Lange Arbeitszeiten, Wochenenddienste, Praxisstress, schwere Patientenschicksale und, und, und. Die Liste berufstypischer Belastungen, die speziell das Beziehungsglück von Ärzt/innen gefährden, ist lang. Der mit Abstand größte Stolperstein für Arztehen oder -beziehungen ist chronischer Zeitmangel. Hinzu kommen Erschöpfung und Müdigkeit.

Bei allem Verständnis seitens vieler Partner/innen von Ärzten führt fortdauerndes Nichtgesehen-Werden zum inneren und dann oft auch äußeren Rückzug. Dabei bleibt die Ehe/Partnerschaft durchaus funktionstüchtig, alle erfüllen weiter ihre Rollen in einer erwachsenen Weise, jedoch die gefühlte Nähe oder Wärme nimmt ab.

Insofern sehen Paartherapeuten die Arztehe als ein Musterbeispiel für Vernachlässigung an, dabei ist dies keine Zwangsläufigkeit! Was braucht es für eine gute Zweisamkeit? Jede(r) weiß es: sich genügend Zeit nehmen, sich für den anderen interessieren, zuhören, sich berühren lassen – körperlich und emotional. Das große Paradox hierbei ist: Ärzte handeln zumeist nicht nach diesem Wissen, sie nehmen sich mehr Zeit für ihre schwierigen Patienten als für ihre vielleicht schwierige Ehe, sie investieren nicht halb so viel Kreativität darin, Probleme in der Ehe zu lösen, wie sie Probleme in der Praxis angehen. Im Normalfall merken wir das aber nicht, weil uns der Praxisstress und die tägliche positive Bestätigung durch die Patienten motivieren.

Wann kommt der Mangel in der Partnerschaft deutlich zum Tragen? Wenn ein Arzt ernstlich krank wird oder wenn er/sie in Pension geht; dann bricht die externe Ablenkung und Gratifikation weg, dann gibt es eine Chance, die innere Einsamkeit in sich zu spüren, dann kommt unter Umständen das Staunen über die dauerhafte Distanz des Partners.

An dieser Stelle kommen Arztehepaare oft in meine Praxis und suchen Hilfe, sind bereit sich wirklich umeinander zu bemühen. Auf der emotionalen Ebene bedeutet das jedoch nicht, bei der Verliebtheit wieder anzufangen, sondern am anderen Ende, bei Groll, Enttäuschung und Mauern, die uns vor weiteren Verletzungen schützen sollen. Das ist mühsam, das zeigt uns unsere Fehler oder Gleichgültigkeit, und doch lohnt es sich für die, die dranbleiben; nach den Tränen und der Wut kommen oft eben auch wieder positive Gefühle, Wünsche nach Nähe und gelungene Momente.

Es braucht nicht immer eine Paartherapie dazu. Nehmen Sie sich vor, mit Ihrem Partner/Ihrer Partnerin über die Beziehung zu sprechen, wie jeder sich fühlt, was als gut empfunden wird, was als weniger gut, was man vermisst. Dabei wird oft schon nach wenigen Gesprächen klar, wo Sie in Ihrer Zweisamkeit stehen, ob Sie noch füreinander offen und erreichbar sind – oder eben auch nicht. Vielleicht gelingt es Ihnen ja so, auch eine Grundlage zu vertiefen, um die Nähe in der Beziehung zu erleben und dadurch eine gute Zweisamkeit.



Autor:

Dr. med. Bernhard Mäulen

Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie,
Leiter des Instituts für Ärztegesundheit
78050 Villingen

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (14) Seite 5