Tumorerkrankungen nehmen in Deutschland entsprechend der demographischen Entwicklung weiter zu. Häufig werden unbeeinflussbare Umweltrisiken als Ursache angeschuldigt. Eine Reihe möglicher Risikofaktoren lässt sich jedoch individuell beeinflussen, wie z. B. Nikotinkonsum, Übergewicht, ungesunde Ernährung, mangelnde körperliche Bewegung oder die Exposition mit krebserregenden Substanzen. Zudem werden durch regelmäßige Krebsvorsorge die Früherkennung und das Überleben verbessert.

Krebs ist seit der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts die zweithäufigste Todesursache nach den kardiovaskulären Erkrankungen, was neben Alterungseffekten dem Lebensstil geschuldet ist. Beeinflussbare Risikofaktoren sind Verhalten und Umwelt, während Gene, Alter oder Geschlecht unbeeinflussbar sind. Menschen sind natürlichen und künstlichen Einflüssen durch Wasser, Luft, Boden und Nahrung ausgesetzt, die im öffentlichen Bewusstsein als entscheidend gelten, im Vergleich mit dem Lebensstil aber irrelevant sind.

Die primäre Prävention zur Verringerung der Krebsinzidenz beinhaltet z. B. die Regel „fünfmal täglich Obst und Gemüse“. Früherkennung ermöglicht als sekundäre Prävention eine höhere Heilungsrate durch ein Screening der Gesamtbevölkerung bei weit verbreiteten Erkrankungen oder gezielt bei Hochrisikogruppen, z. B. bei genetischer Veranlagung.

Die tertiäre Prävention bezieht sich auf die Früherkennung eines Rezidivs nach vorheriger Tumorerkrankung.

Adipositas

Endometrium-, Kolon-, Nierenzell-, Ösophagus- und vermutlich Pankreas- sowie hepatozelluläre Karzinome und Karzinome des gastroösophagealen Übergangs finden sich bei adipösen Menschen häufiger. In den USA verursacht Übergewicht geschätzt 20 % aller postmenopausalen Mammakarzinome und 50 % aller Todesfälle durch Mammakarzinome. Körperliche Aktivität reduziert das Krebsrisiko bei identischer Ernährung. Sie wirkt protektiv gegen kolorektale und vermutlich gegen Mamma-, Prostata- und Bronchialkarzinome. Eine Gewichtszunahme von 5 kg führt zu einer Erhöhung des relativen Krebsrisikos auf 1,08, ein Punkt auf der Body-Mass-Skala um 3 %. Ein idealer Body-Mass-Index zur Vermeidung einer Tumorerkrankung läge wahrscheinlich zwischen 18,5 und 25.

Ernährung

Ca. 30 % aller Krebsarten weltweit entstehen durch Ernährung: erhöhte Kalorienzufuhr, Karzinogene in der Nahrung, Überangebot von Zucker und Fett oder Mangelernährung. Durch die Dauer der Tumorentwicklung ist der Nachweis des Zusammenhangs von Ernährung z. B. in der Kindheit und späteren Tumoren schwierig. Die Folgen von Karzinogenen sind bedingt durch individuelle Aktivierung und Entgiftung der Substanzen (Tabelle 1).

Nützliche Ernährung

Gemüse und Obst schützen vor Karzinomen im Bereich des Oropharynx, des Gastrointestinal- sowie Respirationstrakts und vor Mammakarzinomen. Bei faserreicher Kost (600 bis 800 g täglich) sinkt vermutlich das Risiko für Mamma-, Kolon-, Rektum- und Pankreaskarzinom.

Erwachsene sollten täglich 400 bis 800 g Gemüse oder Obst zu sich nehmen, davon zweimal frische Früchte, die mehr Spurenelemente und Vitamine enthalten. Die höchste Konzentration an natürlichen Antioxidanzien enthalten kleine rote Früchte wie Blau-, Brom-, Him- und Erdbeeren. Im Gegensatz dazu wirkten Antioxidanzien wie Vitamin C, E, A, Co-Enzym Q10, Melatonin, Quercetin, Selen und Zink aus chemischen Substanzen nicht präventiv, sondern erhöhten zum Teil in Studien das Krebsrisiko. Vitamin-A-Einnahme erhöhte das Lungenkrebsrisiko bei Rauchern, aber Vitamin A als Betacarotin in Aprikosen, Spinat, Grünkohl, Petersilie und Kresse heilt anders als synthetisches Vitamin A Leukoplakien.

Vitamin E in ungesättigten Fetten, Eiern, Wurst, Fisch, Getreide und Nüssen sowie hitzeresistente Lykopene in Tomaten gelten als protektiv für das Prostatakarzinom.

Schädliche Ernährung

Die Aufnahme von Mono- und Disacchariden mit schnellem Anstieg und Abfall des Glukosespiegels führt zu erneutem Hungergefühl und zu Übergewicht. Es sind wenige Spurenelemente vorhanden, und der Zuckerreichtum erhöht das Darmkrebsrisiko. Durch Muskelfleisch (Rind, Lamm, Schwein) steigt das Risiko für Darmkrebs. Dieses gilt vermutlich auch für Brust-, Pankreas-, Nieren- und Prostatakarzinome.

Heterozyklische Amine in gegrilltem, gebratenem oder frittiertem Fleisch erhöhen das Darmkrebsrisiko. Fettreiche Kost steigert das Risiko für Bronchial-, Darm-, Mamma- und Prostatakarzinom.

Gesättigte Fette, besonders tierische Fette, aber auch Kokos- und Palmöl, sollten gemieden werden. Mehrfach ungesättigte Fette, besonders mit Omega-3-Fettsäuren wie Fischöl, Walnussöl und Leinsamenöl, sind deutlich empfehlenswerter (vgl. auch Tabelle 2). Die Proteinaufnahme sollte z. B. durch getrocknete Hülsenfrüchte, Soja, Nüsse, Kerne und Weizenprodukte erfolgen.

Nahrungszubereitung

Beim Erhitzen von Endivien, Sellerie, grünem Salat, Fenchel, Spinat oder Rüben entstehen durch den hohen Nitrat­anteil karzinogene Nitrosamine. Empfehlenswert ist eine Zubereitung bei niedriger Temperatur durch Dampfkochen, Dünsten, Kochen, Pochieren und Schmoren zum Schutz von Thiamin und Vitamin C, das beim Kochen zerstört wird. Vitamin C wiederum schützt Vitamin A-, E- und B-Komplexe und steigert die Aufnahme von Folsäure und Eisen. Eine gemischte Aufnahme von leicht gekochten und rohen Gemüsen ist am besten. Es empfiehlt sich eine dunkle, kalte Aufbewahrung zur Erhaltung von Vitaminen und Spurenelementen, eine möglichst kurze Zeit zwischen Ernte und Nahrungsaufnahme und der Einsatz von wenig Salz zur Konservierung, zumal eine salzreiche Kost vermutlich Magenkrebs verursacht. Einfrieren ist eine gute Methode zum Erhalt der Vitamine. Die Aufbewahrung bei Raumtemperatur vermehrt Mykotoxine und Aflatoxin, die Leberkrebs verursachen. Hingegen wurde für Nahrungsmittelzusatzstoffe bisher eine Krebserzeugung nicht nachgewiesen.

Alkohol- und Nikotinabusus

Nikotinabusus führt zu Bronchial-, Larynx-, Ösophagus-, Kopf-, Hals-, Blasen-, Pankreas-, Nieren- und Magenkarzinomen. Das Risiko steigt mit Dauer und Intensität des Rauchens. Exraucher erreichen nie das Niveau von Nie-Rauchern. Passivraucher werden geschädigt durch viele karzinogene Substanzen. Nicht rauchende Ehegatten haben ein ca. 10 - 20 % erhöhtes Risiko für Lungenkrebs. Die Nikotinentwöhnung ist ein wichtiger Ansatz zur Tumorprävention, wobei die wirksamste Methode unklar ist. Der individuelle Ansatz scheint effektiver zu sein als eine Intervention z. B. am Arbeitsplatz. Nur 5 % der Raucher bleiben nach einer Entwöhnung abstinent, mit supportiver Therapie vervierfacht sich dies.

Alkohol erhöht das Krebsrisiko, vor allem für Oropharynx-, Ösophagus-, Leber-, und Mammakarzinome. Die Gesellschaftsfähigkeit von Alkohol und Nikotin ist problematisch. Möglicherweise kann eine Zugangsbegrenzung hier zur Verbesserung beitragen, intensive Unterstützung durch Ärzte und Hausärzte ist in jedem Fall erforderlich.

Wohnräume

Die Belastung mit Radon und die Strahlung in Wohnräumen erhöhen das Risiko für Bronchialkarzinome innerhalb Europas teilweise erheblich, in Deutschland nur selten. Innerhalb des Hauses werden durch Feststofföfen, d. h. besonders Kohleöfen, Tumoren erzeugt, in Osteuropa besteht hierdurch ein 24 % erhöhtes Risiko. Möglicherweise besteht ein geringes karzinogenes Risiko bei einer Dauerbelastung durch elektromagnetische Felder, Stromleitungen, Haushaltselektrik, Fernseher und Mobiltelefone durch mehr als 0,4 µT z. B. für eine Leukämie im Kindesalter. Definitive Aussagen sind nicht validiert, und ein Zusammenhang von Hirntumoren und Mobiltelefonnutzung konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Asbestexposition erhöht das relative Risiko auf 8,1 für Mesotheliome und 1,1 für Lungenkrebs.

Feinstaub

Feinstaubinhalation erhöht das Lungenkrebsrisiko und die Lokalisation ist von der Größe der inhalierten Partikel abhängig. Je kleiner die Partikel sind, desto tiefer gelangt der Staub aus Nasen- und Rachenraum in die Bronchien bis hin zu den Alveolen. Hohe Kontamination in hoch besiedelten Schwellenländern erhöht das Lungenkrebsrisiko 1,3 bis 1,5-fach. Schädigend wirken zudem z. B. Stickoxide, Formaldehyd und Benzol.

Beruflich verursachte Tumoren

...entstehen vor allem in Lunge und Pleura, Haut, Kehlkopf, Nasenhöhle, Hals, Rachen sowie Leber und Weichteilen. Aber auch Lymphome und Leukämien sind möglich. Es sind relativ wenige Menschen mit hoher Belastung betroffen. Ursächlich beteiligt ist Tabak durch Arbeit in Bars, Restaurants und Büros. Asbest verursacht besonders in Kombination mit Rauchen mehr als 75 bis 85 % der Mesotheliome bei Automechanikern, Abbrucharbeitern, Maschinenarbeitern und Elektrikern. Formaldehyd kann Tumoren bei Laborarbeit in Pathologie und Histologie erzeugen. Silikate können durch feine Partikel aus Sand, Felsen, in der Glasverarbeitung, Landwirtschaft und im Tunnelbau Lungenkrebs verursachen. Farbstoffe durch Arbeit mit aromatischen Aminen, bei Friseuren oder monatlichem Haarefärben können zu berufsbedingten Tumoren führen. Herbizide und Pestizide erhöhen bei Bauern und Kindern das Lymphomrisiko. Dioxin z. B. bei Müllverbrennungsanlagen und in der Papierfertigung kann Lymphome und Lungenkrebs verursachen.

Strahlung

Radioaktivität durch Atombomben oder den Unfall in Tschernobyl führte zu einer erhöhten Leukämierate unter den dort eingesetzten Arbeitern. In kontaminierten Regionen stieg die Rate an Schilddrüsenkarzinomen ebenso wie in Fallout-Regionen, wo zusätzlich das Leukämierisiko erhöht ist. Nicht ionisierende Strahlen werden am meisten als Radiofrequenzemission, z. B. bei Handys, diskutiert, jedoch ist kein erhöhtes Risiko nachgewiesen.

Bei Sonnenlicht und UV-Strahlung ist ein linearer Zusammenhang zwischen Sonnenlichtexposition und Plattenepithelkarzinomen nachgewiesen (Landarbeiter). Das Risiko für Melanome steigt vor allem mit der Zahl der Sonnenbrände. Andererseits senkt Sonnenexposition das Risiko für Non-Hodgkin-Lymphome, Darm-, Bronchial- und Mammakarzinome.

Viren

0,1 % aller asymptomatischen Hepatitis-B-Träger erkranken jährlich an einem hepatozellulären Karzinom (HCC). Als Prävention der sexuell übertragbaren Erkrankung sollte Kontakt mit Blut- und Körperflüssigkeiten vermieden und eine aktive Immunisierung weltweit durchgesetzt werden. Screening in der Schwangerschaft kann einer perinatalen Übertragung vorbeugen.

Bei der Tumorauslösung durch das humane Papillomavirus, insbesondere HPV 16 + 18 für das Zervixkarzinom, handelt es sich um eine sexuell übertragbare Infektion mit den Kofaktoren Rauchen, orale Kontrazeption, Abwehrschwäche, hohe Geburtenzahl, HIV- und Chlamydieninfektion. Risikofaktoren für Zervixkarzinome sind früher erster Geschlechtsverkehr, Promiskuität der Frau bzw. des Partners sowie eine frühe erste Geburt.

Das zytologische Screening alle drei bis fünf Jahre reduzierte die Mortalität deutlich. Eine HPV-Testung ist lediglich bei unklarem Abstrich sinnvoll. Eine prophylaktische Vakzinierung gegen HPV 16 kann theoretisch 17 bis 18 % aller Zervixkarzinome vermeiden. Praktisch ist dieser Nachweis noch nicht erbracht. Ungeklärt ist, ob die Impfung die Tumorhäufigkeit oder lediglich die Infektionsrate vermindert. Da ein Kondom gegen HPV schützt und sowieso zur Vermeidung einer HIV-Infektion verwendet werden sollte, ist dies die bessere Prophylaxe, sofern sie genutzt wird!

Medikamenteninduzierter Krebs

Zytostatika (z. B. Busulfan, Chlorambucil und Cyclophosphamid) können genauso Tumoren verursachen wie Präparate zur Therapie von Hauterkrankungen (Arsensalze, Psoralen und UV-Licht) oder die Östrogenersatztherapie. Auch Immunsuppressiva wie Azathioprin und Cyclosporin A sowie z. B. Phenazetin können karzinogen wirken. Bei pflanzlichen Medikamenten besteht häufig ein Mangel an Qualitätskontrolle bei Ernte und Zubereitung sowie eine nicht gut kontrollierte Herbizidkontamination. Nachgewiesen karzinogen ist das nicht mehr zugelassene Aristolochia fangchi, welches zu Blasenkrebs führt.

Sexualhormone

Östrogene und Androgene sind Mitverursacher von Mamma-, Endometrium- und Prostatakarzinomen, Letzteres ist bei Eunuchen unbekannt. Frühe Menarche, späte Erstgeburt und späte Menopause sind Einflussfaktoren für das Mammakarzinom. Kritisch ist daher, die Hormonersatztherapie im Klimakterium einzusetzen. Für die Verwendung von selektiven Östrogenrezeptormodulatoren (SERM) wie Tamoxifen liegen divergierende Studienergebnisse vor.

Hereditäre Tumorerkrankungen

Ca. 10 % der Mamma- und der kolorektalen Karzinome sind hereditär verursacht. Beim Mammakarzinom besteht meist eine autosomale Dominanz mit inkompletter Penetranz und einem Lebensrisiko von 40 bis 85 %. 3 bis 5 % der hereditären kolorektalen Karzinome betreffen nicht polypöse Kolonkarzinome (HNPCC) und 1 % die familiäre adenomatöse Polyposis (FAP). Bei einer klassischen FAP beträgt das Risiko für ein kolorektales Karzinom nahezu 100 %. Bei bekannter Familienanamnese werden Screening-Untersuchungen zur Früherkennung empfohlen (Tabelle 3 und 4).

Screening

Mammakarzinom

Das Mammographie-Screening ist ein wichtiger Faktor zur sekundären Prävention mit Verringerung der Brustkrebsmortalität. Es müssen sich 70 % der Frauen beteiligen, damit es erfolgreich ist. Sieben Studien zeigten einen positiven Effekt im Screening. Die Brustkrebsmortalität sinkt laut dem Cochrane-Review in der gescreenten Gruppe um 15 %, allerdings kommt es vermehrt zu unnötigen Eingriffen, und es werden viele langsam wachsende Tumoren und DCIS gefunden, die vermutlich nie biologisch relevant werden. Dies führt zu einer anhaltenden Kontroverse. Derzeit wird ein Mammographie-Screening bei über 50-jährigen Frauen als sinnvoll erachtet und mit einer 22%igen Reduktion der Mortalität bewertet.

Kolorektale Karzinome

Zu den Screening-Untersuchungen für 50 bis 74-Jährige gehört der Test auf okkultes Blut im Stuhl mit der Folge einer 16 %igen Mortalitätsreduktion, allerdings sollten falsch positive Befunde durch Vitamin C, Fleisch, rohe Früchte und ASS bedacht werden. Sinnvoll ist die digitale rektale Untersuchung sowie die Sigmoidoskopie alle fünf sowie die Koloskopie alle zehn Jahre.

Bronchialkarzinom

Im Screening könnte ein „Low-dose-multislice-CT“ zur Früherkennung sinnvoll sein. Fünf randomisierte Studien haben dies geprüft und sind zu dem Schluss gekommen, dass 55 bis 85 % der Tumoren bei der ersten und 60 bis 100 % bei der zweiten CT-Untersuchung in frühen Stadien entdeckt wurden. In Japan wird eine Verbesserung des Fünf-Jahres-Überlebens auf 76 % beschrieben. Hier müssen die Ergebnisse großer randomisierter Studien noch abgewartet werden.

Empfehlung

Zusammenfassend gibt es zehn wichtige Empfehlungen (vgl. Übersicht 1), die jeder für sich selbst umsetzen sollte.


Interessenkonflikte:
keine deklariert

Prof. Dr. med. Maike de Wit


Kontakt:
Prof. Dr. med. Maike de Wit
Klinik für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie
Vivantes Klinikum Neukölln
12351 Berlin

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2010; 32 (1) Seite 34-40