Rhinosinusitis, Ohrenschmerzen, Halsschmerzen, Husten sowie Abgeschlagenheit/Gliederschmerzen waren die fünf Beschwerdekomplexe von Erkältungssymptomen, zu denen 48 hausärztlich tätige Kolleginnen und Kollegen ihr therapeutisches Arsenal preisgaben. Lesen Sie, worin sich die "Schwarmintelligenz" der Listserver-Mitglieder einig ist und welche Tipps eher Einzelmeinungen darstellen.

Beratungsproblem Erkältung
Patienten, die sich mit Husten, Schnupfen oder Halsschmerzen quälen, bevölkern zu dieser Jahreszeit die hausärztlichen Wartezimmer in besonderem Maße. Und sie erwarten sich oft mehr von ihrem Doc als eine AU: die Versicherung, dass es wirklich nur ein banaler Infekt ist, die Verordnung oder wenigstens die Empfehlung eines hilfreichen Medikaments oder Tipps für bewährte Hausmittel. Zum Abschluss unserer Serie zum Thema "Erkältungs-Tipps" möchten wir Ihnen gerne die Daten einer Befragung vorstellen, die der Allgemeinarzt Stefan Lodders, Halle, im Diskussionsforum Listserver – Allgemeinmedizin erhoben hat.

Die Befragung lief vom 4. bis zum 8. November 2016. In den Tabellen 1 bis 5 sind die Empfehlungen im Einzelnen aufgeführt, wobei jeweils mehrere Maßnahmen genannt werden durften. Es fällt auf, dass bei vier der fünf Beschwerdekomplexe jeweils ein eindeutiger Favorit existiert, der die Nase im Vergleich zu den übrigen aufgeführten Maßnahmen mit 79,2 bis 89,6 % deutlich vorne hat. Bei der Rhinosinusitis waren das Nasentropfen (-spray), bei Ohrenschmerzen und bei Hals-/Schluckbeschwerden sowie bei Gliederschmerzen/Abgeschlagenheit das orale Analgetikum.

Etwas anders sah es bei Husten/Bronchitis aus. Hier erwies sich das therapeutische Spektrum als heterogener. Die Empfehlung auf Platz 1 – Inhalationen/Dampfbäder – nannten nur 43,7 % der Allgemeinärzte, gefolgt von Phytotherapie (35,4 %) mit vielen verschiedenen Wirkstoffen und Mukolytika (31,2 %).

Zurückhaltung bei Antibiotika

Den Einsatz von Antibiotika befürwortete ein relativ kleiner Teil der Befragten, davon am häufigsten bei Ohrenschmerzen (sechs Nennungen). Nur drei Kollegen würden bei Halsschmerzen Antibiotika einsetzen, allerdings nur bei einer bakteriellen Infektion. Bei Rhinosinusitis und Husten/Bronchitis erwogen jeweils zwei Kollegen auch eine Antibiotikatherapie, ebenfalls jedoch nur bei kompliziertem Verlauf bzw. anhaltenden Beschwerden.

Individuelle Konzepte

Einige Statements von Hausärzten, die sich besonders viel Mühe gegeben haben, ihr therapeutisches Konzept darzustellen, das sich in den Tabellen – obwohl die Einzelmaßnahmen natürlich enthalten sind – in seiner Komplexität so nicht abbilden lässt, möchten wir Ihnen nicht vorenthalten. So schrieb ein Kollege: "Für alle diese Infekte gilt, dass meine Empfehlungen mit abhängen von dem, was der Patient von mir erwartet. Das ist bei langjährigen Patienten unserer Praxis anders als z. B. bei Vertretungspatienten, die tendenziell mehr Aktionismus erwarten. Also wird zuerst besprochen, dass und warum keine Antibiose indiziert ist, anschließend, dass es Medikamente gibt, die die Symptome lindern, aber darum nicht unbedingt gesünder machen (z. B. Paracetamol, ASS). Meistens frage ich, was sie schon gemacht haben bzw. normalerweise machen, wenn sie krank sind. Wenn es nicht gerade bei 39 Grad Fieber Grippostad® und weiterarbeiten ist, sondern danach klingt, dass es der Gesundheit förderlich ist, ermutige ich, das zu tun." Zum Thema "Ohrenschmerzen" schrieb ein Kollege: "48 Stunden watch and wait mit abschwellendem Nasenspray und NSAR. Erläuterung, dass mehr als 2/3 der Otitiden viral bedingt sind, eventuell Antibiotikumrezept mitgeben. Aufklärung über Harmlosigkeit, wenn Flüssigkeit aus dem Ohr kommt (perforiertes Trommelfell, Schmerzen werden besser)."

Abwarten als Option

In der Rubrik Hals-/Schluckbeschwerden bot ein Kollege als Beratungsalternative an: "Sie können auch nix machen und es geht von alleine weg, machen Sie, was Ihnen guttut." Die Strategie des Abwartens – zumindest als eine mögliche Option – wurde übrigens in allen fünf Beschwerdebereichen genannt, von minimal zwei (Ohrenschmerzen) bis maximal sieben (Husten) Kollegen.

Evidenz kontra Erfahrung

In der Rubrik "Husten/Bronchitis" schrieb ein Kollege: "Wider besseres Wissen empfehle ich häufiger Kochsalz-Dampf-Inhalationen (es gab Negativ-Evidenz in einem Cochrane-Review), außerdem heißes Schwitzbad, danach feuchtkalter Wickel auf die Brust, dann heiße Wärmflasche außen drauf, Federbett, Lindenblütentee." In dieser Rubrik herrschte die geringste Einigkeit unter den Kollegen, die therapeutische Palette wies die größte Vielfalt auf. Als besonders beliebt erwiesen sich verschiedene Phytotherapeutika und Mukolytika. Antitussiva setzten 14 Kollegen ein, betonten aber fast alle, Codeinpräparate nur sehr zurückhaltend zu verordnen, zur Nacht bzw. bei quälendem Reizhusten. Ein Kollege betonte, dass er keine Antitussiva verordne.

Wir hoffen, dass Ihnen diese Zusammenstellung eine Bestätigung Ihrer eigenen Vorgehensweise oder auch Anregungen bisher nicht genutzter Möglichkeiten bieten konnte. Auf jeden Fall hat diese umfassende Datensammlung in kürzester Zeit gezeigt, wie wertvoll die "Schwarmintelligenz" der kostenlosen Plattform "Listserver Allgemeinmedizin" sein kann. Sind Sie auch schon angemeldet? Falls nicht, können Sie das hier nachholen: http://www.degam.de/allgemeinmed-listserver.html



Autorin:
Dr. Vera Seifert



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (4) Seite 53-57