Meine jetzt 50-jährige Patientin hat vor zehn Jahren einen schweren Herpes Zoster im Gesichtsbereich durchgemacht. Noch immer leidet sie unter hartnäckigen, therapieresistenten Neuralgien im ehemaligen Zosterbereich. Wie kann ich ihr helfen?

Antwort: Hier wird der Fall einer Patientin mit einer postzosterischen Neuralgie im Gesicht geschildert. Typische Symptome dieses neuropathischen Schmerzsyndroms sind ein brennender, stechender oder einschießender Schmerz und in vielen Fällen eine mechanische Überempfindlichkeit, eine sogenannte Allodynie. Begleitend dazu können Dysästhesien, also Missempfindungen, und Hypästhesien, also Empfindungsstörungen für thermische und mechanische Reize, bestehen. Auch Überempfindlichkeiten gegen thermische Reize sind möglich.

Zu hoch gesteckte Ziele vermeiden

In erster Linie sollte der postzosterischen Neuralgie bei prädisponierten Patienten (u. a. ältere Patienten, Patienten mit Befall des N. ophthalmicus etc. [2]) durch eine antivirale Therapie in der Akutphase des Herpes Zoster vorgebeugt werden (z. B. mit Valaciclovir, Brivudin etc.) [3].

Liegt eine postzosterische Neuralgie vor, sollte eine suffiziente Schmerztherapie möglichst früh initiiert werden, um einer Schmerzchronifizierung entgegenzuwirken. Leider kann nur in seltenen Fällen unter Medikation eine völlige Schmerzfreiheit erzielt werden. Realistische Ziele einer Therapie sind eine Schmerzreduktion um 30 – 50 %. Dies sollte den Patienten rechtzeitig kommuniziert werden, um zu hoch gesteckte Erwartungen und Enttäuschungen zu vermeiden.

Substanzklassen zur Schmerztherapie

Die zur Therapie einer postzosterischen Neuralgie infrage kommenden Substanzklassen sind Antidepressiva, Antikonvulsiva, Opioide und topische Präparate.

Antidepressiva:

Antidepressiva wirken über eine Wiederaufnahmehemmung von monoaminergen Transmittern (Noradrenalin und/oder Serotonin) auf spinaler Ebene und erhöhen dadurch die Wirkung der deszendierenden schmerzhemmenden Systeme des zentralen Nervensystems. In der Therapie neuropathischer Schmerzsyndrome ist die Anwendung kombinierter Wiederaufnahmehemmer (z. B. Amitriptylin, Nortriptylin, Duloxetin) anzustreben. Die wirksame Tagesdosis liegt in der Regel unter der antidepressiv wirksamen Dosis.

Antikonvulsiva:

Die Wirksamkeit der Substanzen Gabapentin und Pregabalin zur Behandlung einer postzosterischen Neuralgie konnte in kontrollierten Studien nachgewiesen werden [5, 8]. Sie entwickeln ihre analgetische Wirkung über die Bindung an die α2δ-Untereinheit von Kalziumkanälen im zentralen Nervensystem.

Opioide:

Oral verabreichtes Oxycodon und Tramadol sind bei der Behandlung der PZN nachweislich wirksam [1, 9]. Dabei sind die Grundregeln für den Gebrauch von Opioiden, insbesondere eine langsame Titration, Ausschluss einer Suchtanamnese, regelmäßige Kontrolle der Compliance und der Wirkung (Schmerztagebuch), einzuhalten.

Nebenwirkungen wie Obstipation und Übelkeit sollten prophylaktisch behandelt werden. Zuerst sollten immer Opioide der Stufe II (z. B. Tramadol), dann erst Opioide der Stufe III (z. B. Morphin) eingesetzt werden. Langwirksame Präparate (Retardpräparate, Pflasterapplikationen) müssen bevorzugt werden.

Topische Analgetika:

Als Option zur topischen Therapie bietet sich bei der postzosterischen Neuralgie die Anwendung eines Lidocainpflasters an. Die Anwendung dieses kutan applizierbaren Wirkstoffs ist insbesondere im Rahmen einer Kombinationstherapie sinnvoll. Systemische Wirkungen unter topischer Therapie sind bisher nicht bekannt. In bisherigen Studien und in der klinischen Praxis zeigte sich, dass insbesondere die Patienten, die eine erhaltene Empfindungsfähigkeit der Haut besitzen oder unter einer Überempfindlichkeit der Haut auf Berührung oder thermische Reize leiden, von einer topischen Therapie profitieren.

Mehrere Studien dokumentierten den analgetischen Effekt von Lidocain, insbesondere als Pflasterapplikation, der innerhalb von vier bis zwölf Stunden nach Anwendung auftrat [4, 6, 7]. Die Lidocainserumspiegel lagen dabei um ein Vielfaches unter der antiarrhythmisch wirksamen Dosis.

Allgemeine Regeln

Eine Grundregel der medikamentösen Therapie neuropathischer Schmerzen besagt, dass ein Präparat zwei bis vier Wochen konsequent eingenommen werden sollte, bevor die finale Wirksamkeit beurteilt werden kann. Versagt die Monotherapie der Neuralgie, sollten andere Wirkstoffe zur Behandlung neuropathischer Schmerzen erprobt werden. Kann auch damit keine schmerzlindernde Wirkung erzielt werden, sollte frühzeitig die Möglichkeit einer Kombinationstherapie in Erwägung gezogen werden.▪


Dr. med. Friederike Mahn


Kontakt
Dr. med. Friederike Mahn
Prof. Dr. med. Ralf Baron
Sektion Neurologische Schmerzforschung und -therapie
Klinik für Neurologie
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
24105 Kiel

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2012; 34 (7) Seite 49-50