Selbst beim besten Zeitmanagement lassen sich an manchen Tagen längere Wartezeiten in der Hausarztpraxis nicht vermeiden. Dann ist es wichtig, dass sich die Patienten in dieser Zeit zumindest möglichst wohlfühlen und die Wartezeit angenehm und dadurch geduldiger verbringen können. Auch deshalb sind Planung, Einrichtung, Farb- und Lichtkonzept sowie die Atmosphäre von Wartebereichen ein Thema, das bei Projekten für eine neue Arztpraxis viel Aufmerksamkeit braucht – sowohl vom Arzt selbst als auch von den Praxisplanern.

Die Patienten wissen ziemlich genau, was sie schon beim Reinkommen in die Praxis von den Räumlichkeiten erwarten: "Wenn ich eine Arztpraxis betrete, erwarte ich generell einen offenen, aufgeräumten Anmeldebereich, vernünftige Beschriftung aller Räume, einheitliches Farbkonzept, dezente Farben. Sauber muss es sein. Im Wartezimmer bequeme Stühle in gedeckten Farben ohne wilde Muster, einen Tisch mit Wasser, Plastikbechern, Mülleimer, Garderobe und Kinderecke …" – Es ist eine lange Liste an Erwartungen, die hier Ende 2016 auf der Plattform www.forum.glamour.de zum Thema "Arztpraxis gestalten und einrichten" zur Sprache kamen. Auslöser war der Hilferuf einer Arzthelferin, die ihren Chef davor bewahren wollte, beim Aufrüsten seiner Hausarztpraxis Fehler zu machen. Ihre Bitte: "Helft uns, eine ‚perfekte‘ Praxis zu gestalten. Nennt uns Wünsche und Anregungen, die dem Patienten ein gutes Gefühl geben, so dass er sich wohlfühlt und gern zum Arzt geht."

Wartezimmer und die Wünsche der Patienten

Das Ansinnen der Arzthelferin hat ein großes Echo ausgelöst. Beispielsweise auch dieses: "Das Wartezimmer sollte so gestaltet sein, dass auch mal zehn Patienten Platz haben zum Warten und nicht draußen stehen müssen. Grelle Farben und laute Bilder vermeiden, ängstliche Patienten werden noch ängstlicher, das ist erwiesen. Kinderecke ja, aber dort müssen auch mal von Zeit zu Zeit kaputte Sachen aussortiert werden." Wie die Diskutierfreudigkeit zeigt, ist es Besuchern alles andere als egal, wie sie in der Arztpraxis empfangen werden. Die Erfahrung zeigt, dass der Patient den Zustand aller Einrichtungsgegenstände wie Möbel, Fußböden, Wände, Beleuchtungssysteme und Farbgebung ganz bewusst beurteilt. Instinktiv empfindet er dann ziemlich schnell, ob er sich wohlfühlt.

K.-o.-Kriterien für einen Wartebereich

So gibt es einige Dinge, die schlichtweg als K.-o.-Kriterien gelten. Das beginnt beim Zustand der Wartezimmerstühle. Manchmal sind diese abgenutzt, haben Flecken auf dem Bezug oder sind allgemein in schlechtem optischen Zustand. Das legt nahe: Die neue Einrichtung kann noch so optimal und höchst funktional sein – letztlich kommt es nach dem Umbau unbedingt auf die Pflege an. Oberflächen, Sockelleisten, Fußböden sind Indikatoren. Sind sie sauber oder verschmutzt? Daran sieht man doch, ob auch an solchen Stellen bewusst gereinigt wird. Diese Dinge haben allerdings eher mit dem Praxismanagement zu tun. Sie kosten wenig, beeinflussen aber beim Patienten maßgeblich das Gefühl, ob er es mit einer gepflegten, kompetenten, funktionierenden Arztpraxis zu tun hat oder nicht.

Vor dem Start erst den Praxisbedarf ermitteln

Bei der Praxisplanung hat sich eine Art Grundroutine bewährt. Als erstes wird immer der individuelle Bedarf der Arztpraxis ermittelt. Also: Wie groß ist die Zahl der wartenden Patienten, sowohl aktuell als auch perspektivisch? Als Faustformel sollte man in einer Einzelpraxis von mindestens 15 Wartezimmerplätzen ausgehen. Mit zusätzlichen Wartezonen vor Labor oder Untersuchungsräumen können auch noch Stoßzeiten abgefedert werden. Außerdem bringt es Punkte, wenn die Anordnung der Räume schon folgenden Ablauf berücksichtigt: Der Patient betritt die Praxis, gelangt zur Garderobe, dann zur Anmeldung und von dort ins Wartezimmer. Besucher sollten nur einmal – nämlich zum Warten – ins Wartezimmer müssen. Zudem empfiehlt es sich, dass WC und Garderobe vom Flur aus zugängig sind.

Diskretion bei der Anmeldung

Bei der Wartezimmerplanung sind Datenschutz und Diskretion zwingend zu beachten – was zu einem Dilemma führen kann. Denn einerseits ist der offene Übergang zwischen Empfangsbereich im öffentlichen Praxisraum und angrenzendem Warteraum funktionell sinnvoll, andererseits aber für den Umgang mit den sensiblen Gesundheitsdaten sehr bedenklich.

Das Wartezimmer muss daher von der Praxis-Schaltzentrale, dem Empfang, räumlich getrennt sein. Dazu können Türelemente mit Schließautomatik als nützliche Helfer dienen. Allerdings ist ein "Wegsperren" der Patienten nicht gewünscht, weil diese womöglich befürchten, vergessen zu werden. Die Arzthelferinnen müssen schon den Überblick über das Wartezimmer behalten. Der Sichtkontakt kann über Ganzglasabtrennung, Ganzglastüren oder eine Verglasungsöffnung in der Trennwand erfolgen. "Einfache" ESG/VSG-Glaswände bieten zwar keinen vollen Schallschutz, ermöglichen aber noch die individuelle Gestaltung durch Folienbeschichtung mit Praxislogo, Raumbezeichnung und mehr.

Zudem kann die natürliche Geräuschkulisse am Empfang und im Wartezimmer mit schallabsorbierenden Oberflächen gemindert werden. Das lässt sich mit großen Leinwänden oder speziellen "Schallschluckern" nachbessern. Aber bei Neuplanung oder Praxisumbau sollte die Raumakustik neben dem üblichen Schallschutz zwischen den Funktionsbereichen von Anfang an einbezogen werden – etwa durch medizinisch geeignete, textile Bodenbeläge oder entsprechende Deckenelemente wie Gipslochdecken oder Deckensegel.

Gerade im öffentlichen Praxisbereich empfiehlt sich, die vielen glatten Oberflächen zu unterbrechen. Denn sie reflektieren den Schall intensiver. Um den Datenschutz beim Gespräch zwischen den MFAs und dem Arzt zu wahren, sollten Empfangs- und Wartebereiche daher möglichst reflektionsarm sein. Als Praxisplaner arbeiten wir nach dem Grundsatz, die Gespräche innerhalb der Praxis durch entsprechende Raumgestaltung akustisch zu trennen.

Im Trend: Wohnzimmer-Atmosphäre löst Kantinen-Flair ab

Wie steht es nun um Möbel, Farben und Accessoires im Wartezimmer? Innenarchitekt Dirk Pidun von "Plankontur" hat unterschiedliche Trends ausgemacht. Für den Düsseldorfer steht fest: "Die Gestaltung von Wartezimmern in Arztpraxen hat sich gravierend verändert." Bei diesen Bereichen redet man inzwischen über Praxis-TV, Duft und Service. Letzteres meint auch Wasserspender, Wasserflaschen bis hin zum Kaffee-Automaten.

Ehemals strahlten Wartezimmer mit ihrem Veloursteppich eine gediegene Atmosphäre aus. An den Wänden entlang standen gleiche Stühle. Das hatte dann oft was von Großkantine. Doch die Zeiten ändern sich. "Ein Wartebereich ähnelt heute eher einer Lounge oder einem Wohnzimmer. Mit abwechslungsreicher Möblierung, unterschiedlichen Stühlen, breiten Stuhlsesseln mit verschiedenen Sitzhöhen von 45 cm Höhe (normal) oder 38 cm hoch (gemütlicher) und dazu auch Sofas", sagt Dirk Pidun. Die Entwicklung gehe aktuell dahin, nach etwa zehn Jahren die Praxis und auch das Wartezimmer einem Refreshing zu unterziehen.

Beim Stichwort Trends beschreibt der Innenarchitekt ein aktuelles Projekt einer Arztpraxis. Dort laufen über einen großen Wandmonitor im Wartezimmer Videos, die der Mediziner als Hobbytaucher selbst aufgenommen hat. Die Filme werden mit Unterwasser-Geräuschen kombiniert. Video- und Audio-Eindrücke ergänzen sich hier optimal. Das unterstreicht auch ein anderes seiner Projekte. In dem Fall sind im Wartebereich drei sogenannte Lichtbilder im Alu-Rahmen und LED-hinterleuchtet (je zwei Meter breit, einen Meter hoch) dicht nebeneinander platziert. Sie zeigen auf sechs Quadratmetern Bildfläche Waldmotive. "Das vermittelt eine unglaubliche Plastizität", freut sich der Praxisgestalter. Im Hintergrund werde dazu leises Vogelgezwitscher eingespielt. Sein Eindruck: "Perfekt."

Gutes Lichtkonzept sorgt für Entspannung

Auch die Beleuchtung ist ein wichtiges Element im Wartezimmer. Doch nicht nur hier, sondern in der gesamten Praxis könne nach Meinung des Innenarchitekten mit einem guten Lichtkonzept sehr wohl entspannende Atmosphäre erzeugt werden.

Fest steht auch für Praxisplaner, dass in den Wartebereichen ausreichendes und günstig platziertes Licht da sein muss. Sparzwang, alte Lichttechnik, dunkle Patientenbereiche z. B. indirekte, zum Lesen ungeeignete Wandleuchten im Rücken der Wartenden – das alles geht gar nicht.Aus Hygiene-Sicht gibt es inzwischen LED-Lampen, die mit einem UV-C-System zur Luftreinigung gekoppelt sind, das Bakterien und Viren aus der Praxisluft beseitigt. Dies kann insbesondere bei Allgemein- oder Kinderärzten Sinn machen, da sie oft erster Anlaufpunkt für Immungeschwächte oder infektiös Erkrankte sind. Arztpraxen, die im Rezeptionsbereich und Wartezimmer für gereinigte Luft sorgen, punkten damit vermutlich zusätzlich bei ihrem Praxismarketing.

Kleine Patienten spielend bei Laune halten

Angst vor Keimen ist immer besonders dann im Gespräch, wenn es um den Wartebereich und die Spielecke für Kinder geht. Bei ausreichender Hygiene in der Praxis hält der Potsdamer Frank Schwarzlose es eher für unwahrscheinlich, dass solche Spielecken ansteckend sein können. "Wenn das Kind eine Viruserkrankung hat, arbeitet die körpereigene Abwehr ohnehin auf Hochtouren", sagt er. Seine Firma entwickelte ein Baukastensystem für Memory-Spielwände. Die lassen kleine Patienten spielen, malen, knobeln, lesen, ohne die Ruhe im Wartezimmer zu stören. "Wir nutzen bewusst haptische Lösungen, die nichts mit Spielkonsolen zu tun haben", beschreibt der Geschäftsführer von Spielwand.Habitante die Idee hinter der Lösung.

Ein Wartebereich kann aber noch so funktional und angenehm gestaltet sein – bei Patienten kommt es immer am besten an, wenn die Arztpraxis ihr Bestellsystem optimiert, damit sie so wenig wie möglich warten müssen. Schon gar nicht in einer überfüllten Arztpraxis. Wie wäre es in dem Fall – nur mal laut gedacht – mit einer speziellen App. Diese hält die "normalen" Patienten via Handy auf dem Laufenden, welche der vorher beim Arzt gezogenen Nummern gerade dran sind. Gibt es dann noch ein Café in der Nähe, könnte es ziemlich gut passen.



Autor:

Holger Brummer

Firmeninhaber Praxen Profi Leipzig

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (7) Seite 68-73