In der NICE-Leitlinie zum Management der stabilen Angina pectoris wird darauf hingewiesen, die Betroffenen ausführlich zu ihrer Erkrankung zu beraten. Zur Behandlung der Symptome sind Betablocker und Kalziumkanalhemmer die Medikamente der ersten Wahl. Eine Revaskularisierung kann mit perkutaner Koronarintervention oder einer Bypassoperation durchgeführt werden.

Bei der stabilen Angina pectoris handelt es sich um eine ­relativ häufige Erkrankung. Sie ist mit einem niedrigen, aber relevanten Risiko für akute koronare Ereignisse und einer ­erhöhten Mortalität verbunden.

Die neuesten Empfehlungen des National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) zum Management der stabilen Angina pectoris wurden in einem Übersichtsartikel im „British Medical Journal“ zusammengefasst. Die Diagnostik der stabilen Angina pectoris ist Gegenstand einer älteren Richtlinie.

Information und Unterstützung

Die Experten empfehlen, die Patienten über das Krankheitsbild der stabilen Angina sowie deren Langzeitverlauf und das Therapiemanagement aufzuklären. Außerdem sollten Betroffene über Faktoren wie Aufregung, Stress, Kälteexposition oder schwere Mahlzeiten informiert werden, die eine Angina pectoris auslösen können. Falsche Vorstellungen zur Angina pectoris sowie zum Risiko für einen Herzanfall und bezüglich der Lebenserwartung sollten korrigiert werden. Manche Patienten profitieren auch von Gesprächen über Selbstmanagement-Strategien wie eine Anpassung ihrer ­Aktivitäten und Zielsetzungen oder über ein Gespräch zur Besorgnis über potenzielle Auswirkungen von Stress, Ängsten und Depressionen auf die Erkrankung. Gespräche zur körperlichen Belastbarkeit einschließlich sexueller Aktivi­täten können ebenfalls unterstützend wirken. Zur Beratung gehören auch individuelle Empfehlungen zum Lebensstil, ­beispielsweise zur Gewichtskontrolle, zur Ernährung, zum Einstellen des Rauchens oder zu Bewegung und Sport sowie Hinweise auf psychologische Unterstützung. Falls erfor­derlich, werden individuelle Behandlungsmaßnahmen ­angeboten. Dem Patienten sollte zudem erklärt werden, dass Vitamine oder Fischöle nicht verschrieben werden, da bisher kein Nutzen im Zusammenhang mit der stabilen Angina pectoris nachgewiesen werden konnte.

Prophylaxe und Anfallsmanagement

Zur Prävention und Behandlung von Anfällen empfehlen die NICE-Experten ein kurzwirksames Nitrat. Bei der Ver­ord­nung des Präparats erhält der Patient Anweisungen zur routinemäßigen Anwendung sowie zum Einsatz des Nitrats während eines Anfalls oder kurz vor einer geplanten körperlichen Anstrengung. Die Aufklärung über mögliche Nebenwirkungen wie Hitzewallungen, Kopfschmerzen und Schwindel gehört ebenfalls zum Beratungsgespräch. Im ­Hinblick auf die Selbstbehandlung eines Anginaanfalls wird der Patient angewiesen, eine zweite Dosis zuzuführen, wenn der Schmerz nach der ersten Einnahme des Nitrats nicht abklingt, und den Notarzt zu rufen, wenn der Schmerz auch fünf ­Minuten nach der zweiten Dosis nicht nachlässt. Zudem wird Betroffenen geraten, bei einer plötzlichen Verschlechterung bezüglich der Häufigkeit und Schwere der Anfälle ­professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Medikamentöse Behandlung

Die optimale medikamentöse Erstbehandlung besteht in ein oder zwei Medikamenten zur Behandlung der Symptome und zusätzlichen Präparaten zur Sekundärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen. Der Patient sollte über die Wirkungsweise, die Bedeutung der regelmäßigen Einnahme und potenzielle Nebenwirkungen aufgeklärt werden. Das Medikament zur Behandlung der Symptome wird bis zur höchsten verträglichen Dosis auftitriert. Zwei bis vier Wochen nach Behandlungsbeginn oder nach einer Umstellung der Medikation wird das Ansprechen des Patienten überprüft.

Auswahl geeigneter Medikamente

Zur Behandlung der stabilen Angina pectoris sind Beta­blocker oder Kalziumkanalhemmer die Medikamente der ersten Wahl. Andere Substanzen sollten nicht routinemäßig als erste Option herangezogen werden. Können die Sym­ptome mit Betablockern oder Kalziumkanalhemmern nicht ausreichend kontrolliert werden oder besteht eine Unverträglichkeit, wird zunächst auf das jeweils andere Medikament oder auf eine Kombination aus beiden umgestellt. Bei Patienten, die auf einen Betablocker oder einen Kalzium­kanalblocker nicht ausreichend ansprechen, die andere ­Option aber nicht vertragen oder Kontraindikationen aufweisen, kann ein langwirksames Nitrat, Ivabradin (Procoralan®), oder Ranolazin (Ranexa®) in Betracht gezogen werden. Kombiniert man einen Kalziumkanal­blocker mit einem Betablocker oder mit Ivabradin, sollte ein Dihydro­pyridin-Kalziumkanalblocker gewählt werden. Dazu gehören langsam freisetzendes Nifedipin (Adalat® und Generika), Amlodipin (Norvasc® und Generika) und Felodipin (Modip®, Munobal® und Generika).

Werden Kalziumkanalblocker und Beta­blocker nicht vertragen oder sind diese kontraindiziert, ist die Monotherapie mit einem langwirksamen Nitrat oder ­Ivabradin oder Ranolazin eine geeignete Alternative. Kann die Angina mit zwei Medikamenten kontrolliert werden, sollte kein drittes verordnet werden. Ein drittes ­Medikament wird nur ­hinzugefügt, wenn die Symptome mit den ersten beiden ­Substanzen nicht kontrolliert werden ­können und wenn die Person auf eine Revaskularisierung wartet oder wenn die ­Revaskularisierung keine geeignete Maßnahme darstellt. Ist eine Auswahl zwischen Medi­kamenten möglich, sollte diese auf der Basis von Komorbi­ditäten und Kontraindikationen sowie der Präferenzen des Patienten und der Kosten vor­genommen werden.

Medikamente zur Sekundärprävention

Zur Sekundärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen kann unter Berücksichtigung des Blutungsrisikos und der Komorbiditäten die Gabe von täglich 75 mg ASS erwogen werden. Eine Statinbehandlung oder die Behandlung von Bluthochdruck erfolgt entsprechend den NICE-Richtlinien zur Lipid- und zur Blutdruckmodifizierung. Bei Patienten mit stabiler Angina und Diabetes können ACE-Hemmer angewendet werden. Nimmt der Patient diese bereits wegen anderer Erkrankungen ein, wird die Behandlung fortgesetzt.

Untersuchungsverfahren und Revaskularisierung

Können die Symptome mit Medikamenten nicht ausreichend kontrolliert werden, raten die Experten dazu, eine Revaskularisierung in Betracht zu ziehen und den Betroffenen eine Koronarangiografie als Basis zur Planung der weiteren ­Behandlungsstrategie anzubieten. Zusätzlich können zur Entscheidungsfindung weitere nichtinvasive oder invasive funktionelle Untersuchungen erforderlich sein. Zu den nicht­invasiven Verfahren gehören die Dobutamin-Stress-Echokardio­grafie und bildgebende Verfahren zur Untersuchung der ­koronaren Durchblutung. Bei der Messung der fraktionellen Flussreserve der Koronararterie handelt es sich um eine invasive Untersuchung. Kommt eine perkutane Koronarintervention oder eine koronare Bypassoperation infrage, sollten betroffene Patienten über den Nutzen und die Risiken dieser Eingriffe aufgeklärt werden. Hat der Patient keine Präferenz, kann die perkutane Koronarintervention als kostengünstigere Variante angeboten werden. Bei Mehrgefäßerkrankung und Diabetes sowie bei Patienten über 65 Jahre oder bei einer komplexen ­Dreigefäßerkrankung mit oder ohne Beteiligung des linken Hauptstamms ist der potenzielle Überlebensvorteil in Verbindung mit der Bypass­operation im Vergleich zur perkutanen Koronarintervention zu beachten.

Vorgehen bei erfolgreicher medikamentöser Kontrolle

Bei erfolgreicher medikamentöser Kontrolle raten die Experten dazu, mit dem Patienten bestimmte Gesichtspunkte wie die Prognose ohne weitere Untersuchungen und die geringe Wahrscheinlichkeit einer linksseitigen Hauptstamm­erkrankung oder einer proximalen Dreigefäßerkrankung durch­zusprechen. Zudem sollte er auf die Möglichkeit einer ­Bypassoperation bei linksseitiger Hauptstammerkrankung oder proximaler Dreigefäßerkrankung und die damit verbundenen Vorteile und Risiken aufmerksam gemacht werden. Nach dem Gespräch sollten funktionelle Tests oder nicht­invasive Untersuchungen (computertomografische Angiografie) zur Identifizierung von Patienten überdacht werden, die einen Überlebensvorteil durch die Operation haben könnten.

Hinweise zur Revaskularisierung

Der individuelle Nutzen und die Risiken einer Revaskula­risierung sollten anhand der Schwere und Komplexität der Erkrankung und anderer relevanter Faktoren wie Komorbiditäten systematisch abgewogen werden. Die Behandlungsstrategie sollte vor allem bei Patienten mit Hauptstamm- oder Dreigefäßerkrankung diskutiert werden. Zudem sollte sichergestellt sein, dass der Patient über alle Aspekte der Behandlungsoptionen ausgewogen informiert wird und Gelegenheit zur Diskussion erhält, sodass er informierte Entscheidungen für sich treffen kann.

Ist die Revaskularisierung eine geeignete Option, wird der Patient darüber auf­geklärt, dass die Bypassoperation oder die perkutane Koronar­intervention die Symptome wirksam reduzieren kann, ­gelegentlich aber wiederholt werden muss, und dass bei ­beiden Verfahren ein Schlaganfall als seltene Komplikation auftreten kann. Bei einer Mehrgefäßerkrankung wird der Patient auf den potenziellen Überlebensvorteil im Zusammenhang mit der Bypassoperation aufmerksam gemacht.

Stabile Angina pectoris, die auf Behandlung nicht anspricht

Patienten, die auf die medikamentöse Therapie und/oder die Revaskularisierung nicht ansprechen, sollte eine umfassende Neuevaluierung und Beratung angeboten werden. Dazu kann eine Überprüfung des Krankheitsverständnisses des ­Patienten oder eine Evaluierung der Auswirkungen der Symptome auf die Lebensqualität vorgenommen werden. Außerdem raten die NICE-Experten zur Überprüfung der Diagnose unter Erwägung nicht ischämischer Schmerz­ursachen sowie einer Überprüfung der medikamentösen Behandlung und der Evaluierung zukünftiger Behandlungs- und ­Revaskularisierungsmöglichkeiten. Zur erneuten Beratung ­gehören auch Erläuterungen zum Selbstmanagement der Schmerzen und zur Rolle psychologischer Faktoren im ­Zusammenhang mit Schmerz.

Petra Stölting


Genehmigter und bearbeiteter Nachdruck aus Ars medici 13/2012


Literatur
O’Flinn Norma, Timmis Adam, Henderson Robert et al.: Management of stable angina: summary of NICE guidance, BMJ 2011; 343: d4147

Interessenkonflikte:
Manche Autoren haben Gelder von verschiedenen Pharmaunter­nehmen erhalten.

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2013; 35 (2) Seite 34-36