Eine Kompressionstherapie kann z. B. bei einer chronischen venösen Insuffizienz oder beim Ulcus cruris venosum gute Dienste leisten. Doch was tun, wenn gleichzeitig eine pAVK vorliegt?

Muss man Patienten, die neben Venenleiden auch eine ­periphere ­arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) haben, die sehr effektive Kompressionstherapie vorenthalten? Dieser Frage ging Dr. Stephan Eder, Gefäßmediziner aus Villingen-­Schwenningen in der Zeitschrift „täglich praxis“ nach [1]. Es gibt eine ganze Reihe guter Indikationen für eine Kompressionstherapie (vgl. Übersicht). Bei einer chronisch venösen Insuffizienz steigt der Druck im venösen System an, was zu einer fortschreitenden Gewebeschädigung und letztlich zum Untergang von Gewebe führen kann. Diesem Prozess lässt sich durch Gegendruck von außen in Form einer Kompressionstherapie effektiv entgegenwirken. Ein Stauungsödem lässt sich so verhindern oder ein Ulcus cruris venosum zur Abheilung bringen.

Viele Behandler befürchten aber, dass es durch die Kompression bei bestehender pAVK zu einer gefährlichen Minderperfusion kommen kann, und verzichten z. B. bereits bei nicht tastbaren Fußpulsen komplett darauf. Ist diese Sorge berechtigt?

Definition von Kontraindikationen

Was genau sagen die Leitlinien zu Kontraindikationen der Kompressionstherapie? Ein internationales Forscherteam durchsuchte 2016 20 Leitlinien in deutscher und englischer Sprache dahin gehend. Sie fanden als übereinstimmende absolute Kontraindikation eine fortgeschrittene periphere arterielle Verschlusskrankheit mit kritischer Ischämie und einem Knöchel-Arm-Index < 0,5. Was relative Kontraindikationen angeht, gab es unterschiedliche Empfehlungen, darüber hinaus waren die Definitionen unklar und nicht konsistent.

Laut der neuen deutschen S2k-Leitlinie von 2019 (AWMF-Registernummer: 037/005) werden folgende Kontraindikationen genannt:

  • Fortgeschrittene pAVK mit einem Knöchel-Arm-Index (ABPI) < 0,5, einem Knöchelarteriendruck < 60 mmHg, einem Zehendruck < 30 mmHg oder einem transkutanen Sauerstoffpartialdruck am Fußrücken < 20 mmHg.
  • Dekompensierte Herzinsuffizienz (NYHA III + IV)
  • Septische Phlebitis
  • Phlegmasia caerulea dolens

Heutzutage ist in den Leitlinien nicht mehr von „relativen Kontraindikationen“ die Rede, ­sondern von Risikofaktoren, schreibt Dr. Eder. Dazu gehört die pAVK mit einem ABPI zwischen 0,5 und 0,8, was bei älteren Patienten mit Ulcus cruris nicht selten ist: Es scheint aber so zu sein, dass man sich in diesen Fällen nicht vor einer Minderperfusion durch die Kompressionstherapie zu fürchten braucht. In einer Studie wurden Patienten mit venösem Ulkus oder mit Ulcus mixtum und Knöchel-Arm-Index < 0,8 mit einer reduzierten Kompressionstherapie (30 mmHg) behandelt. 95 % der Patienten beider Gruppen vertrugen diese Kompressionstherapie gut.

Auch in einer Anwendungsbeobachtung wurde eine moderate Kompression (30 mmHg) bei Patienten mit Ulcus cruris und pAVK (Knöchel-Arm-Index 0,5 bis 0,8) über 2 Wochen gut vertragen. Eine andere Untersuchung, die die arterielle Perfusion während einer Kurzzugkompression bei Patienten mit denselben Kriterien untersuchte, kam zu dem Ergebnis, dass die arterielle Durchblutung nicht eingeschränkt wurde, die venöse Pumpfunktion beim Gehen sich aber verbesserte.

Welcher Druck bei welcher Indikation?

Wie hoch der Kompressionsdruck sein muss, um ein gutes Ergebnis zu erzielen, hängt von der Indikation ab – ein Ulcus cruris braucht mehr als ein Stauungsödem.

Wie sollte man konkret vorgehen, wenn nicht nur ein venöses Problem vorliegt, sondern auch ein arterielles? Zunächst sind natürlich in jedem Fall die Fußpulse zu tasten. Sind sie nicht palpabel, folgt die Doppleruntersuchung. Gute Dienste leisten zudem der Buerger- und der Pole-Test, bei denen die sichtbare Durchblutung (Erblassen, Reperfusion) bzw. die Unterdrückung des Dopplersignals durch Lagerungsmanöver der Beine beurteilt wird.

Nur bei schwerer pAVK mit einem Knöchel-Arm-Index < 0,5 sollte die Kompressionstherapie unterbleiben. Liegt der Knöchel-Arm-Index zwischen 0,5 und 0,8 mmHg, ist ­eine kontrollierte Kurzzugkompression (geringer Ruhedruck, hoher Arbeitsdruck) bis 40 mmHg sinnvoll.


Literatur
1. S. Eder: Kompressionstherapie trotz peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK) – Was ist sinnvoll, was ist machbar? tägliche praxis 65, 575–580 (2022), Mediengruppe Oberfranken – Fachverlage GmbH & Co. KG


Autorin:
Dr. Vera Seifert

Erschienen in: DERMAforum, 2022; 26 (4) Seite 18