Körperliche Nähe, Streicheln, spontaner Sex – was für Menschen mit gesunder Haut ganz normal klingt, kann für Psoriasis-Betroffene sehr unangenehm sein. Denn sie leiden tagtäglich unter ihrer geröteten und schuppenden Haut und wollen nicht gern berührt werden. Berührungen, Beziehungen und Sexualität zählen jedoch zu den wichtigsten Grundbedürfnissen jedes Menschen.

Von einer Diagnose wie Psoriasis oder Psoriasis-Arthritis wird der Alltag mit Partner und Familie genauso in Mitleidenschaft gezogen wie die Karriereplanung, die Freizeitgestaltung und der Urlaub. Die Ausgrenzungen und Stigmatisierungen in der Öffentlichkeit und im gesamten sozialen Umfeld sowie der erzwungene Verzicht auf Einladungen oder sportliche Aktivitäten werden als sehr enttäuschend, kränkend und diskriminierend empfunden. Eine chronische Autoimmunerkrankung bedeutet deshalb in der Regel eine sehr große Verunsicherung und seelische Belastung für die Betroffenen.

Wie wirkt sich die Erkrankung auf Partnerschaft und Sexualität aus?

Menschen mit einer Hauterkrankung fühlen sich selbst und für ihren Partner oft nicht mehr attraktiv und liebenswert genug. Sie ziehen sich deshalb zurück und vermeiden Körperkontakt. Insbesondere bei Hautläsionen im Genitalbereich ist der Leidensdruck sehr hoch. Denn der Intimbereich kann von wunden Stellen und sehr starkem Juckreiz betroffen sein, besonders nach dem Geschlechtsverkehr: Gesäßfalte und Anus sowie Penis und Hoden bzw. Schamhügel und Schamlippen bis in die Vagina.

Die Autoimmunerkrankung ist jedoch auch dann ein Problem für Paarbeziehungen, wenn die Irritationen nicht direkt im Genitalbereich auftreten. Denn die Haut bestimmt nicht nur maßgeblich unsere Attraktivität, sie ist auch unser größtes Sinnesorgan.

Ohne Berührung ist der Mensch nicht lebensfähig

Die gesunde Haut ist unsere Grenze nach innen und nach außen und bietet zuverlässigen Schutz vor Verletzungen und Mikroorganismen. Sie ist eine Projektionsfläche für Emotionen, da wir auf feinste Impulse mit Erröten, Schwitzen oder einer Gänsehaut reagieren können.

Der Tastsinn ist der erste Sinn, er entwickelt sich im Mutterleib bereits in der 8. Schwangerschaftswoche und ermöglicht uns eine Orientierung in der Welt. Genauso werden Streicheln und Zärtlichkeiten von Anfang an und bis ins hohe Alter mit Priorität wahrgenommen. Deshalb vermag uns körperlicher Kontakt sehr gut zu trösten, zu beruhigen, zu entspannen – und auch sexuell zu erregen.

Streicheln geht unter die Haut

Bei angenehmer Berührung wird das Wohlfühlhormon Oxytocin ausgeschüttet, das Stress reduziert, die Atmung und den Herzschlag reguliert und Schmerzen lindern kann. Oxytocin hilft auch dabei, die Bindung in einer Paarbeziehung zu stärken.

Großteil der Betroffenen fühlt sich eingeschränkt, Großteil der Partner nicht

In einer empirischen Studie [3]wurden Patienten konkret danach befragt, wie die Schuppenflechte ihre Partnerschaft und Sexualität beeinträchtigt:

  • Über 80 %der Psoriatiker fühlen sich gehemmt.
  • Ein Drittel (27,4 %) der Befragten fühlt sich in der gemeinsamen Sexualität stark bis sehr stark eingeschränkt. Je stärker die Hautläsionen ausgeprägt sind, desto mehr sind sie durch die Erkrankung in ihrem sexuellen Erleben beeinträchtigt.
  • 45 % wünschen sich eine bessere sexualmedizinische Beratung. Davon haben 80 % von ihrem Arzt noch nie entsprechende Informationen erhalten.
  • 91 % (!) der Partner gaben an, dass sie durch die Erkrankung in ihrer Sexualität keine Einschränkungen haben!

Zitate von Frauen und Männern mit Psoriasis im Genitalbereich [1]:
  • „Meine Beziehung ist daran zerbrochen, und ich habe seitdem keine Partnerin mehr gehabt.“
  • „Ich vermeide es, mit meinem Mann Sex zu haben, und finde immer wieder Ausreden.“
  • „Für mich ist der Sex ziemlich schmerzhaft, daher muss ich leider darauf verzichten. Wie lange noch meine Frau damit umgehen kann, ist ungewiss.“
  • „Nach dem Sex mit meinem Partner habe ich wochenlang starken Juckreiz, das treibt mich noch in den Wahnsinn.“
  • „Beim ersten Sex mit meinem Date ist sie erschrocken und hat gefragt, ob ich Aids habe.“
  • „Es sieht so unschön aus, da habe ich mir im Intimbereich sogar Make-up draufgeschmiert, so verzweifelt war ich.“

Eine chronische Autoimmunerkrankung wie Psoriasis oder Psoriasis-Arthritis verlangt deshalb von Paaren ganz besonders viel gegenseitiges Verständnis, Flexibilität und Kompromissbereitschaft sowie eine gute Kommunikation, um die alltäglichen Herausforderungen gemeinsam zu meistern. Kuscheln, Umarmungen und eine befriedigende Sexualität können dabei gerade in schweren Zeiten viel Kraft und Ausdauer schenken.

Schmerzen sind wahre Lustkiller

Schmerzende Gelenke und juckende Haut sind wahre Lustkiller und können den Geschlechtsverkehr stark behindern. Nur der Hautarzt kann bei Symptomen im Genitalbereich adäquate Behandlungsmöglichkeiten anbieten, die helfen, das Hautbild und in der Folge den sexuellen Kontakt zu verbessern. Zumal an diesen besonders empfindlichen Stellen die Patienten mit einer Selbstmedikation sehr viel falsch machen können. Deshalb sollten Dermatologen ihre Patienten konkret darauf ansprechen. Oft reicht eine Frage wie: „Merken Sie Auswirkungen der Erkrankung im partnerschaftlichen oder sexuellen Bereich?“, um die Psoriasis im Genitalbereich zu thematisieren und eine optimale Behandlung zu ermöglichen. Das erleichtert dem Patienten den schamfreien Einstieg in ein vertrauliches Arztgespräch.

Der Hautarzt kann in der Folge auf weitere mögliche Anlaufstellen mit ausgebildeten Ansprechpartnern hinweisen, zum Beispiel Paarberater, Sexualberater, Psychotherapeuten sowie Rehakliniken oder Schuppenflechte-Selbsthilfegruppen. Ein entsprechender Infozettel mit Kontaktadressen könnte im Wartebereich ausliegen und dem Patienten so schon im Vorfeld signalisieren, dass seine Fragen willkommen sind.

Händchenhalten lindert Schmerzen
In einer Studie konnte nachgewiesen werden, dass durch die Anteilnahme eines liebevollen Partners und eine Berührung wie Händchenhalten bei Arztterminen und unangenehmen Untersuchungen die Schmerzen als wesentlich geringer eingestuft werden [2].


Literatur
1. Facebook-Selbsthilfegruppe des Vereins PSO-Austria
2. Goldstein P et al.: Empathy predicts an experimental pain reduction during touch, Journal of Pain, DOI: 10.1016/j.jpain.2016.06.007
3. Rothermund E et al.: Sexualität und Partnerschaft bei Psoriasis. In: Sexuologie, 11/2004: 98–106


Autorin:

© privat
Angelika Erz

Dipl. psych. Lebensberaterin mit dem Schwerpunkt Partnerschaft und Sexualität

Erschienen in: DERMAforum, 2020; 24 (12) Seite 16