Die statistische Wahrscheinlichkeit, dass ein Patient wegen eines proktologischen Problems während seines Lebens einen Arzt aufsuchen muss, liegt bei über 60 %. Da das Gebiet der Proktologie für die Patienten immer noch schambehaftet ist, versuchen viele häufig zunächst eine Eigentherapie ohne vorherige ärztliche Konsultation durchzuführen. Da aber mannigfaltige proktologische Krankheitsbilder zu relativ uniformen Symptomen wie Juckreiz, Brennen, Nässen oder Blutspuren am Toilettenpapier führen, sollte vor jeder Therapie eine Arztkonsultation erfolgen.


Kasuistik:

Eine 43-jährige Patientin stellt sich mit seit Wochen zunehmendem, quälendem Juckreiz perianal in einer hausärztlichen Praxis vor. Anamnestisch berichtet sie, dass dieser Juckreiz besonders in den Abendstunden und auch nachts zunehme. Zunächst hätte sie durch eine Intensivierung der Hygiene und durch den Gebrauch von feuchtem Toilettenpapier versucht, eine Linderung herbeizuführen. Hierbei sind auch helle Blutspuren auf dem Toilettenpapier aufgefallen. Bei ausbleibender Besserung hätte sie dann in einer Apotheke eine freiverkäufliche ‚Hämorrhoidensalbe’ erworben. Wenige Tage nach Auftragen der Salbe sei es dann eher zu einer Zunahme des Juckreizes und der Beschwerden gekommen.

Bei der klinischen Untersuchung findet sich eine hochrote perianale Region mit multiplen Erosionen. Nach Aufforderung zum Pressen zeigt sich ein segmentärer Analprolaps bei 11°°SSL verbunden mit einem Hämorrhoidenvorfall zweiten Grades ebenda.

Unter der Diagnose eines irritativ-toxischen Analekzems durch den Hämorrhoidalprolaps, verstärkt durch ein kontaktallergisches Ekzem durch die Verwendung von Feuchttüchern, wurde empfohlen, zunächst die Hautpflege nur noch mit klarem Wasser vorzunehmen. Zusätzlich sollte eine Salbe mit einem schwach wirkenden Kortikoid dreimal täglich für zehn Tage aufgetragen werden.

Als kausale Therapie erfolgte eine mehrmalige Sklerosierung des vergrößerten Hämorrhoidalpolsters mit Aethoxysklerol 2 %.

Unter dieser Therapie war die Patientin nach vier Wochen annähernd beschwerdefrei. Um den Behandlungserfolg zu sichern, wurde empfohlen, bei jetzt reizfreier perianaler Region die Haut weiterhin, falls möglich, mit klarem Wasser zu reinigen und mehrmals täglich eine weiche Zinkpaste DAB10 aufzutragen.


Bei richtiger Diagnosestellung steht dem Arzt ein breites Repertoire an Pharmaka zur Verfügung. In der Roten Liste findet man Proktologika nur im Kapitel 47 subsumiert unter ‚Hämorrhoidenmittel’. Es kann jedoch neben dem Hämorrhoidalleiden eine Vielzahl von Erkrankungen pharmakologisch therapiert werden. Häufige Krankheitsbilder sind:
  • Hämorrhoidalleiden
  • Analfissuren
  • Analekzem
  • Psoriasis
  • Kondylome

Hämorrhoidalleiden

Bei der symptomatischen Therapie kommen Externa gegen nässende Hautirritationen und abschwellende Salben bei einem ödematösen Prolaps (Abb. 1) zur Anwendung. Hier haben sich Salben mit einem schwachen Kortikoid (z. B. Postericort®) oder kombiniert mit einem Lokalanästhetikum (z. B. Doloproct®, Jelliproct®) zur äußerlichen Anwendung bewährt. Da ein ödematöser Prolaps auch immer schmerzhaft ist, sollte eine orale antiphlogistische Therapie parallel erfolgen. Als Wirkstoffe haben sich hier Ibuprofen oder auch Diclofenac bewährt. Jeglicher Therapie sollte jedoch eine klinische Untersuchung durch Inspektion und zumindest eine Palpation des Analkanals mit einer entsprechenden Diagnosestellung vorausgehen.

Bei einer symptomatischen Vergrößerung der Hämorrhoidalpolster ohne akuten Prolaps ist eine Sklerosierungstherapie indiziert. Einziges in Deutschland zugelassenes Pharmakon zur submukösen Sklerosierungstherapie vergrößerter Hämorrhoidalpolster ist das Polidocanol (Aethoxysklerol®). Es ist in 1- bis 3 %iger Konzentration verfügbar. Da eine klare Dosis-Wirkungsbeziehung besteht, kann bei höherprozentigem Aethoxysklerol® mit einem kleineren Volumen eine ausreichende Wirkung erzielt werden. Eine Alternative stellt die Schaumsklerosierung dar. Hier ist jedoch die individuelle Herstellung deutlich aufwendiger.

Analfissur

Stellt sich der Patient mit den Symptomen von stechenden Schmerzen bei und nach der Defäkation, eventuell verbunden mit hellen Blutspuren am Toilettenpapier vor, liegt die Diagnose einer Analfissur nahe (Abb. 2). Eine klinische Inspektion mit einer digitalen Untersuchung sollte immer erfolgen. Oft tolerieren diese Patienten eine zusätzliche instrumentelle Untersuchung nicht, so dass zunächst ein konservativer Behandlungsversuch erfolgen kann. Nach Abklingen der akuten Beschwerden sollte jedoch immer eine weitere Abklärung mittels Rektoskopie und Proktoskopie erfolgen.

Neben stuhlregulierenden Maßnahmen (z. B. mit Flohsamenschalen) kann auch eine kausale Therapie mit Senkung des Sphinkterruhedruckes erfolgen. Bis heute ist wissenschaftlich nicht erwiesen, ob die Erhöhung des Sphinkterruhedruckes Ursache oder Folge des Fissurgeschehens ist. Eine Erhöhung des Druckes trägt aber sicher zu einer verzögerten Abheilung bei, weshalb eine medikamentöse Drucksenkung durch eine topische Therapie sinnvoll ist. Als Fertigpräparat steht das Glyceryltrinitrat (Rectogesic®) zur Verfügung. Die Wirkdauer beträgt nur ca. zwei Stunden, so dass es mehrmals täglich aufgetragen werden soll. Nachteil des Präparates: Bei mehr als 50 % der Patienten treten "Nitratkopfschmerzen" auf, was häufig zum Absetzen des Medikamentes führt.

Zusätzlich kann eine symptomatische Therapie bezüglich der Schmerzkomponente mit einer lokalanästhesierenden Salbe erfolgen. Analtampons mit einem Lokalanästhetikum empfinden die Patienten häufig als sehr unangenehm und können nur zur Nacht empfohlen werden. Lokalanästhetika in reiner Suppositorienform können den Wirkstoff nicht im Analkanal freisetzen. Alternativ kommt eine individuell angefertigte Rezeptur eines Kalziumantagonisten mit 2 %igem Diltiazem in einer Basiscreme DAC infrage. Die Nebenwirkungsrate hier ist deutlich geringer, die Wirkdauer mit sechs Stunden länger. Im Rahmen einer Cochraneanalyse [1] der beiden Wirkstoffe konnte gezeigt werden, dass der etwas bessere Heilungserfolg zugunsten des Glyceryltrinitrats gegenüber den Kalziumantagonisten durch eine deutlich höhere Nebenwirkungsrate erkauft wird.

Analekzem

Eine der häufigsten Beschwerden, über die Patienten berichten, ist der anale Juckreiz eventuell verbunden mit einem Nässen. Im Rahmen der klinischen Untersuchung findet sich häufig ein perianales Ekzem, wobei zunächst die Ursache des Ekzems eruiert werden sollte. Klinisch kann man zwischen dem irritativ-toxischen, dem atopischen und dem kontaktallergischen Ekzem unterscheiden.

Bei einem irritativ-toxischen Analekzem kommt es z. B. wegen eines Hämorrhoidalprolapses, eines Fistelleidens oder einer analen Inkontinenz zu einer Überfeuchtung und Irritation der perianalen Haut. Daher sollte immer die zugrundeliegende Erkrankung mittherapiert werden. Topisch kann mit einem schwachen bis mittelstarken Kortikoid (z. B. Postericort®, Volon A®) für ca. zehn Tage therapiert werden. Anschließend sollte ein Hautschutz mittels einer weichen Zinkpaste DAB10 für weitere zwei Wochen aufgetragen werden.

Das atopische Ekzem im perianalen Bereich kann ebenfalls durch die oben genannten Grunderkrankungen getriggert werden. Neben der lokalen Applikation von kortikoidhaltigen Salben im akuten Stadium kann hier auch eine weiterführende Therapie mit Pimecrolimus oder Tacrolimus (Elidel®, Protopic®) erfolgen.

Eine sehr häufige Form des Analekzems ist das kontaktallergische Ekzem (Abb. 3), wobei eine Typ-IV-Allergie z. B. durch Hautpflegemittel, Proktologika oder auch Toilettenpapier, hier insbesondere durch Feuchttücher, ausgelöst wird. Grundtherapie ist hier das Absetzen des Allergens, gefolgt von einer lokalen Kortikoidtherapie für wenige Tage.

Sollte es unter den oben genannten Therapien zu keiner Abheilung des Ekzems kommen, ist eine weitere fachärztliche Diagnostik zu empfehlen.

Perianale Psoriasis

Die perianale Psoriasis imitiert häufig das Bild eines analen Ekzems. Fast pathognomonisch ist hier die zentrale Rhagade im Bereich der Rima ani (Abb. 4). Hier sollten weitere Prädilektionsstellen der Psoriasis (Kopfhaut, Ellenbogen, Kniescheibe) mituntersucht werden. Ein wesentliches Merkmal der analen Psoriasis ist, dass sie nicht schuppt, aber einen starken Juckreiz verursacht. Therapeutisch kann hier im akuten Stadium mit einem lokal applizierten Kortikoid therapiert werden. Im Intervall bieten sich Vitamin-D3-Analoga wie Calcipotriol oder Calcitriol (Daivonex®, Silkis®) an.

Fazit:
Dem proktologisch tätigen Arzt steht eine große Anzahl von Pharmaka zur Verfügung. Patienten versuchen häufig durch Eigentherapie eine Linderung der Symptome herbeizuführen. Eine exakte Diagnosestellung ärztlicherseits vor Anwendung der Pharmaka ist jedoch unerlässlich. Unter entsprechender Anleitung kann eine Vielzahl proktologischer Krankheitsbilder so effizient behandelt werden.

Kondylome

Einzeln stehende Kondylome (Abb. 5) können mit einer lokalen Salbenapplikation therapiert werden. Bei intraanalem oder perianalem rasen- oder blumenkohlartigem Befall (Abb. 6) sollte primär eine operative Therapie angestrebt werden. Zur topischen Therapie einzeln stehender Kondylome können die Wirkstoffe Podophyllotoxin, Imiquimod und Grüntee-Katechine angewandt werden (Wartec®, Condylox®, Aldara®, Veregen®). Allen Wirkstoffen ist zu eigen, dass sie zu Hauterythemen, Erosionen und ggf. auch Exkoriationen führen können. Eine Therapie wird für vier bis zwölf Wochen durchgeführt. Sollte nach dieser Zeit keine Abheilung der Kondylome erfolgt sein, ist eine operative Therapie zu erwägen.


Literatur:
[1] Nelson RL, Thomas K, Morgan J, Jones A. Non surgical therapy for anal fissure. Cochrane Database Syst Rev. 2012 Feb 15; 2: CD003431



Autor:

Dr. med. Gerd Kolbert

edh End- und Dickdarmzentrum Hannover
30169 Hannover

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (17) Seite 52-54