Die Patienten an anstehende Termine zu erinnern gehört nicht zu Ihren Aufgaben und kostet nur Mühe und Zeit? Das Gegenteil ist der Fall, wenn Sie es richtig angehen und die Vorteile der Praxis-EDV klug nutzen. Sie tun damit nicht nur etwas für das Patientenwohl, sondern ganz nebenbei auch für die Praxiskasse.

Es ist schon fast eine Glaubensfrage. Die einen sehen sich als umfassende ärztliche Dienstleister und Partner ihrer Patienten, die ihnen ein Optimum an Zuwendung und vertretbarem Service bieten. Die anderen verstehen sich als Institution, deren Anordnungen vom Patienten umzusetzen sind – schließlich will er geheilt werden. Zur ersten Richtung tendieren immer mehr Ärzte. Für viele von ihnen ist das Wort Dienstleistung auch keine hohle Floskel des Praxismarketings, sondern praktizierte Wirklichkeit. Dabei spielen in den meisten Fällen nicht einmal monetäre Überlegungen die Hauptrolle. Diese Ärzte fühlen sich verantwortlich für das Wohl ihrer Patienten und machen sich Gedanken, wie der medizinische Erfolg möglichst umfassend sichergestellt werden kann. Sie überlassen die Erinnerung ihrer Patienten an fällige Untersuchungen und Kontrollen daher nicht dem Zufall, sondern provozieren den Termin durch eine gezielte Ansprache, wenn ein medizinischer Grund gegeben ist.

In diesen Praxen ist es daher eine Selbstverständlichkeit, dem Patienten die Verwaltung der eigenen Gesundheitstermine, soweit dies sinnvoll und möglich ist, abzunehmen. Mit Hilfe eines Recall-Systems, abgewickelt über eine Praxis-EDV oder einen konventionellen Terminplaner, werden Patienten an fällige Impfauffrischungen, Labor- oder Blutdruckkontrollen, Vorsorgen oder Nachsorgen erinnert.

Vor allem denjenigen, die über eine leistungsfähige Praxis-EDV verfügen, macht dieser (manchmal sogar lebensrettende) Service nicht einmal viel Arbeit. Egal, ob der Recall per Brief erfolgt oder eine telefonische Erinnerung mündlich oder per SMS durchgeführt wird – der Computer ist bei der Durchführung eine wichtige Stütze. Im optimalen Fall druckt er gleich den fertigen Erinnerungsbrief aus, der nur noch unterschrieben, kuvertiert und zur Post gebracht werden muss. Dort, wo die Erinnerung telefonisch erfolgt, druckt der Computer die Terminliste mit Namen, Anlass und Telefonnummern oder schreibt sogar automatisch eine passende SMS.

Es gibt hier bei den Praxis-Computersystemen, wie in anderen Bereichen auch, allerdings eine Reihe von Qualitätsunterschieden. Worauf in Sachen Recall bei der EDV zu achten ist, kann einer Checkliste entnommen werden, die Sie über den nebenstehenden QR-Code abrufen können.

Auf die Formulierung kommt es an

Grundsätzlich ist bei der Einführung eines Recall-Systems zu bedenken, dass dieses Verfahren nicht unumstritten ist. Daher muss hier unbedingt sehr vorsichtig formuliert werden. Wer seinem Patienten etwas vorschreibt: "Sie müssen unbedingt wieder zu mir in die Praxis kommen, damit wir...", wird nicht nur den Patienten vergraulen, sondern unter Umständen auch noch Ärger mit der Ärztekammer bekommen. Besser sind daher "weichere" Formulierungen: "Liebe Frau Müller, wir hatten bei Ihrem letzten Besuch festgestellt, dass Ihr Blutzucker spätestens im Oktober noch einmal kontrolliert werden muss. Sofern Sie das nicht zwischenzeitlich in einer anderen Praxis haben erledigen lassen, bitte ich Sie, in Ihrem eigenen Interesse, bald einen Arzt aufzusuchen, der diese Untersuchung durchführt."

Der Text eines Recall-Briefes, analog natürlich auch die mündliche oder telefonische Erinnerung, sollte also immer so abgefasst sein, dass es dem Patienten freigestellt bleibt, wo er die Untersuchung/Therapie, an die erinnert wurde, durchführen lässt. Vor allem muss vermieden werden, direkt in die eigene Praxis einzuladen. Da 99 % der Patienten, die reagieren, ohnehin in die Praxis des erinnernden Arztes kommen, ist das auch gar nicht nötig.

Auch beim Recall den Datenschutz beachten

Damit Praxen Vorwürfen in Sachen Datenschutz im Zusammenhang mit einem Recall von vornherein aus dem Weg gehen, sollten sie sich vom Patienten vorab beim Besuch in der Praxis den "Auftrag zur Erinnerung" schriftlich bestätigen lassen. Eine solche schriftliche Bestätigung beim Patienten einzuholen, führt darüber hinaus automatisch dazu, dass er schon bei der Untersuchung gefragt wird, ob er selber an seinen Termin denkt oder ob die Praxis ihn erinnern soll. Erfahrungsgemäß wird ein solcher Service vom Patienten dankbar angenommen. Vor allem bei Terminen/Untersuchungen, die erst in einigen Monaten erfolgen sollen.

Umsätze gleichen die Kosten aus

Es gibt nun allerdings auch Ärzte, die solche Erinnerungen zwar für medizinisch sinnvoll erachten, aber nur die Kosten sehen, die damit verbunden sind. Immerhin fallen für Zeitaufwand und ggf. Porto tatsächlich nicht unerhebliche Aufwendungen an. Andererseits muss man aber auch davon ausgehen, dass ein Besuch des Patienten aufgrund einer solchen Einladung nicht nur die Honorare für Blutdruckkontrolle oder Tetanus-Auffrischung einbringt. In sehr vielen Fällen werden weitere spezielle Untersuchungen und eventuell Therapien mit (IGeL-)Umsätzen ausgelöst. Von daher ist es sehr kurzfristig gedacht und betriebswirtschaftlich unklug, nur die Kosten und nicht die möglichen Umsätze zu sehen.

Bei denjenigen, für die Ethik wichtiger ist als Monetik, spielen die Kosten für die Erinnerung ohnehin nicht die größte Rolle. Sie sehen den wichtigsten Faktor des Recalls in seinem medizinischen Nutzen. Schließlich können etliche Krankheiten verhindert oder Folgen vermieden werden, wenn rechtzeitig notwendige Kontrolluntersuchungen, Impfauffrischungen und dergleichen durchgeführt werden. Es gibt Experten, die meinen sogar, dass es bei einigen Krankheiten eigentlich schon als Behandlungsfehler anzusehen ist, keinen Recall zu betreiben.

Für Patienten ist die persönliche Erinnerung jedenfalls immer ein Beweis, dass "ihr" Doktor sie ernst nimmt und an sie denkt. Selbst wenn kein "harter" medizinischer Grund vorliegt, wie fällige Vor- und Nachsorgen, Laborwertekontrollen (Blutzucker, Fette, Eiweiß usw.), Blutdruckkontrollen oder Impftermine, kann eine Recall-Aktion sinnvoll sein. Hinweise auf bevorstehende Vorträge oder Sendungen im Fernsehen, die Entdeckung neuer Produkte zur Selbstdiagnose (Diabetiker, Hochdruckpatienten), neue Adressen von Kontaktstellen (Diabetes, Epilepsie, Neurodermitis etc.) dürften vielen Patienten eine wichtige Hilfe bieten.



Autor:

Werner M. Lamers

Seit 1984 Unternehmensberater im Gesundheitswesen
Lamers Praxisberatung
48727 Billerbeck

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (20) Seite 56-57