Wenn eine Lyme-Borreliose früh behandelt wird, lassen sich Spätmanifestationen wie Neuroborreliose oder Arthritis fast immer verhindern. Je nach Alter des Kindes und Art der Manifestation werden unterschiedliche Antibiotika und Therapiezeiträume bevorzugt.
Bei der Lyme-Borreliose handelt es sich um eine durch Zecken übertragene Infektion mit Borrelia burgdorferi, die besonders häufig zu Krankheitserscheinungen an der Haut, dem Nervensystem und dem muskuloskelettalen System führt [7, 13]. Je nach Krankheitsmanifestation wird sie unterschiedlich lange antibiotisch behandelt (Tabelle). Bei der Wanderröte, Erythema migrans, ist Amoxicillin genauso effektiv wie Doxycyclin [6]. Cephalosporine waren nur marginal besser wirksam als Penicillin G [4, 16, 17, 20, 26]. Cefuroximaxetil war genauso effektiv wie Doxycyclin [9, 13]. Während Doxycyclin und Ceftriaxon gleich gut wirkten [5], war die Effektivität von Makroliden meist schlechter als die anderer Antibiotika [11, 15, 23, 27]. Allerdings erwies sich in einer neuen Studie Clarithromycin bei Kindern mit Erythema migrans als gleichwertig zu Amoxicillin [19]. Bei der Lyme-Arthritis gibt es keine kontrollierten Therapiestudien, weshalb die Übertragbarkeit dieser Ergebnisse unklar bleibt. Verschiedene Antibiotika wurden empfohlen, wie parenterales Penicillin G, orale Penicilline, Amoxicillin mit oder ohne Probenecid, Ceftriaxon, Cefotaxim, Cefuroxim, Erythromycin, Roxithromycin (plus Cotrimoxa]zol), Azithromycin, Tetracyclin, Doxycyclin und andere [14, 22]. Es ist unklar, ob eine primär intravenöse antibiotische Therapie einer oralen überlegen ist. In unserer Klinik bevorzugen wir eine vierwöchige orale Therapie mit Amoxicillin oder Cefuroxim bei jungen Kindern oder Doxycyclin bei Adoleszenten. Alternativ werden in anderen Kliniken primär 14-tägige intravenöse Behandlungen eingesetzt, meist mit Ceftriaxon. Bevor ein Versagen der antibiotischen Therapie angenommen wird, sollten mindestens zwei genügend lang und hoch dosierte Behandlungen erfolgt sein. Im Falle eines Antibiotikaversagens sollte die Korrektheit der Diagnose einer Lyme-Arthritis hinterfragt und ggf. bestätigt werden.
Therapiedauer
Die Dauer der Therapie ist umstritten. Da B. burgdorferi ein langsam wachsender Organismus ist, sollte die Behandlung mindestens 10 Tage anhalten. Bei Erwachsenen mit Erythema migrans war die Verlängerung der Therapie mit Doxycyclin von 10 auf 20 Tage ohne zusätzlichen Nutzen [29]. Eine retrospektive Studie an schwedischen Kindern mit früher Neuroborreliose fand eine antibiotische Behandlung über 10 Tage ausreichend [24]. Es gibt keinen Hinweis, dass Therapien länger als 1 Monat mehr Ansprechen bringen. Der Erfolg einer Antibiotikatherapie muss klinisch beurteilt werden, da serologische Tests lange nach der klinischen Besserung positiv bleiben [21].
Bei Lyme-Arthritis wird meist Ceftriaxon 50 mg/kg/Tag (maximal 2 g) als tägliche Kurzinfusion intravenös für 14 Tage verabreicht. Auch die Gabe oraler Antibiotika (Amoxicillin, Doxycyclin), dann aber für 4 Wochen, ist möglich. Die orale Therapie ist für den Patienten meist angenehmer und preiswerter, sollte aber nicht bei Patienten mit Karditis verwendet werden [8]. Bei Penicillin- und Cephalosporinallergie können Makrolide bei Kindern unter 9 Jahren eingesetzt werden, auch wenn diese meist etwas weniger effektiv als Beta-Lactamantibiotika sind. Zur Therapie hat die Infectious Diseases Society of America Empfehlungen publiziert [28].
Bei Lyme-Arthritis wurde der Einsatz nicht-steroidaler Entzündungshemmer nicht systematisch untersucht, kann aber zusätzlich zu oder nach Antibiotika sinnvoll sein. Ein schlechteres Ansprechen auf Antibiotika bei Patienten mit Lyme-Arthritis oder später Neuroborreliose wurde nach vorheriger Glukokortikoidtherapie berichtet [2]. Nach beendeter Antibiotikatherapie sind intraartikuläre Steroide, Sulfasalazin oder Methotrexat sowie arthroskopische Synovektomie mit erneuter antibiotischer Behandlung – in dieser Reihenfolge – weitere Behandlungsoptionen.
Prävention
Mehrere Empfehlungen zur Prävention der Lyme-Borreliose wurden veröffentlicht [1, 12, 28], wobei es schwierig ist, Zeckenstiche komplett zu vermeiden. Landschaftsgärtnerische Eingriffe wie Trockenbarrieren zwischen Wald und Rasenflächen und die Nutzung von Akariziden können Zeckenzahlen in Gärten deutlich vermindern [1]. Helle in die Strümpfe gesteckte Hosen machen es den Zecken schwerer, eine geeignete Stichstelle zu erreichen, ohne bemerkt zu werden. Die Anwendung von Repellenzien mit N,N-Diethylmeta-Toluamid (DEET), Icaridin oder Permethrin auf der Kleidung kann einen Zeckenbefall für mehrere Stunden verhindern [12]. DEET und Icaridin können auch auf der Haut angewendet werden, allerdings soll der Einsatz wegen möglicher toxischer Nebenwirkungen begrenzt werden. Zecken sollten prompt von der Haut entfernt werden, da B. burgdorferi vor dem Zeckenstich im Zeckendarm leben und eine Übertragung erst Stunden nach Beginn der Blutmahlzeit erfolgt. Eine tägliche Zeckensuche während der Saison ist sinnvoll [10]. B. afzelii können aber schneller übertragen werden als B. burgdorferi sensu stricto [3]. Zecken sollten so nah wie möglich an der Stichstelle gefasst und unter stetigem Zug aus der Haut entfernt werden. Falls der Stechapparat in der Haut verbleibt, besteht kein erhöhtes Borrelioserisiko. Es kann aber zu einer bakteriellen Superinfektion kommen, weswegen eine Desinfektion erfolgen sollte.
Der Einsatz einer Antibiotikaprophylaxe nach einem Zeckenstich wird in Europa nicht empfohlen. Die Einzelgabe von 200 mg Doxycyclin reduzierte zwar in einem amerikanischen Hochrisikogebiet die Frequenz von Erythema migrans [18]. In den meisten Gegenden wird die Frequenz von Antibiotikanebenwirkungen aber die Zahl der vermiedenen Infektionen übersteigen. Doxycyclin ist für Kinder unter 9 Jahren wegen möglicher Zahnverfärbungen nicht geeignet. Außerdem gibt es auch Versager der prophylaktischen Therapie [18, 25]. Eine prompte antibiotische Behandlung der frühen Borreliosemanifestationen kann fast immer spätere Manifestationen wie Neuroborreliose oder Arthritis verhindern.
Dr. med. Frank Dressler
Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (12) Seite 46-47