Als Arzt für Allgemeinmedizin berate ich häufig Patientinnen mit Pillenwunsch. Die Pille ist meines Wissens in letzter Zeit bezüglich Nebenwirkungen in Verdacht geraten. Was muss ich bei der Auswahl des Präparates beachten?

Antwort: Die Hormontherapie ist die sicherste Form der Verhütung, problemlos auch bei Frauen über 40 Jahren durchführbar. Am meisten werden Einphasenpräparate verwendet. Diese werden 21 Tage täglich eingenommen, dann folgt eine Wirkstoffpause von 7 Tagen und ab Tag 23/24 erfolgt die Menstruation. Wird das Präparat gewechselt bzw. eine neue Packung begonnen, nimmt man die erste Tablette nach der 7-tägigen Tabletten-Pause.

Wirkungsweise der Pille

Die klassische Pille zur Antikonzeption enthält Estrogen und ein Gestagen. Das Estrogen hat hierbei die Aufgabe, dass der Zyklus regelmäßig bleibt und dass es zu keinen Zwischenblutungen kommt. Eine weitere Aufgabe des Estrogens ist, den Eisprung zu verhindern. Gestagene sind auch für die Ovulationshemmung verantwortlich, verändern den Schleim des Gebärmutterhalses, indem er zäh und undurchdringlich wird, und verhindern die Entwicklung einer Gebärmutterschleimhaut, in der sich ein befruchtetes Ei einnisten könnte. Der Estrogenanteil besteht immer aus Ethinylestradiol (EE).

Um das Thromboembolierisiko gering zu halten und Nebenwirkungen wie das Spannen der Brust oder die Gewichtszunahme mit Wassereinlagerungen zu verringern, sollte EE in möglichst geringen Dosen (15 – 35 μg) rezeptiert werden. Der Gestagenanteil sollte nur aus Gestagenen der 1. und 2. Generation bestehen, wie Norethisteron und Levonorgestrel, da alle neueren Gestagene der 3. und 4. Generation mit einem deutlich höheren Thromboembolie-Risiko vergesellschaftet sind. Antikonzeptiva mit den Inhaltsstoffen Desogestrel, Drospirenon, Dienogest, Gestoden, Tibolon und Cyproteronacetat sollten, bis auf wenige Ausnahmen, grundsätzlich nicht verordnet werden.

Mögliche Nebenwirkungen

Unter allen niedrig dosierten EE-Präparaten (< 50 μg) ist das Thromboembolie-Risiko gering. Das Risiko steigt etwa um das 2- bis 5-Fache unter oraler Kontrazeption. Gestagene haben ein unterschiedliches Thromboembolie-Risiko, ein niedriges Risiko bei Levonorgestrel, Norethisteron, Norgestimat (5 – 7/10.000). Die Gestagene Cyproteronacetat, Drospirenon, Gestoden, Desogestrel, Etonogestrel, Norelgestromin und wahrscheinlich Chlormadinoenacetat, Dienogest, Nomegestrolacetat haben eine etwas erhöhte Inzidenz (9 – 12/10.000).

Das kardiovaskuläre Risiko steigt um den Faktor 1,5 – 2 hinsichtlich ischämischer Schlaganfälle und Myokardinfarkte, unabhängig vom Gestagen in der "Pille". Reine Gestagen-Kontrazeptiva sind nicht mit solch erhöhten Risiken assoziiert. Das absolute Risiko für Schlaganfälle, Myokardinfarkte und Thromboembolien ist bei Frauen über 40 Jahren generell deutlich höher als bei jüngeren Frauen und wird durch orale Kontrazeptiva (OK) weiter gesteigert. Frauen über 40 Jahre und solche mit Hypertonie sollten deshalb keine EE-haltigen OK einnehmen.

Die Benutzung von OK scheint das Gesamt-Karzinomrisiko eher zu reduzieren und das Brustkrebsrisiko nicht zu verändern. Sie erhöht aber signifikant das Risiko, an einem invasiven Uterus-Zervix-Karzinom zu erkranken, während der OK-Einnahme und bis zu zehn Jahre nach dem Absetzen. Eine engmaschige jährliche Krebsvorsorge mit Zervix-Abstrichen ist deshalb empfehlenswert.


Quelle:
Wiegratz, Inka; Thaler, Christian J. (2011): Hormonale Kontrazeption – was, wann, für wen? Dtsch Arztebl Int; 108 (28 – 29): 495 – 506; DOI: 10.3238/arztebl.2011.0495


Autor:

Dr. med. Reto Schwenke

Facharzt für Allgemeinmedizin
75045 Walzbachtal

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (20) Seite 80