Beim Patentrecht stehen die Behandlungsfreiheit, das Leben als höchstes Gut und ein berechtigtes Schutzinteresse im Spannungsverhältnis.

Eines vorneweg, ganz ohne IP-Grenzen (also ohne die Beachtung Patentrechte Dritter) können selbst Hausärtz:innen nicht agieren, insbesondere nicht gewerblich. Gründet z. B. eine niedergelassene Ärzt:in parallel ein Start-up, das ein besonderes diagnostisches Kit zum Kauf anbieten und vertreiben möchte, gelten für dieses Kit als kommerzielles Produkt die gleichen Patentverletzungsmaßstäbe wie für ein jedes andere Produkt. Denn gewerblich vertriebene Produkte, die in den Schutzbereich eines valide erteilten und in Rechtskraft befindlichen Patents fallen, können dieses verletzen.

Auch können Produkte wie chirurgische Hilfsmittel, medizin-technische Geräte oder Arzneiwirkstoffe im deutschen und europäischen Raum sehr wohl patentiert werden. Das bedeutet: Das Skalpell als solches für die ambulante und nicht patentierbare Schnittführung – bspw. für eine Leberfleckentfernung – ist gewerblich anwendbar und auch patentierbar.
Einen Sonderstatus haben jedoch Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung (von Mensch oder Tier) sowie bestimmte ärztliche Diagnoseverfahren. Der Grund dafür ist, dass der ärztliche Beruf patentrechtlich nicht unter den Gewerbebegriff fällt und die Ärzt:in ihre Behandlungsmöglichkeiten frei wählen und anwenden soll – ohne Gefahr zu laufen, unmittelbar ein Patent zu verletzten. Ferner sollen wirksame Therapieformen allen Patient:innen gleichermaßen zur Verfügung stehen und insbesondere keinen Unterschied zwischen Arm und Reich machen.

Solch ein Ausschluss der chirurgischen/therapeutischen Verfahren von der Patentierbarkeit ist bereits im Patenterteilungsverfahren zu prüfen. Es sei aber erneut angemerkt, diese Ausnahmen gelten nur für chirurgische/therapeutische Verfahren, nicht jedoch für darin verwendete Erzeugnisse, Stoffe oder Stoffgemische.

Ähnlich ist es bei der Diagnostik. Jedoch im Gegensatz zu chirurgischen/therapeutischen Verfahren hat die Rechtsprechung festgesetzt, dass ein Diagnostizierverfahren, welches am menschlichen oder tierischen Körper vorgenommen wird, nur dann unter einen Patentierungsausschluss fällt, wenn es alle Schritte der Untersuchung, der Datensammlung und des Vergleichs umfasst. Die am Körper vorgenommenen Handlungen müssen hierbei technischer Natur sein. Der Einsatz eines Computers zur Datenverarbeitung bei einer Alzheimerdiagnose galt z. B. nicht als eine derartige Handlung. Das beanspruchte Verfahren war demnach patentierbar. Auch seien gedankliche Überlegungen zur Stellung einer Diagnose eine rein intellektuelle Tätigkeit des Hausarztes, die nicht einer am Körper vorgenommenen Handlung gleichkäme. Hier besteht also auch kein Patentierungshindernis.
Es kann aber bei den heutigen Methoden gleichzeitig sein, dass eine niedergelassene Hausärzt:in in ihrer Praxis ein Biotech-Verfahren als therapeutisches Heilverfahren anwendet, wobei sie menschliche Substanzen entnimmt und in ein Labor übergibt. Dort wird dann die eigentlich patentverletzende Modifikation vorgenommen. Bei Verabreichung der modifizierten Substanz würde die Ärzt:in dann mittelbar Patentverletzer:in. Bisher sind Patentverletzungsklagen gegen ärztliche Behandlungen selten, aber dennoch vereinzelt vorgekommen. Das rechtliche Feld hierzu ist dynamisch, insbesondere, weil die medizinisch-technische Entwicklung immer rasanter vonstattengeht. Die eine, klare und etablierte Lösung gibt es für diese Fälle im deutschen Recht (noch) nicht. Zum Beispiel wird teils bereits diskutiert, dass die Ärzt:in, solange ein Patent Bestand hat, auch wie eine jede Patentverletzer:in zu verurteilen sei. Angemessener erscheint es aber weiterhin, die therapeutische, chirurgische oder diagnostische Behandlung – nicht die dabei eingesetzten geschützten Mittel – als patentfrei anzusehen. Denn um der ärztlichen Behandlungsfreiheit willen besteht das Patentierungsverbot für therapeutische Verfahren. Und was patentfrei bleiben soll, kann man auch nicht verletzen.

Auch die unmittelbare Einzelzubereitung von Arzneimitteln in Hausarztpraxen bzw. Apotheken aufgrund ärztlicher Verordnung ist ungeachtet bestehender Patentrechte Dritter bisher gemeinhin erlaubt. Die Zubereitung in einem sonstigen Herstellungsbetrieb, z. B. in einem pharmazeutischen Unternehmen, ist dahingegen nicht freigestellt. Einige meinen wiederum, dass die Zubereitung durch die Ärzt:in selbst nicht freigestellt sei. Diese Auffassung erscheint aber ebenso strittig, weil die Einzelzubereitung in Apotheken deshalb den Patentwirkungen nicht unterliegt, da sie Teil der freien ärztlichen Behandlung ist.

Fazit für die Praxis

Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen Körpers und Diagnostizierverfahren, die am menschlichen Körper vorgenommen werden, gelten nicht als gewerblich anwendbare Erfindungen und sind damit einem Patentschutz nicht zugänglich. Dies gilt nicht für Erzeugnisse, insbesondere Stoffe oder Stoffgemische, zur Anwendung in einem der vorstehend genannten Verfahren. Die genannten Regelungen bezüglich der Verfahren wurden eingeführt, damit insbesondere (niedergelassene) Ärzt:innen nicht durch Patentrechte daran gehindert werden, ihrem Beruf zum Wohle der Menschen nachzugehen. Es erscheint kontraproduktiv, wenn eine ambulant-behandelnde Chirurg:in sich z. B. vor einem lokalen Eingriff davon zu überzeugen hätte, ob er/sie die gewählte chirurgische Methode überhaupt einsetzen darf, ohne mit Unterlassungs- und Schadensersatzforderungen Dritter rechnen zu müssen. In einigen anderen Ländern – wie z. B. in den USA – besteht hingegen keinerlei Patentierungsverbot für medizinische Verfahren.

Autoren

Dr. Diana Taubert – d.taubert@etl-ip.com
Dr. Jörn Plettig – j.plettig@etl-ip.com


Quelle
ETL ADVISION