Eine Dyspareunie – Schmerzen beim Geschlechtsverkehr – wird in erster Linie mit weiblichen Patienten in Verbindung gebracht. Doch auch Männer leiden unter diesem Phänomen, wobei die häufigsten organischen Ursachen Veränderungen am Penis oder chronische Beckenbodenschmerzen sind. Im folgenden Beitrag soll zudem auf Häufigkeit und Risikofaktoren bei männlicher Dyspareunie eingegangen werden.

Fehl- oder Falschpaarung bedeutet die wörtliche Übertragung des Wortes Dyspareunie aus der griechischen in die deutsche Sprache. Im ursprünglichen, umfänglichen Wortsinn kann als Dyspareunie jegliche Form von organisch und nicht organisch ausgelösten Störungen oder Erkrankungen, die mit einem Leidensdruck verbunden sind, bezeichnet werden. Sie impliziert keine Zuordnung zu einem Geschlecht und die Fokussierung auf den Schmerz.

Die Dyspareunie wird in der Literatur häufiger mit dem weiblichen als mit dem männlichen Geschlecht in Verbindung gebracht und der überwiegende Anteil der Literatur fokussiert auf Schmerzen beim Geschlechtsakt. Es versteht sich von selbst, dass die strikte Trennung zwischen organischen und nicht organischen Ursachen sowie die Fokussierung auf den Partner mit der Störung in der Paarbeziehung im bio-psycho-sozialen Kontext kontraproduktiv ist. Denn jegliche organisch oder nicht organisch bedingte Störung hat Auswirkungen auf die Partnerschaft. Eine monokausale Betrachtung wird deshalb dem Störungsbild nicht gerecht, die Diagnostik wird unvollständig sein und die Therapie kann zu Misserfolgen führen.

Definition

Die Kodierung der Erkrankungen und Störungen erfolgt mit der ICD-10 und im DSM-5. Für Störungen, die im DSM-5 kodiert werden, ist eine Mindestdauer von sechs Monaten und die Bestimmung des Schweregrades notwendig [1, 2]. Für das männliche Geschlecht werden organische Ursachen, die zu einer Dyspareunie führen, als medizinische Krankheitsfaktoren in der ICD-10 klassifiziert.

Zu den häufigsten Ursachen, die zu einer organisch bedingten Dyspareunie führen, zählen die Induratio penis plastica (IPP), Phimosen, dermatologische Erkrankungen und chronische Beckenbodenschmerzen.

Induratio penis plastica (IPP)

Die IPP (Abb. 1) entsteht wahrscheinlich durch mikrovaskuläre Traumata im Zusammenhang mit der Erektion, die dem Patienten meistens nicht bewusst werden. Sie führen zu einer umschriebenen Fibrose der Tunica albuginea mit vermehrten Kollagen-Typ-3-Anteilen [3, 4]. Die Tunica albuginea verliert an diesen Orten ihre ursprüngliche Elastizität, es kommt bei Erektionen zu Schmerzen und Verkrümmungen des Penis. Die Erkrankung geht bei sehr vielen Patienten mit psychologischen Problemen einher. Sie haben depressive Symptome, eine Minderung des Selbstwertgefühls und Angst vor sexuellem Versagen. Dies wiederum hat einen negativen Einfluss auf die Beziehungszufriedenheit und Lebensqualität.

Zu Beginn der Erkrankung ist das führende Symptom der Schmerz. Es kommt durch eine Plaquebildung in der Tunica albuginea zu Verkrümmungen des Penis bei der Erektion, die zu einer Beeinträchtigung bei sexuellen, insbesondere penetrativen, Aktivitäten führt. Bei der Anamneseerhebung sollte nach Traumata im Zusammenhang mit sexuellen Aktivitäten, Schmerzen mit oder ohne Erektion, Verkrümmungen, die einen penetrativen Geschlechtsverkehr erschweren oder unmöglich machen, gefragt werden. Bei der Palpation des Penis finden sich hauptsächlich dorsolateral Verhärtungen (Plaques) der Tunica albuginea. Sonografisch lassen sich die Plaques darstellen. In der akuten Phase ist eine konservative Therapie indiziert (Tabelle 1). Ziel ist es, Schmerzen zu lindern und den Prozess der Plaquebildung zu verlangsamen bzw. zu stoppen. Im Verlauf der Therapie kommt es zu einer Stabilisierung, die Plaquebildung sistiert, die damit verbundenen Penisverkrümmungen nehmen nicht mehr zu und Schmerzen sind selten vorhanden. In diesem Stadium können operative Therapien zum Einsatz kommen. Sie haben zum Ziel, die Plaques zu entfernen, Verkrümmungen zu beseitigen oder auszugleichen und damit einen penetrativen Geschlechtsverkehr wieder zu ermöglichen. Dies geht in den meisten Fällen mit einer, je nach Ausmaß und Lage der Plaques, Verkürzung des Penis einher [5]. In einer postoperativ durchgeführten Studie gaben 54 % der Patienten Beziehungsprobleme an. Ein Risikofaktor war die Verkürzung des Penis [6].

Die frühzeitige Einbeziehung der Partnerin oder des Partners in den therapeutischen Prozess hilft, negative Einflüsse auf die sexuelle Beziehungszufriedenheit und das Selbstwertgefühl zu verhindern.

Phimose

Die Phimose (Abb. 2) ist eine weitere organisch bedingte Ursache der männlichen Dyspareunie. Eine primäre Phimose, die dadurch gekennzeichnet ist, dass das Präputium noch nie über die Glans penis zurückgestreift werden konnte, ist eine Seltenheit. In über 95 % der Fälle liegt eine sekundäre Phimose vor. Häufige Ursachen der sekundären Phimose sind rezidivierende Balanitiden mit Defektheilung, wie sie nicht selten bei Patienten mit einem Diabetes mellitus und rezidivierenden Harnwegsinfektionen vorkommen, und bei ca. einem Drittel der Patienten ein Lichen sclerosus et atrophicans – eine entzündliche, nicht übertragbare Hauterkrankung, die dem Formenkreis der Autoimmunerkrankungen zugeordnet werden kann. Charakteristisch sind weißliche Hautareale im Bereich des Präputiums und bei längerem Bestehen auch der Penisschafthaut [7]. Die Anamnese und die klinische Untersuchung sichern die Diagnose.

Die Therapie der Wahl bei narbigen Phimosen ist die plastische oder radikale Zirkumzision. Bei ersterem Verfahren kommt es bei einigen Patienten zu einem Rezidiv. Liegt ein Lichen sclerosus vor, kann ein Therapieversuch mit Clobetasolpropionat indiziert sein.

Chronische Beckenbodenschmerzen

Patienten mit Beckenbodenschmerzen, deren Ursachen trotz umfangreichem Einsatz bildgebender und invasiver Methoden unklar bleiben, können ebenfalls Schmerzen beim Geschlechtsverkehr haben, die zur ärztlichen Konsultation führen.

Der Ausschluss von organischen Ursachen ist absolut notwendig. Wiederholte Untersuchungen sollten aber wegen der Gefahr der Somatisierung vermieden werden. Eine ausführliche sexualmedizinische Anamnese mit Einbeziehung des Partners kann wegweisend für die Beschwerden sein, denn bei Patienten mit chronischen Beckenbodenschmerzen gibt es eine Assoziation zur frühzeitigen Ejakulation, einer erektilen Dysfunktion und einem Libidoverlust [8]. Dies beeinflusst die Beziehungszufriedenheit und die sexuelle Befriedigung negativ. Kommt es dann zu einer sexuellen Beziehungsstörung, muss nach Ansicht der Patienten eine somatische Veränderung die Ursache sein. Diese sei jedoch noch nicht gefunden worden, weil keine geeignete Untersuchungsmethode zur Verfügung steht oder weil noch nicht gründlich gesucht wurde. Hier ist die frühzeitige Einbeziehung des Partners in die Anamnese, Beratung und Therapie notwendig.

Dyspareunie ohne Organbefund

Schmerzen beim Geschlechtsverkehr können auch ohne Erkrankungen oder Störungen vorhanden sein. Im amerikanischen National Survey of Sexual Health Behavior (NSSHB) haben über 3.000 von mehr als 6.000 angeschriebenen Personen beiderlei Geschlechts den Fragebogen komplett beantwortet [9]. Ziel dieser Untersuchung war es unter anderem, Angaben zu Prävalenz und Art des Schmerzes bei penetrativem vaginalem oder analem Geschlechtsverkehr zu erhalten. Es wurde nach der Schmerzstärke, der Dauer, der Lokalisation des Schmerzes und der Kommunikation über den Schmerz mit dem Partner gefragt. Schmerzen bei der vaginalen Penetration gaben 7 %, bei der analen Penetration 15 % der Männer an. Bei drei Viertel der Männer hielt der Schmerz bei vaginaler Penetration weniger als fünf Minuten an, bei analer Penetration hatten gut die Hälfte der Befragten eine kurzzeitige Schmerzepisode von weniger als fünf Minuten. In beiden Gruppen traten die Schmerzen im Bereich des Penis und/oder des Skrotums auf. Etwa ein Drittel der Männer kommunizierten die Schmerzen bei der vaginalen und ca. zwei Drittel bei der analen Penetration.

Weniger als die Hälfte der Männer, die bei vaginaler Penetration Schmerzen angaben, änderten etwas an ihrem Sexualverhalten. Die Änderung der Koitusposition oder die Verwendung von Gleitgel oder ein Abbruch waren wesentlich häufiger in der Gruppe von Männern, die Schmerzen bei der analen Penetration angaben. Schmerzen bei der penilen Analpenetration werden auch als Anodyspareunie bezeichnet. Ungefähr 80 % der homosexuellen Paare führen die penile Analpenetration durch [10] In der belgischen, internetbasierten Studie (GAy MEn Sex StudieS), in der 1.752 Fragebögen von gleichgeschlechtlich orientierten Männern ausgewertet wurden, führten 68 % die anale Penetration durch [11]. Eine Anodyspareunie hatten 59 %. Bei 32 % waren die Schmerzen gering, bei 17 % gering und moderat. Moderate Schmerzen hatten 4 % und starke Schmerzen 2 % der befragten Männer. Unabhängige Prädiktoren für das Auftreten der Anodyspareunie waren das Alter, eine stabile Partnerschaft, die Frequenz der analen Penetration, die Anzahl der Partner und die zeitliche Länge des Vorspiels.

Als Schmerzprädiktoren erwiesen sich die inadäquate Verwendung von Gleitgel und die fehlende anale Stimulation vor der Penetration. Die Anodyspareunie ist kein hauptsächliches Phänomen von homosexuellen Paaren. Etwa 30 % der heterosexuellen Paare führen diese Sexualpraktik durch bzw. haben Erfahrungen damit. Für etwa 10 % der heterosexuellen Paare ist die penile Analpenetration die präferierte Sexualpraktik [12]. Numerisch gesehen führen demnach mehr hetero- als homosexuelle Paare diese Sexualpraktik durch. Sind Beschwerden, die beim vaginalen oder analen Geschlechtsverkehr auftreten, ein Anlass zur ärztlichen Konsultation, ist nach der sexualmedizinischen Anamnese, auch unter Einbeziehung des Partners, eine Paarberatung in den meisten Fällen erfolgreich


Literatur:
1. WHO ICD-10 www.dimdi.de
2. American Psychiatric Association: Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fifth Edition. Arlington, VA, American Psychiatric Association, 2013. www.dsm5.org
3. Sherer, BA, Levine LA 2016: Contemporary Review of treatment options for Peyronie´s Disease. http://dx.doi.org/10.1016/j.urology.2016.02.009
4. Hatzichristodoulu, G 2015: Konservative Therapie der Induratio penis plastica - Update 2015. Urologe 2015 • 54:641–647 DOI 10.1007/s00120-015-3796-1
5. Kueronya V, Miernik A, Stupar S et al.: International multicentre psychometric evaluation of pa-tient-reported outcome data for the treatment of Peyronie‘s disease. BJU Int 2015;115:822-828, doi: 10.1111/bju.12968.
6. Smith JF, Walsh TJ, Conti SL, Turek P, Lue T: Risk factors for emotional and relationship prob-lems in Peyronie‘s disease. J Sex Med. 2008; 5: 2179-84. doi: 10.1111/j.1743-6109.2008.00949.x
7. Bunker CB, Shim TN: Male Genital Lichen sclerosus. Indian J Dermatol. 2015; 60: 111–117. doi: 10.4103/0019-5154.152501
8. Smith KB, Tripp D, Pukall C, Nickel JC: Predictors of sexual and relationship functioning in couples with Chronic Prostatitis/Chronic Pelvic Pain Syndrome. J Sex Med 2007;4:734-744
9. Herbernick D, Schick V, Sanders SA et al.: Pain experienced during vaginal and anal intercourse with other-sex partners: findings from a nationally representative probability study in the United States. J Sex Med 2015;12:1040-1051; doi: 10.1111/jsm.12841.
10. Laumann E, Gagnon JH, Michael RT, Michaels S. The social organization of sexuality: Sexual practices in the United States. Chicago: University of Chicago Press; 1994.
11. Vansintejan J, VandevoordeJ, Devroey D: The GAy MEn Sex StudieS: Anodyspareunia Among Belgian Gay Men. Sex Med 2013;1:87-94
12. Morin J. Anal pleasure & health: A guide for men and women. San Francisco: Down There Press; 1998



Autor:

PD Dr. med. Uwe Zimmermann

Prostatakarzinomzentrum und Uroonkolisches Zentrum im Onkologischen Zentrum, Klinik und Poliklinik für Urologie Universitätsmedizin Greifswald
17475 Greifswald

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (17) Seite 50-55