Jedes Jahr betreiben etwa sechs Millionen Deutsche Wintersport (Ski, Snowboard, Schlitten). Allein beim Skisport verletzen sich davon jährlich 49 000 Personen, ein nicht unerheblicher Teil davon sind Kinder und Jugendliche. Mit deren Betreuung sind auch Allgemeinärzte beschäftigt. Im folgenden Artikel sollen die Besonderheiten kindlicher Verletzungen im Schneesport aufgezeigt und Hinweise zur Diagnostik und Therapie gegeben werden.

Aus unseren eigenen Erfahrungen sind die jugendlichen Schneesportler (Ski/Snowboard) meist nur leicht verletzt, rund ein Fünftel muss jedoch stationär behandelt werden. Überwiegend sind die Patienten im Adoleszentenalter (vgl. Abb. 1), werden also zu Hause häufig vom Allgemeinarzt weiterbehandelt.

Ursachen von Schneesportunfällen

Die Unfallursachen sind vor allem in der erhöhten Risikobereitschaft der Jugendlichen (Sprünge mit Ski oder Snowboard in sogenannten „Funparks“), aber auch in Kollisionsunfällen zu suchen. Zwar überwiegen sowohl bei den Ski- als auch bei den Snowboardverletzungen Fahrfehler als Ursache. Snowboarder verletzen sich zudem häufig durch Sprünge. Bei den Skifahrern sind dagegen Kollisionsunfälle deutlich häufiger als bei Snowboardern (vgl. Tabelle). In diesem Zusammenhang sei das Schädelhirntrauma als seltenes, aber lebensgefährliches Traumaereignis beim Schneesport erwähnt. Es stellt die häufigste Todesursache beim Schneesport bei Kindern und Jugendlichen dar. Jugendliche tragen mittlerweile zu bis zu 90 % einen Skihelm und sollten hier als Vorbild für die Erwachsenen dienen!

Verletzungsmuster

Bei über 2 500 Skisportlern untersuchten wir von 2000 bis 2005 die Verletzungsmuster. Hierbei fiel auf, dass bei den Verletzungen der oberen Extremität bei den Jugendlichen häufiger Handgelenk und Unterarm betroffen waren, bei den Erwachsenen dominierte dagegen das Schultergelenk. An der unteren Extremität machten im Jugendalter die Knieverletzungen (Meniskusläsionen, Patellaluxation, Übergangsfrakturen) und die Unterschenkelfrakturen den größten Anteil aus.

Bei Kindern und Jugendlichen treten oft komplexe Verletzungen auf, die detaillierter Therapiemaßnahmen bedürfen. Undislozierte Frakturen (Beispiel Claviculafraktur, vgl. Fall 1) können gerade bei Kindern problemlos konservativ behandelt werden. Durch zeitgemäße, oft auch minimalinvasive Methoden sollten dislozierte Frakturen und Gelenkverletzungen bei Kindern frühzeitig definitiv operativ eingerichtet und stabilisiert werden (vgl. Fall 2). Generell ist das Trauma für Kinder geringer, wenn eine primäre definitive Versorgung erfolgt und mehrfache „Korrekturrepositionen“ in Narkose vermieden werden.

Verletzungen der Gelenke und der Wachstumsfugen (vgl. Fall 3) müssen unbedingt erkannt und entsprechend behandelt werden - bei Kleinkindern mit noch nicht vollständig mineralisierten Epiphysen ist dies nicht immer ganz einfach, da die radiologischen Zeichen sehr diskret sein können. Epiphysenverletzungen oder Gelenkfrakturen führen bei nicht korrekter Reposition zu Wachstumsstörungen.

Begleitende Luxationen, z. B. die Luxation des Radiusköpfchens bei einer Ul­nafraktur (Monteggia-Schaden), werden nicht selten initial übersehen (vgl. Fall 4). Im Zweifel ist hier eine Kontrolle beim Spezialisten indiziert.

Jugendliche mit weitgehend ausgewachsenem Skelett (vgl. Fall 5) haben bei konservativer Therapie wenig Kompensationsmöglichkeiten für Fehlstellungen, hier ist unbedingt primär eine definitive Versorgung anzustreben. Torsionsfehlstellungen gleichen sich durch das Wachstum nicht aus.

Nachbehandlung

Vom Operateur ist ein individueller Nachbehandlungsplan (mit Angaben zur Weiterbehandlung, Medikation, Nahtmaterialentfernung, Freigabe der Beweglichkeit, Belastbarkeit, erforderlichen Röntgenkontrollen und zum Zeitpunkt der Materialentfernung) zu fordern.

Kinder sind in der Regel wenig klagsam und haben eine hohe Schmerztoleranz. Umso wichtiger ist auch im Verlauf (zunehmende Bewegung/Belastung) eine adäquate Schmerztherapie. Hierzu sind meist peripher wirksame Schmerzmittel (Paracetamol oder NSAR) ausreichend.

Nur durch die enge Zusammenarbeit der Weiterbehandler (Orthopäde/Unfallchirurg, Allgemeinmediziner/Kinderarzt, Physiotherapeut, Ergotherapeut, letztlich in manchen Fällen auch der Lehrer und der Eltern) kann der Operationserfolg gesichert werden. Dem Hausarzt kommt hierbei eine entscheidende Rolle als Therapiebegleiter, Therapeut und Vermittler zu.


Interessenkonflikte:
keine deklariert

Dr. med. Christian Schaller


Kontakt:
Dr. med. Christian Schaller
Prof. Dr. med. Volker Bühren

Abt. für Unfallchirurgie und Sportorthopädie
Klinikum Garmisch-Partenkirchen
82467 Garmisch-Partenkirchen

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2010; 32 (3) Seite 33-37