Ein erniedrigter TSH-Wert kann eine ganze Reihe von Ursachen haben: von einer übermäßigen Thyroxin-Substitution über Thyreotoxikose bis zur latenten Hyperthyreose oder nicht schilddrüsenbedingten Erkrankungen. Wie eine sinnvolle Diagnostik aussehen kann und ob eine Behandlung erforderlich ist, wird im folgenden Beitrag dargestellt.

Anhand einer Kasuistik schildern Ärzte aus Großbritannien im British Medical Journal das Vorgehen bei erniedrigten TSH-Werten [1]: Bei einer 66-jährigen Patientin, die noch drei Wochen nach einer Atemwegsinfektion unter Abgeschlagenheit litt, hat der Hausarzt bei der körperlichen Untersuchung eine kleine multinoduläre Struma entdeckt und die Bestimmung von TSH veranlasst. Es ergab sich ein Wert von 0,06 mU/l (Referenzbereich: 0,4 – 4,0 mU/l). Symptome einer Thyreotoxikose wie Tachykardie, Vorhofflimmern, Tremor, feucht-warme Hände oder ophthalmologische Zeichen eines Morbus Basedow waren nicht vorhanden. Medikamente, die den Befund erklären könnten (Levothyroxin, Amiodaron), nahm sie nicht ein. Der nächste Schritt besteht darin, die peripheren Schilddrüsenhormone zu bestimmen (vgl. auch Abbildung).

Ft4 erhöht

Sind die Ft4-Werte erhöht, liegt eine Thyreotoxikose vor. Darunter versteht man einen Überschuss an zirkulierenden Schilddrüsenhormonen. Dies kann durch eine Überaktivität der Schilddrüse zustande kommen – dann spricht man von Hyperthyreose. Aber auch eine Überdosierung von Levothyroxin, Viren, Medikamente (Amiodaron, Interferon-alpha, Lithium) oder eine Autoimmunthyreoiditis (z. B. postpartale Thyreoiditis) als Auslöser sind denkbar. In diesem Fall sollte ein Endokrinologe konsultiert werden.

Die häufigste Ursache einer Hyperthyreose ist der Morbus Basedow. Die typischen ophthalmologischen Zeichen sind allerdings nur bei einem Drittel der Patienten vorhanden. Gesichert wird der Verdacht durch eine Bestimmung der TSH-Rezeptor-Antikörper, Sensitivität und Spezifität liegen bei ca. 95 %. Mögliche Differentialdiagnosen einer Hyperthyreose sind das toxische Adenom und die toxische multinoduläre Struma.

Bei einer viralen (subakuten) Thyreoiditis leiden die Patienten unter Schilddrüsenschmerzen. Zudem ist die Blutsenkungsgeschwindigkeit erhöht. Bei der postpartalen Thyreoiditis lassen sich Antikörper gegen die Schilddrüsenperoxidase nachweisen. Bei der Schilddrüsenszintigraphie mit Technetium-99 fällt eine geringe oder gar keine Aufnahme des Isotops in die Schilddrüse auf.

Ist der fT4-Wert normal, der fT3-Wert jedoch erhöht, könnte es sich um ein frühes Stadium einer Hyperthyreose handeln (sogenannte T3-Toxikose). Erhöhte fT4-Werte bei normalem fT3 sprechen für eine übermäßige Jodzufuhr.

fT4 normal

Bewegen sich fT4 und fT3 im Normbereich, handelt es sich entweder um eine latente Hyperthyreose oder um eine vorübergehende Anomalie aufgrund einer nicht schilddrüsenbedingten Erkrankung. In diesem Fall sollte man TSH nach sechs Wochen erneut bestimmen. Ist der Wert dann wieder normal, liegt die zweitgenannte Möglichkeit nahe. Denn jede akute Erkrankung kann die Dejodierung der Schilddrüsenhormone beeinflussen und zu Veränderungen von TSH, fT4- oder fT3-Werten führen. Deshalb sollte man während oder unmittelbar nach einer akuten Erkrankung besser auf die Bestimmung von Schilddrüsenparametern verzichten.

Bleibt der TSH-Wert auch nach sechs Wochen erniedrigt und fT3/fT4 normal, liegt per definitionem eine latente Hyperthyreose vor. Laut einer US-Studie haben 4 % der schwarzen Bevölkerung, aber nur 1,4 % der weißen erniedrigte TSH-Werte. Auch Raucher haben geringfügig erniedrigte TSH-Spiegel und im ersten Trimenon der Schwangerschaft ist TSH oft erniedrigt. Ältere Menschen weisen generell – sowohl nach oben als auch nach unten – eine breitere Streuung der TSH-Werte auf.

Bei ungefähr der Hälfte der Personen mit erniedrigten TSH-Spiegeln pendeln sich die Werte innerhalb von fünf Jahren wieder im Referenzbereich ein.

fT4 erniedrigt

Niedrige fT4-Spiegel bei niedrigem TSH könnten die Folge einer sekundären Hypothyreose infolge einer hypothalamischen Störung sein. In diesem Fall sind fast immer auch Anzeichen für einen Hypogonadismus (Amenorrhoe, Impotenz, Verlust der Körperhaare) vorhanden. Auf jeden Fall sollte ein Endokrinologe hinzugezogen werden.

Zurück zum Fall

Bei der eingangs geschilderten Patientin waren fT4 und fT3 im Serum normal, so dass nach sechs Wochen TSH erneut bestimmt wurde. Diesmal ergab sich ein noch leicht erniedrigter Wert von 0,27 mU/l. Dieser Befund erklärt sich am ehesten durch eine leichte latente Hyperthyreose durch die multinoduläre Struma. Dabei war die Erniedrigung des TSH wohl ursprünglich durch den Atemwegsinfekt verstärkt worden.

Latente Hyperthyreose

Bei der latenten Hyperthyreose reicht die verstärkte Aktivität der Schilddrüse zwar aus, um die TSH-Produktion zu drosseln, nicht aber, um die peripheren Schilddrüsenhormone ansteigen zu lassen. Welchen Krankheitswert hat ein solcher Befund nun? Man weiß, dass bei Menschen mit erniedrigten TSH-Werten das Risiko für Vorhofflimmern ansteigt. Außerdem vermindert sich die Knochendichte, was die Rate an Hüftgelenkfrakturen bei älteren Männern und postmenopausalen Frauen um das Drei- bis Vierfache erhöht. Möglicherweise steigt auch das Demenzrisiko bei latenter Hyperthyreose an, dazu liegen jedoch widersprüchliche Daten vor. Eine neuere Metaanalyse konnte eine um 24 % erhöhte Mortalität bei latenter Hyperthyreose nachweisen.

Mit steigendem Alter nimmt die Häufigkeit von latenter Hyperthyreose zu und bei 1 – 3 % der älteren Patienten entwickelt sich pro Jahr eine manifeste Hyperthyreose. Eine stärkere Progression ist bei jüngeren Patienten sowie bei Patienten mit autonomen Schilddrüsenknoten zu erwarten.

Behandeln oder abwarten?

Soll man nun eine latente Hyperthyreose behandeln? In den von amerikanischen Fachgesellschaften veröffentlichten Leitlinien wird empfohlen, bei Patienten mit anhaltend niedrigen TSH-Werten (< 0,1 mU/l) eine Behandlung zu erwägen, wenn hsie älter als 65 Jahre sind oder sich in der Postmenopause befinden und ein Osteoporoserisiko haben. Zudem ist eine Behandlung ratsam bei über 65-Jährigen mit kardialen Risikofaktoren oder Symptomen einer Thyreotoxikose. In allen anderen Fällen ist zumindest eine jährliche Kontrolle der TSH-Werte und der peripheren Schilddrüsenhormone zu empfehlen, um den Beginn einer manifesten Hyperthyreose frühzeitig zu erfassen. Zudem müssen die Patienten darüber aufgeklärt werden, auf verdächtige Symptome (s. o.) zu achten und dann ggf. den Arzt zu konsultieren.

practica - Schilddrüse
Zu o. g. Thema gibt es auf der diesjährigen practica das Seminar „Von der Studien­evidenz in die Hausarztpraxis: Schilddrüse & Prostata“, 24.10.2014, 9:00 bis 12:30 Uhr, Seminarleiter: Dr. med. Til Uebel

Im Fall unserer Patientin wurde eine Radiojodtherapie diskutiert. Diese sowie eine thyreostatische Langzeitbehandlung und eine Operation lehnte sie jedoch ab. Die Knochendichtemessung ergab keinen auffälligen Befund und man einigte sich auf jährliche Blutuntersuchungen beim Hausarzt.

Dr. med. Vera Seifert


Literatur
1) Weetmann A. P. et al.: Investigating low thyroid stimulating hormone (TSH) level; BMJ 2013; 347: f6842 [doi: 10.1136/bmj.f6842]

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 35 (14) Seite 64-69