Die Anzahl von Herzschrittmacherpatienten nimmt zu. Gleichzeitig gibt es immer mehr elektromagnetische Störquellen. Dennoch sind die meisten theoretisch vorhandenen Störsituationen praktisch ungefährlich. Denn zum einen ist die Wirkdauer meist sehr kurz, zum anderen lässt sich die Gefahr durch richtiges Verhalten minimieren. Dazu ist jedoch Aufklärung und bewusstes Handeln erforderlich.

In Deutschland [2] hat sich die Zahl der Erstimplantationen von 28 000 im Jahre 2002 auf nunmehr 70 000 erhöht. Gleichzeitig sind die letzten Jahre von einer starken Zunahme elektromagnetischer Feldquellen im Alltag geprägt, die auch in Zukunft weiter anhalten wird. Damit nimmt auch die Möglichkeit elektromagnetischer Störbeeinflussungen von Herzschrittmachern zu. Für die elektromagnetischen Felder bestehen in Deutschland zwar Grenzwerte, diese regeln jedoch nur Emissionen von ortsfesten Niederfrequenz- und Hochfrequenzanlagen und berücksichtigen überdies die möglichen Auswirkungen auf elektronische Implantate nicht [1].

Die Achillesferse der Herzschrittmacher

Um die Funktion zu optimieren, werden moderne Herzschrittmacher durch die elektrische (Rest-)Aktivität des Herzens gesteuert. Dazu muss das intrakardiale EKG gemessen werden. Dies ist gleichzeitig die Achillesferse der Methode. Äußere elektromagnetische Felder können nämlich auf diese Weise in den Herzschrittmacher elektrische Störsignale einkoppeln. Wenn sie mit dem EKG verwechselt werden, können sie daher das Gerät in die Irre führen.

Wie reagiert ein Herzschrittmacher auf Störfelder?

Zu starke Störsignale sind unphysiologisch hoch und können so erkannt werden. In diesem Fall wird der Herzschrittmacher in einen Sicherheitsbetrieb umgeschaltet, in dem so lange mit einer festen Herzrate stimuliert wird, bis die Störsituation beendet ist und das Gerät in den ursprünglichen Betriebszustand zurückkehrt. Wenn das Störsignal jedoch weder zu stark noch zu schwach ist und daher geeignet ist, um mit dem EKG verwechselt zu werden, hängen die Auswirkungen für Patienten von der Art des Herzschrittmachers ab.

Demand-Herzschrittmacher (Codezeichen „I“) werden bei jenen Patienten eingesetzt, die noch über eine Rest-Eigenfunktion des Herzens verfügen. Sie geben nur dann Stimulationsimpulse an das Herz ab, wenn der eigene Herzschlag länger als ein vorgegebenes Intervall ausbleibt. Ein Störsignal bewirkt daher, dass die Abgabe der Stimulationsimpulse unterdrückt (inhibiert) wird. Wenn längere Zeit die Eigenaktivität ausfällt und zusätzlich gleichzeitig die Störbeeinflussung in geeigneter Größe vorhanden ist, kann es zu Blutdruckabfall und zu Schwindelgefühl, im hypothetischen Extremfall zum Tod kommen. Nach Ende der Störsituation kehrt der Herzschrittmacher automatisch in den ursprünglichen Betriebszustand zurück.

Getriggerte Herzschrittmacher (Codezeichen „T“) werden z. B. bei Unterbrechung der kardialen Reizleitung (z. B. AV-Block) eingesetzt. Auch sie messen über eine Elektrode die vorhandene Eigenerregung, z. B. am Vorhof, und benützen dieses Signal als Trigger zur entsprechend zeitverzögerten Abgabe eines Stimulationsimpulses an die zu stimulierende Kammer. Störsignale stellen daher eine ständige Aufforderung zur Stimulation dar. Die Stimulationsrate wird jedoch nur so lange erhöht, bis die im Herzschrittmacher vorgegebene Grenze erreicht ist (Hochlauf-Schutz). Patienten merken diesen Zustand als Herzklopfen. Nach Ende der Störsituation kehrt der Herzschrittmacher automatisch in den ursprünglichen Betriebszustand zurück.

Festfrequente Herzschrittmacher (Codezeichen „0“) messen die Herzaktivität nicht. Sie stimulieren mit einer fest vorgegebenen Herzrate und sind daher störunempfindlich.

Programmierbare Herzschrittmacher (Codezeichen „D“) ermöglichen grundsätzlich alle Betriebsarten. Die Stimulationsart und die Stimulationsparameter werden erst durch ein externes Programmiergerät eingestellt. Aus diesem Grund besteht zusätzlich das Risiko, dass Störsignale zu einer Umprogrammierung führen könnten, die allerdings nicht reversibel ist, sondern bis zur nächsten Kontrolle bestehen bleiben würde.

Warum sind Herzschrittmacher nicht störunempfindlich?

Zwar bestehen für Herzschrittmacher Sicherheitsvorschriften, die eine gewisse Immunität gegenüber äußeren elektromagnetischen Feldern fordern [3, 4]. Tatsächlich sind Herzschrittmachermodelle im Lauf der Zeit störfester geworden, eine Störbeeinflussung durch in der Umwelt auftretende elektromagnetische Felder lässt sich jedoch auch heute nicht grundsätzlich ausschließen. Die Störempfindlichkeit des Herzschrittmachers hängt von der Stimulationsart und der Einstellung der Empfindlichkeit für EKG-Signale ab. Am störunempfindlichsten (abgesehen von festfrequenten Modellen) sind Herzschrittmacher mit bipolarer Stimulation. Diese wird auch grundsätzlich bevorzugt [2]. Die Empfindlichkeit für EKG-Signale wird für Patienten individuell eingestellt. Aus diesen Gründen kann die Störempfindlichkeit von Herzschrittmachern beim gleichen Herzschrittmachermodell von Patient zu Patient verschieden sein, sich aber auch beim selben Patienten im Lauf der Zeit ändern.

Was kann die Herzschrittmacherfunktion stören?

Störquellen für (monopolare) Herzschrittmacher sind im Alltag vielfältig. Dazu zählen z. B. am Körper getragene Magnete (z. B. Magnetverschlüsse von Halsketten oder Dessous), wobei besonders im offenen Zustand höhere, wenngleich mit zunehmender Entfernung sehr schnell abnehmende magnetische Gleichfelder auftreten können, die die Umschaltung in den festfrequenten Mode bewirken könnten. Elektrogeräte, z. B. Bohrmaschinen und Küchengeräte, können Magnetfelder erzeugen, die vor allem bei körpernaher Anwendung zu Störbeeinflussungen führen können [8]. Störbeeinflussungen wurden bei Induktionsherden [5, 9] auch bei bipolaren Herzschrittmachern festgestellt, insbesondere, wenn der Kochtopf seitlich zum Kochfeld verschoben war. Störbeeinflussungen können auch unter Hochspannungsleitungen, bei Diebstahlsicherungsanlagen und Sicherheitsschleusen nicht ausgeschlossen werden [6, 10].

Die Störbeeinflussung durch Handys hängt von der Sendefrequenz ab. Sie ist am größten bei 900 MHz GSM-Aussendungen und am geringsten bei 2 GHz UMTS-Signalen [7]. Da Handys nicht ausschließlich nur mit einer Frequenz senden, sondern sich auf das jeweils verfügbare Netz einstellen, sind Störbeeinflussungen jedenfalls nicht auszuschließen, wenn das Handy direkt über dem Schrittmachergehäuse getragen wird.

Wie kann man sich gegen Störbeeinflussungen schützen?

Auch wenn die Anzahl von elektromagnetischen Störquellen im Alltag zunimmt, können Herzschrittmacherpatienten ein unbehindertes Leben führen. Kurzzeitige Störbeeinflussungen sind im Alltag häufig zwar nicht vermeidbar, aber gesundheitlich meist ohne Bedeutung. Sie können jedoch die diagnostische Auswertung der abgespeicherten kardialen Ereignisse erschweren. Die Anzeichen von länger andauernden relevanten Störbeeinflussungen sind meist je nach Herzschrittmacher-Typ von Patienten als Herzklopfen oder Schwindelgefühl erkennbar. Zum Schutz vor Störbeeinflussungen dienen folgende Tipps:

  • Herzschrittmacherpatienten müssen die Art ihres Herzschrittmachers, seinen Implantationsort und die zu erwartenden Störbeeinflussungs-Symptome kennen.
  • Herzschrittmacherpatienten sollten ihren Schrittmacherausweis stets bei sich tragen. Im Fall einer Notsituation, insbesondere vor Defibrillation, kann die Information über den Herzschrittmacher lebensrettend sein.
  • Störquellen sind zu vermeiden, erst recht, wenn sie sich durch ausgelöste Symptome bemerkbar machen. Beim Kauf von Elektrogeräten sollten emissionsarme Geräte bevorzugt werden.
  • Die elektromagnetischen Emissionen von Elektrogeräten, die nieder- oder hochfrequente Felder erzeugen, nehmen mit der Entfernung rasch ab. Grundsätzlich reicht es daher, die unmittelbare Nähe der Geräte zum Herzschrittmacher zu meiden. Bereits ein Abstand im Bereich von Dezimetern hilft, Störsituationen zu vermeiden.
  • Hochfrequente Feldquellen wie Handys, iPods, Funkgeräte und Funkfernsteuerungen etc. sind für Herzschrittmacherpatienten zwar nicht grundsätzlich kontraindiziert. Sie sollten jedoch nicht in unmittelbarer Nähe bzw. direkt über dem Herzschrittmacher getragen und betrieben werden.
  • Der Aufenthalt in unmittelbarer Nähe unvermeidbarer Störquellen (z. B. Diebstahlsicherungsanlagen) ist kurz zu halten. Sicherheitsschleusen sollten zügig durchschritten werden.
  • Bei medizinischen Untersuchungen oder Behandlungen (z. B. Magnetresonanzuntersuchung, Diathermie) sollten Patienten auf den Herzschrittmacher hinweisen, wenn dies nicht ohnehin routinemäßig erfragt wird.
  • Für Herzschrittmacherpatienten bedenkliche Bereiche werden durch das Warnsymbol „für Herzschrittmacherpatienten verboten“ gekennzeichnet. Patienten sollten auf das Symbol achten und entsprechend reagieren.
  • Bei vom Arzt vorgenommener Umprogrammierung des Herzschrittmachers (Umstellung von Bipolar- auf Monopolarbetrieb, Erhöhung der Empfindlichkeitseinstellung) sind Patienten auf das geänderte Störverhalten hinzuweisen und darauf, dass bisher unkritische Situationen zu Störbeeinflussungen führen könnten.
  • Die Grenzwerte für die Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern sind für Berufstätige fünffach höher als für die Allgemeinbevölkerung. Falls erforderlich, ist der Arbeitgeber nach Implantation auf den Herzschrittmacher hinzuweisen.


Unter „elektromagnetisch“ werden in dieser Arbeit nicht nur die hochfrequenten Felder, sondern – physikalisch nicht ganz korrekt – auch die elektrischen und magnetischen Felder im niederfrequenten Bereich einschließlich der statischen Felder verstanden.


Literatur
1. BImschV (1996) Sechsundzwanzigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsgesetzes. BGBl Teil 1 Nr. 66, 20. Dezember 1996
2. Deutsches Herzschrittmacher- Register (2011) www.pacemaker-register.de, zuletzt besucht am 24. November 2011
3. EN 45502-1 (1997) Aktive implantierbare medizinische Produkte, Teil: Allgemeine Festlegungen für die Sicherheit. CENELEC
4. EN 45502-2-1 (2003) Aktive implantierbare medizinische Geräte. Teil 2-1: Besondere Festlegungen für aktive implantierbare Geräte zur Behandlung von Bradyarrhythmien. CENELEC
5. Irnich W, Bernstein AD (2006) Do induction cooktops interfere with cardiac pacemakers? Europace 8(5):377-384
6. Irnich W (2002) Electronic security systems and active implantable medical devices. Pac Clin Electrophysiol. 25(8):1235-1258
7. Ismail MM, Baldreldin AM, Heldwein M, Hekmat K (2010) Third generation mobile phoines (UMTS) do not interfere with permanent implanted pacemakers. Pac Clin Electrophys 33(7):860-864
8. Leitgeb N, Cech R, Schröttner J, Lehofer P, Schmidpeter U, Rampetsreiter M (2008) Magnetic emission ranking of electric appliances. A comprehensive market survey. Radiat Pro. Dosim. 129:439-445
9. Nagamoto T, Abe H, Kohno R, Toyoshima T, Fujimoto H, Kondo S, Kabashima N, Takeuchi M, Tamura M, Okazaki M, Otsuji Y (2009) Electromagnetic interference with a bipolar pacemaker by an induction heating (IH) rice cooker. Int Heart J. 50(1):133-137
10. Scholten A, Joosten S, Silny J (2005): Unipolar cardiac pacemakers in electromagnetic fields of high voltage overhead lines. J med Eng Technol 29(4):170-175

Interessenkonflikte:
keine deklariert

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Norbert Leitgeb


Kontakt:
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Norbert Leitgeb
Institut für Health Care Engineering mit Europaprüfstelle für Medizinprodukte
Technische Universität Graz
A-8010 Graz

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2012; 34 (2) Seite 32-37