erst bei fehlender Besserung zu empfehlen.

Bei jedem Hinweis auf ein Fremdkörpergefühl sollte die Stellung der Augenlider überprüft werden, um ein En- oder Ektropium auszuschließen (Abb. 5), das eine Schädigung der Hornhautoberfläche (z. B. Erosio, Ulkus) hervorrufen kann. Liegt eine Lidfehlstellung vor, sollten ebenfalls Tränenersatzmittel hochfrequent appliziert werden. Bis zum Termin bei der Augenärzt:in kann bei Entropium eine Eversion des Lides künstlich mittels Pflasterstreifen oder Steri-Strip erzeugt werden. Bei Ektropium oder Lagophthalmus kann zum Schutz ein Uhrglasverband verordnet werden.

Symptomkomplex 4:

Einseitige, flächige, plötzlich auftretende, schmerzlose Bindehautrötung

Typischerweise handelt es sich um eine zumeist harmlose Ein-/Unterblutung der Bindehaut (Hyposphagma), die z. B. durch ein lokales Trauma, bei einem Sicca-Syndrom, nach einem Valsalva-Manöver, bei Blutdruckspitzen u. a. in Kombination mit systemischer Antikoagulanzienanwendung hervorgerufen werden kann (Abb. 6). Bei Bedarf sollte eine 24-h-Blutdruckmessung zum Ausschluss eines unkontrollierten arteriellen Hypertonus erfolgen. Zudem sollte aufgrund gefäßwandbedingter Veränderungen an das Vorliegen eines Diabetes mellitus gedacht werden. Eine spontane Resorption tritt meist nach ca. 7–14 Tagen ein. Eine Überweisung an einen Augenarzt ist in aller Regel nicht notwendig.

Symptomkomplex 5:

Einseitige, dermatombezogene Rötung der Stirnregion mit starken Schmerzen und Bläschen-, Krusten- und Ödembildung im Lidbereich

Die genannten Symptome sind charakteristisch für eine Gürtelrose im Bereich des 1. Trigeminusastes (N. ophthalmicus). Aus augenärztlicher Sicht ist es zwingend erforderlich, eine Augenbeteiligung (Keratitis, Uveitis) auszuschließen. Eine Mitbeteiligung des Nasenrückens oder der Nasenspitze ("Hutchinson-Zeichen") gilt als pathognomonisch für eine Beteiligung des Auges aufgrund der gemeinsamen sensiblen Innervation durch den N. nasociliaris. Typischerweise weist die Hornhautoberfläche eine reduzierte Sensibilität und eine nur uncharakteristische Epithelstippung ohne eindeutige "Dendriticafigur" (vgl. Herpes-simplex-Keratitis) auf. Bei Verdacht auf das Vorliegen eines "Zoster ophthalmicus" sollte zusätzlich zur systemischen Aciclovir- (z. B. 800 mg 5 x tgl. p.o.) oder Brivudin-Gabe (125 mg 1-mal tgl. p.o.) immer Tränenersatzmittel (4- bis 6-mal tgl.) und ggf. (bei Hornhautepithelunregelmäßigkeit) topisch ebenfalls Aciclovir oder Ganciclovir in Salben- oder Gelform (5-mal tgl.) gegeben werden. Eine augenärztliche Vorstellung zum Ausschluss einer Augenbeteiligung sollte zeitnah erfolgen.

Symptomkomplex 6:

Einseitige Lidschwellung mit Rötung und knotiger Verhärtung des Lidrandes

In erster Linie sollte an eine Entzündung der Lidranddrüsen gedacht werden. Ein wesentliches diagnostisches Unterscheidungskriterium zwischen einer infektiösen (Hordeolum) (Abb. 7) und nichtinfektiösen Genese (Chalazion)(Abb. 8) stellt das Vorhandensein von Schmerzen dar. Eine Druckdolenz ist eher charakteristisch für ein Hordeolum. Beide Krankheitsbilder sind häufig mit einer Blepharitis auf dem Boden einer Acne vulgaris assoziiert und sprechen gut auf desinfizierende (z. B. Posiformin 2-mal tgl.) oder bei Bedarf auch antibiotische Augensalben (z. B. Gentamicin 4-mal tgl.) an. Eine Kombination mit einer manuellen Lidrandhygiene sollte immer erfolgen. Zusätzlich helfen trockene Wärme wie z. B. Infrarotlicht (Hordeolum) oder warme Umschläge (Chalazion). Ist bei einem Hordeolum der Befund sehr ausgeprägt, kann eine orale Antibiose (z. B. Cefuroxim 250 mg 2-mal tgl.) verordnet werden. Eine augenärztliche Überweisung erscheint erst bei ausbleibender Befundbesserung nach 2 bis 3 Wochen erforderlich.

Notfallsituationen

Bei den nachstehenden Krankheitsbildern sind makroskopisch prinzipiell keine Auffälligkeiten sichtbar, sodass besonderes Augenmerk auf die Anamnese gelegt werden sollte. Hierbei sollte immer eine sofortige Überweisung an eine Augenärzt:in erfolgen.

Symptomkomplex 7:

Ein-/beidseitig, schmerzloses Auftreten von beweglichen, "dunklen Punkten"

Zumeist handelt es sich um Glaskörperdestruktionen, sogenannte "Mouches volantes". Sie werden besonders vor einem hellen Hintergrund wahrgenommen (z. B. Blick auf eine helle Wand im Sonnenlicht oder in den blauen Himmel) und stellen physiologische, destruktive Veränderungen des Glaskörpers dar. Bei beidseitigen Veränderungen kommt zudem eine entzündliche Genese (Uveitis intermedia oder posterior) in Betracht. Vorsicht ist geboten, sofern Trübungen plötzlich und zahlreich im Zusammenhang mit Lichtblitzen oder Rußregen auftreten. Ursächlich liegt eine akute Glaskörperabhebung vor, die zu zugbedingten Netzhauteinrissen und Glaskörperblutungen führen kann. Insbesondere, wenn Patienten zusätzlich einen beweglichen Schatten als "aufsteigende Blase" oder "fallenden Vorhang" angeben, ist eine Netzhautablösung sehr wahrscheinlich und sollte baldmöglichst augenärztlich ausgeschlossen werden. Diese kommt im Allgemeinen bei kurzsichtigen Patienten häufiger vor. Differenzialdiagnostisch sollte zudem an eine Glaskörperblutung auf Grundlage einer proliferativen diabetischen Retinopathie, an eine exsudative Makuladegeneration oder einen abgelaufenen retinalen Gefäßverschluss gedacht werden.

Merke: Bei beginnender Netzhautablösung muss zunächst nicht zwingend eine Visusminderung auftreten.

Symptomkomplex 8:

Plötzliche, einseitige Sehminderung mit rotem Auge, Augen- und Kopfschmerzen sowie vegetativen Symptomen (Übelkeit, Erbrechen)

In erster Linie sollte ein akuter Augendruckanstieg ("Glaukomanfall") ausgeschlossen werden. Eine erweiterte, lichtstarre Pupille, milchige Hornhauttrübung und ein palpatorisch steinharter Bulbus sind pathognomonisch. Hyperope (weit- bzw. übersichtige) Patienten sind aufgrund eines relativen "Kurzbaus" des Auges mit zunehmendem Lebensalter infolge einer zunehmenden Linsenverdickung und konsekutiven Verengung des vorderen Augensegments vermehrt gefährdet. Bevor der Patient an einen Augenarzt überwiesen wird, sollte bereits durch den Hausarzt eine augendrucksenkende Therapie mit z. B. Acetazolamid 250-mg-Tabletten 1- bis 2-mal und Pilocarpin 1 – 2 % Augentropfen alle zehn Minuten eingeleitet werden.

Merke: Bei der Bulbuspalpation sollte man die Patient:in nach unten schauen lassen und die Zeigefinger beider Hände rechts und links neben den Augapfel auf das halb geschlossene Oberlid (Vermeidung des Bell-Phänomens) aufsetzen. Wichtig zur Beurteilung ist der Vergleich mit der Gegenseite.

Symptomkomplex 9

Ein-/beidseitiges schmerzhaftes "rotes" Auge nach Exposition gegenüber Hitze oder ätzenden Substanzen

Als Ursache kommen häufig Arbeitsunfälle in Betracht. Sowohl bei Säuren als auch Laugen ist eine ausgiebige Spülung mit z. B. physiologischer NaCl-Lösung unter Lokalanästhesie mit Aufhalten der Lider inkl. Ektropionieren über 10 bis 15 Minuten erforderlich, um eine ausreichende Verdünnung des verursachenden Agens zu erreichen. Gleichzeitig sollten subtarsale Fremdkörper ausgeschlossen bzw. nach Möglichkeit mit einem Wattestäbchen o. Ä. entfernt werden (z. B. Verätzung mit ungelöschtem Kalk). Eine sofortige Überweisung in eine Augenklinik ist erforderlich, selbst wenn das Auge äußerlich unauffällig erscheint.

ESSENTIALS – Wichtig für die Sprechstunde
  • Bei jedem schmerzhaften roten Auge sollte zuerst an ein Trauma oder einen Fremdkörper gedacht werden.
  • Als Nächstes sollte man eine Infektion ausschließen.
  • Bei V. a. Keratitis oder Uveitis sollte eine Überweisung zur Augenärzt:in erfolgen.


Literatur:
1. Cronau H, Kankanala RR, Mauger T (2010) Diagnosis and Management of Red Eye in Primary Care. Am Fam Physician 81(2):137-144
2. Forschungsgruppe Wahlen Telefonfeld GmbH (2019) Versichertenbefragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung: Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage 03/04: 8, 15
3. Grobe TG, Steinmann S, Szecsenyi J (2020) BARMER Arztreport 2020, Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse. Band 21, 57-60
4. Pflipsen M, Massaquoi M, Wolf S (2016) Evaluation of the Painful Eye. Am Fam Physician 93(12):991-998
5. Pleyer U (2017) Skleritis- Aktuelles zu Diagnose und Therapie. Der Augenspiegel 3: 34-39
6. Wolfram C, Pfeiffer N (2012) Weißbuch zur Situation der ophthalmologischen Versorgung in Deutschland 09: 8. DOG München


Autor:innen

Petra Dávidová

Dr. med. Michael Müller,
Prof. Dr. med. Thomas Kohnen,
PD Dr. med. Dr. med. habil. Ingo Schmack
Klinik für Augenheilkunde, Universität Frankfurt am Main
60590 Frankfurt am Main
Interessenkonflikte: Die Autor:innen haben keine deklariert.

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Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (4) Seite 14-21