Mikro- und Makrohämaturie sind Befunde, die im allgemeinmedizinischen Alltag häufig anzutreffen sind. Genauso häufig stellt sich jedoch die Frage, welche Konsequenz sich aus diesem Befund ergibt. Welche Ursache steckt hinter der Hämaturie? Welcher Patient soll weiter abgeklärt werden? Und welche diagnostische Sequenz ist dann sinnvoll?

Bislang bieten weder die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) noch das europäische Pendant (EAU) eine Leitlinie zur Abklärung der Hämaturie an. Neben der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) [1] existiert eine Leitlinie zur Abklärung der asymptomatischen Mikrohämaturie der Amerikanischen Gesellschaft für Urologie (AUA) [2].

Makro- oder Mikrohämaturie?

In repräsentativen Screeningstudien stellt die Mikrohämaturie mit einer Prävalenz von 2,4 bis 31,1 % einen für den Praxisalltag bedeutsamen Befund dar. Für eine pragmatische und zielorientierte Diagnostik ist ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen nötig.

Zunächst gilt es, zwischen einer Makrohämaturie, die mit dem bloßen Auge sichtbar ist, und einer Mikrohämaturie, die lediglich mikroskopisch oder mittels Teststreifensystem detektierbar ist, zu unterscheiden. Die Wahrscheinlichkeit einer malignen Ursache liegt im Falle einer Mikrohämaturie bei ca. 5 %, im Falle einer Makrohämaturie jedoch bei ca. 19 %. Dementsprechend unterschiedlich ist der prozentuale Anteil der idiopathischen Hämaturie: 72 % bei Makro- bzw. 83 % bei Mikrohämaturie [3].

Weitere häufig anzutreffende Ursachen sind Infektionen, Urolithiasis, Prostatahyperplasie, Glomerulopathien, polyzystische Nierenerkrankungen, Endometriose, Trauma sowie körperliche Belastung. Zudem kann eine Hämaturie durch Fremdkörper (z. B. Katheter und Harnleiterschienen) bedingt oder auch Folge einer vorangegangenen Beckenbestrahlung sein.

Abschätzung des Malignitätsrisikos

Um das Malignitätsrisiko genauer einschätzen zu können, ist nach statistischen Risikofaktoren zu suchen. Hierzu gehören männliches Geschlecht, Alter > 35 Jahre, Nikotinabusus, Exposition von karzinogenen Substanzen, Analgetikaabusus, Makrohämaturie, irritative Miktionsbeschwerden, rezidivierende Harnwegsinfektion, vorherige Radiatio des Beckens, karzinogene Medikamente sowie dauerhafte Fremdkörper wie Blasenkatheter.



Zudem muss eruiert werden, ob eine symptomatische Hämaturie vorliegt. Dadurch lässt sich die Ursache oftmals schon eingrenzen und tendenziell einer Fachrichtung zuordnen. Zu den wichtigsten Kriterien zählen Dysurie/Algurie, Schmerzen/Kolik, Leukozyturie, auffällige Entzündungsparameter im Blut, Fieber/Schüttelfrost (Urologie), auffällige Retentionsparameter, Proteinurie, Hypertonie, Ödeme (Nephrologie), Menstruation/vaginale Blutungen (Gynäkologie) sowie eine positive Tumoranamnese. Wurde der Urin nicht nur per Urinschnelltest untersucht, sondern mikroskopiert, so lassen sich weitere Differenzierungen hinsichtlich glomerulärer beziehungsweise postrenaler Ursache anstellen. Die Urinzytologie kann Hinweise auf maligne Zellen im Urinsediment liefern.

Makrohämaturie unter Antikoagulation

Etwa jeder zweite Patient mit Makrohämaturie nimmt orale Antikoagulantien ein. Bei dieser Patientengruppe ist genauso eine Abklärung notwendig, denn bei ungefähr der Hälfte findet sich eine konkrete Ursache. Antikoagulantien verlängern den stationären Aufenthalt und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient eine Intervention benötigt [4].

Praktisches Vorgehen

Die Uringewinnung sollte bei Männern als Mittelstrahlurin, bei Frauen entweder als Mittelstrahlurin oder Katheterurin erfolgen. Dies kann Verunreinigungen verhindern, was besonders bei Adipositas, genitalen Infekten und möglichen vaginalen Blutungen zu beachten ist. Eine Wiederholung des Tests bei positivem Befund zur Kontrolle wird nicht empfohlen, da gerade Malignome die Eigenschaft haben, intermittierend zu bluten. Damit bestünde die Gefahr, sich bei negativer Kontrolle in falscher Sicherheit zu wiegen.

Die Urinuntersuchung kann zunächst per Urinschnelltest erfolgen, der für Mikrohämaturie eine Sensitivität von 95 – 100 % bietet. Allerdings liegt die Spezifität nur bei 65 – 95 %. Bei pathologischem Befund ist die Sequenz Urinsediment, Urinmikroskopie und falls verfügbar Urinzytologie wegweisend.

Liegt nun eine bekannte Ursache vor (z. B. Harnwegsinfektion), sollte diese behandelt werden und im Intervall eine Urinkontrolle stattfinden. Hierbei ist auf einen ausreichenden Zeitabstand zum Therapieende zu achten. Ist weiterhin keine Ursache fassbar, sollten Nieren und Harnblase sonographiert und die Nierenfunktion bestimmt werden. Zystoskopie und Computertomographie mit Urogramm haben Bedeutung in der Darstellung der Harnblase und des ableitenden Hohlsystems.

Sollten diese Untersuchungen keine Ätiologie aufzeigen können, wird eine jährliche Urinkontrolle in den nächsten zwei Jahren empfohlen. Liegen jedoch Risikofaktoren für eine maligne Ursache vor, sind individuell weitere Abklärungsmaßnahmen zu erwägen. Diese sind retrograde Ureteropyelographie, Ureterorenoskopie und Zystoskopie mit photodynamischer Fluoreszenzdiagnostik (PDD).


Literatur:
1. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, S1-Handlungsempfehlung "nicht-sichtbare Hämaturie", Stand 2013.
2. Diagnosis, Evaluation und Follow-up of Asymptomatic Microhematuria (AMH) in Adults: AUA Guideline Algorithm, 2012.
3. Edwards TJ et al (2006), A prospective analysis of the diagnostic yield resulting from the attendance of 4020 patients at a protocol-driven haematuria clinic. BJU Int.;97(2):301-5; discussion 305.
4. Satasivam P. et al (2012), The effect of oral anticoagulation on the prevalence and management of haematuria in a contemporary Australian patient cohort. BJU Int.;110 Suppl 4:80-4.




Dr. med. Joachim Reichle, Stuttgart

und Dr. med. Jens Mundhenk
Klinik für Urologie
Diakonie-Klinikum Stuttgart
70176 Stuttgart

Interessenkonflikte: keine deklariert


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (11) Seite 60-62