Die Wirksamkeit von Cholinesterasehemmern bei Alzheimer-Demenz ist, was die Verbesserung der Kognition angeht, belegt. Aber könnten sie auch das Überleben beeinflussen? Offenbar weisen diese Substanzen tatsächlich systemische Wirkungen auf, die diesen Effekt nach sich ziehen könnten. Im folgenden Beitrag sollen die dazu bislang vorliegenden Daten vorgestellt und mögliche Erklärungen erörtert werden.

Für die medikamentöse Behandlung der Demenzen existieren in Deutschland lediglich für die Alzheimer-Demenz (AD) sowie den Parkinson-Demenz-Komplex zugelassene Medikamente (Abb. 1). Für andere Formen wie die Lewy-Body-Demenz, die frontotemporale Demenz oder die vaskulären Demenzen gibt es nur Empfehlungen [1].

Zur Behandlung der leichten bis mittelschweren AD wurde 1997 in Deutschland der Cholinesterasehemmer (ChEI) Donepezil zugelassen. 1998 und 2001 folgten dann Rivastigmin und Galantamin, 2005 bzw. 2006 das Memantine für moderate bis schwere Demenzen. Seit 2014 sind alle Substanzen generisch verfügbar.

Auch wenn der Effekt dieser Substanzen moderat ist, so hat sich darunter eine Verbesserung der Kognition sowie der alltagspraktischen Fähigkeiten in nahezu allen Studien bestätigt, so dass die Wirksamkeit der Cholinesterasehemmer bei der AD, auch im Lichte neuerer Bewertungen, als belegt betrachtet werden kann [2]. Allerdings ist die Wirkung klinisch kaum erfahrbar und die Kosteneffektivität wird kontrovers diskutiert [3, 4], so dass der Einsatz der Antidementiva auch weiterhin ein schwieriges Feld darstellt.

Wirkungsmechanismen der ChEI

Die Cholinesterasehemmer (ChEI) hemmen den Abbau von Acetylcholin im synaptischen Spalt, was zu einer verbesserten Neurotransmission führen soll. Im Detail besitzen die ChEI jedoch ein etwas unterschiedliches Wirkprofil. Galantamin besitzt einen zusätzlichen, die Neurotransmission fördernden Effekt auf die Nikotinrezeptoren des postsynaptischen Neurons. Durch die Hemmung des Abbaus von Acetylcholin kann ein systemischer parasympathomimetischer bzw. vagotoner Effekt entstehen. Daher sind ChEI beispielsweise bei bradykarden Herzrhythmusstörungen, unter Betablocker-Therapie, bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung oder rezidivierenden Ulzera mit Vorsicht einzusetzen. Belastende Nebenwirkungen sollten angesichts der Effektstärke zu einem Um- oder Absetzen des jeweiligen ChEI führen.

Einfluss auf die Lebenserwartung

In Tierstudien wurde gezeigt, dass Donepezil einen Einfluss auf das langfristige Überleben von Mäusen und Ratten mit chronischer Herzinsuffizienz haben könnte [5, 6]. In den vergangenen Jahren gab es weitere Hinweise darauf, dass die ChEI auch bei Menschen einen positiven Einfluss auf die Lebenserwartung und den kardiovaskulären Tod haben könnten [7 – 10]. Dieser Effekt schien sogar mit der Dosis des ChEI noch zuzunehmen [9]. Im Übrigen werden auch für Memantine geringfügige positive Einflüsse auf die Lebenserwartung diskutiert [11].

Lebenserwartung unter Donepezil und Galantamin

In den Zulassungsstudien der Medikamente traten nur wenige Todesfälle in Verum- und Plazebogruppen auf, so dass aus einzelnen Studien keine Aussagen abgeleitet werden konnten [3]. Am Beispiel von Donepezil und Galantamin wurden deshalb die doppelblinden, randomisierten Studien mit mehr als 100 Patienten mit leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz zusammengefasst (Tabelle 1). Die meisten Studien erstreckten sich über drei bis sechs Monate. Für beide Substanzen zeigte sich dabei ein besseres Überleben im Falle des Verumpräparates. Auf ein oder gar zwei Jahre waren nur vier Studien ausgelegt, so dass sich die Aussagekraft über sechs Monate hinaus sehr einschränkt. Für Donepezil lag dabei nach einem Jahr das Überleben auf Plazeboniveau und nach zwei Jahren etwas darüber, während für Galantamin das verbesserte Überleben auch noch nach zwei Jahren vorhanden war. Retrospektive Analysen besitzen nur eine eingeschränkte Aussagekraft. Kausalitäten dürfen daraus nicht abgeleitet werden. In den bisherigen randomisierten, doppelblinden Studien mit ChEI war die Sterblichkeit zudem kein primärer Endpunkt, weshalb daraus Schlüsse nur mit Vorsicht gezogen werden dürfen.

Es gibt lediglich eine randomisierte, kontrollierte und doppelblinde Studie mit einem ChEI, in der die Sterblichkeit primärer Endpunkt war und die somit die höchste Aussagekraft hinsichtlich eines Einflusses von ChEI auf die Lebenserwartung besitzt [12]. Diese Studie bei leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz mit 1 024 Patienten mit Galantamin und 1 021 mit Plazebo musste vorzeitig beendet werden, da die Sterblichkeit in der Plazebogruppe signifikant höher war als in der Verum-Gruppe (p=0,011). Dieser Effekt trat bereits frühzeitig ein und blieb über den gesamten Studienzeitraum erhalten [12]. Die Ursachen dafür werden derzeit analysiert.

Mögliche Ursachen für einen Einfluss auf das Überleben

Die Ursachen für den Einfluss auf die Lebenserwartung durch die ChEI sind bislang unklar. Aufgrund von Tierversuchen wurden unterschiedliche Effekte diskutiert, z. B. eine chronische Vagusstimulation [13], ein antioxidativer und anti-atherosklerotischer Effekt [14] oder eine verstärkte Angiogenese [15]. Auch eine verbesserte Kognition, die dann zu einer besseren Symptomerkennung anderer Krankheiten führen würde, oder der eingangs erwähnte nikotinerge Effekt von Galantamin könnten eine Rolle spielen. Letztlich bleibt die Ursache bislang aber spekulativ.


Literatur
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(2) Bond M, Rogers G, Peters J, Anderson R, Hoyle M, Miners A et al. The effectiveness and cost-effectiveness of donepezil, galantamine, rivastigmine and memantine for the treatment of Alzheimer‘s disease (review of Technology Appraisal No. 111): a systematic review and economic model. Health Technol Assess 2012; 16(21):1-470.
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Autor:

Prof. Dr. med. Klaus Hager

Diakoniekrankenhaus Henriettenstiftung gGmbH, Zentrum für Medizin im Alter
30559 Hannover

Bonnie Davis
Synaptec Inc.,
Palm Beach Gardens, FL, USA

Interessenkonflikte: KH war ein Untersucher der GAL ALZ 3005 Studie; BD ist die Entdeckerin der Verwendung von Galantamin zur Behandlung der Alzheimer-Erkrankung (AD), sie ist Angestellte und Aktieninhaberin von Synaptec Inc., die das Patent zur Verwendung von Galantamin bei AD an Janssen abgegeben hat.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (20) Seite 22-24