In der letzten Ausgabe (21/2018) wurden die neuen STIKO-Empfehlungen zu einzelnen Impfungen vorgestellt. Neu ist außerdem ein Abschnitt über das "Impfmanagement in der Arztpraxis", auf den im folgenden Beitrag eingegangen werden soll. Er beinhaltet u.a. praxisrelevante Empfehlungen zur Einbindung von Medizinischen Fachangestellten und konkrete praktische Hinweise zur Lagerung und zur Applikation von Impfstoffen.

Jeder Arztbesuch sollte dafür genutzt werden, den Impfstatus von Patienten zu überprüfen und ggf. zu vervollständigen, heißt es in den STIKO-Empfehlungen. Anlässe zur routinemäßigen Überprüfung des Impfstatus können Vorsorgeuntersuchungen (z. B. Untersuchungen im Kindesalter, die J1/J2-Untersuchung bei Jugendlichen sowie Gesundheits-Check-ups und Vorsorgeuntersuchungen bei Erwachsenen), Erstkontakte mit neuen Patienten, besondere Ereignisse (z. B. Behandlung nach Unfällen oder Verletzungen, Kindergarten-Eintritt, Gesundheitsbescheinigungen für Praktika, Berufs- bzw. Stellenwechsel) oder saisonale Anlässe (Reiseimpfungen, FSME- oder Influenza-Impfungen) sein.

Die Einrichtung eines Erinnerungs-(Recall-)Systems kann dabei helfen, Patienten rechtzeitig an fällige Impfungen zu erinnern und die Teilnahmerate zu erhöhen. Die Erinnerung der zu Impfenden kann schriftlich, telefonisch oder per E-Mail erfolgen. Patienten müssen mittels Unterschrift dazu im Vorfeld ihr Einverständnis geben.

Organisatorische Aufgaben und Logistik

Für ein effizientes und erfolgreiches Impfmanagement in der Praxis kann es sehr hilfreich sein, gezielt eine einzelne MFA und zusätzlich eine Stellvertretende mit der Organisation zu beauftragen. Zu den Routineaufgaben dieser beiden Personen können die Bestandskontrolle und Bestellung der Impfstoffe, die Schulung der übrigen Mitarbeiter sowie das praktische Impfmanagement gehören. Viele Praxisverwaltungssysteme bieten nützliche Hilfen zur Verwaltung des Impfstoffdepots an.

Das Praxispersonal kann durch gezielte Maßnahmen das Impfmanagement in der Praxis unterstützen. Bei der Terminvergabe kann daran erinnert werden, Impfpässe zur Prüfung mitzubringen, oder Terminzettel können mit Hinweisen zur Vorlage des Impfpasses beim nächsten Arzttermin ergänzt werden. Geschultes Personal kann den aktuellen Impfstatus auf Basis der Impfpasseinträge erfassen, Impflücken identifizieren und bei Bedarf einen Impfplan erstellen. Im Gespräch mit den zu Impfenden kann das Praxispersonal bereits über ausstehende Impfungen informieren, Informationsmaterial zur entsprechenden Impfung aushändigen und zur Impfung motivieren. Die Medizinischen Fachangestellten können die Ärzte bei Vorlage der Patientenunterlagen auf mögliche Impflücken hinweisen. Sind Impfungen im Rahmen des Praxisbesuches geplant, können Impfpass und Impfstoff durch das Praxispersonal vorbereitet werden.

Lagerung der Impfstoffe

Impfstoffe sind empfindliche biologische Produkte und müssen vor allem vor Erwärmung und vor Licht geschützt werden. Alle Impfstoffe sollen in der Originalverpackung in einem separaten Kühlschrank bei +2°C bis +8°C gelagert werden. Die Impfstoffe sollten auf keinen Fall Kontakt zur Außenwand des Kühlschranks haben und nicht in der Kühlschranktür gelagert werden. Besonders geeignet sind Spezialkühlschränke, es können aber auch Haushaltskühlschränke ohne Eisfach genutzt werden. Der Kühlschrank sollte ausschließlich zum Kühlen von Impfstoffen und anderen Arzneistoffen verwendet werden. Die Lagertemperatur sollte regelmäßig – am besten morgens und abends, aber mindestens einmal täglich – überprüft werden. Zur Erfassung eignet sich ein Thermometer, das die Minimal- und Maximaltemperatur anzeigt, oder ein Thermometer-Datenlogger, der die Temperatur fortlaufend misst. Das Thermometer sollte in der Mitte des Kühlschranks platziert werden. Die Ergebnisse der Kontrolle sollten dokumentiert werden.

Impfstoffe, die versehentlich falsch gelagert oder eingefroren wurden, müssen verworfen werden. Durch das Einfrieren können Haarrisse in den Ampullen entstehen und der Impfstoff kann unsteril werden. Angefrorene oder tiefgefrorene Adsorbatimpfstoffe sind schlechter verträglich und können zu eitrigen Entzündungen oder Spritzenabszessen führen.

Besonders empfindlich sind Lebendimpfstoffe (MMR, Varizellen, Herpes-zoster-Lebendimpfstoff, nasaler Influenza-Lebendimpfstoff (LAIV), Rotavirus, Gelbfieber), die vermehrungsfähige Viren enthalten. Bei diesen Impfstoffen muss eine lückenlose Kühlkette eingehalten werden.

Impfstoffvorbereitung und Injektion des Impfstoffes

Der Impfstoff sollte erst kurz vor der Anwendung aus dem Kühlschrank genommen werden. Vor dem Öffnen sollte der Impfstoffbehälter kräftig geschüttelt werden. Impfstoffe dürfen nicht mit Desinfektionsmitteln in Kontakt kommen. Durchstechstopfen müssen trocken sein. Die Injektionskanüle sollte trocken sein, insbesondere sollte kein Impfstoff die Kanüle außen benetzen. Dies macht die Injektion schmerzhaft und kann zu Entzündungen im Bereich des Stichkanals führen. Nach Aufziehen des Impfstoffs in die Spritze und dem Entfernen evtl. vorhandener Luft sollte eine neue Kanüle für die Injektion aufgesetzt werden. Der aufgezogene Impfstoff soll innerhalb von zwei bis fünf Minuten verwendet werden.

Unter Beachtung der vom Hersteller angegebenen (Mindest-) Einwirkzeit soll die Impfstelle desinfiziert werden. Bei der Injektion sollte die Haut wieder trocken sein. Die Injektion des Impfstoffs kann nach ärztlicher Indikationsstellung an qualifizierte Medizinische Fachangestellte delegiert werden. Für intramuskulär zu injizierende Impfstoffe ist die bevorzugte Impfstelle der M. deltoideus. Solange dieser Muskel nicht ausreichend ausgebildet ist (z. B. bei Säuglingen und Kleinkindern), wird empfohlen, in den M. vastus lateralis (anterolateraler Oberschenkel) zu injizieren. Hier ist die Gefahr einer Verletzung von Nerven oder Gefäßen gering. Eine Aspiration ist an diesen Injektionsorten nicht erforderlich.

Bei Injektion von Adsorbatimpfstoffen in das subkutane Fettgewebe kann es zu schmerzhaften Entzündungen und zur Bildung von Granulomen oder Zysten kommen.

Darüber hinaus ist bei Injektion in das Fettgewebe der Impferfolg infrage gestellt.

Impfempfehlungen für Migranten und Asylsuchende

Neu aufgenommen wurden konkrete Empfehlungen für "MigrantInnen und Asylsuchende":

Kinder und Jugendliche, die ungeimpft sind bzw. deren Impfstatus unklar ist, sollten Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis sowie gegen Poliomyelitis, Masern, Mumps, Röteln, Varizellen, Hepatitis B, Meningokokken C und HPV (ab dem Alter von neun Jahren) bekommen.

Säuglinge sollten zusätzlich gegen Rotaviren (Abschluss der Impfserie bis zum Alter von 24 Wochen (Rotarix®) bzw. 32 Wochen (RotaTeq®)) geimpft werden. Säuglinge und Kleinkinder sollen gegen Pneumokokken (bis zum Alter von 24 Monaten) und Haemophilus influenzae Typ B (bis zum Alter von vier Jahren) geimpft werden.

Kinder, bei denen eine Grundimmunisierung gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis und Poliomyelitis dokumentiert ist, benötigen eine einmalige Auffrischimpfung im Abstand von fünf Jahren zur Grundimmunisierung.

Ungeimpfte Erwachsene bzw. Erwachsene mit unklarem Impfstatus sollten Erstimmunisierungen gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis und Poliomyelitis erhalten. Erwachsene, die bereits eine Grundimmunisierung gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis und Poliomyelitis aufweisen, sollen in zehnjährigem Abstand zur vorangegangenen Impfung eine Tdap-IPV-Auffrischimpfung bekommen.

Nach 1970 Geborene sollten einmalig gegen Masern (MMR) geimpft werden. Frauen im gebärfähigen Alter sollten zweimal gegen Röteln (MMR) geimpft werden und seronegative Frauen mit Kinderwunsch sollten zweimal gegen Varizellen geimpft werden. Ab dem Alter von 60 Jahren ist zusätzlich eine Pneumokokken- Impfung und jährlich im Herbst eine Influenza-Impfung empfohlen.

Für die Aufklärung der zu impfenden Person über die zu verhütende Krankheit und die geplante Impfung stellt das RKI Informationsmaterialien einschließlich Einwilligungserklärung in mehreren (aktuell 19!) Sprachen im Internet zur Verfügung.

Das Zusammenleben über einen längeren Zeitraum unter beengten Wohnbedingungen (z. B. in Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber) erhöht die Wahrscheinlichkeit für Ausbrüche von Infektionskrankheiten. In Einrichtungen, in denen die Umsetzung der STIKO-Empfehlungen durch kurze Verweildauern erschwert ist, da ggf. nur ein Impftermin möglich ist, sollte eine Priorisierung der Impfungen erfolgen (Tabelle 1).

Falls in der Einrichtung Impfstoffe nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, sollten Kinder bevorzugt geimpft werden.

Aufgrund des engen Zusammenlebens in Erstaufnahmeeinrichtungen oder Gemeinschaftsunterkünften besteht ein erhöhtes Risiko für Influenza-Ausbrüche. Es kann daher durch die lokalen Gesundheitsbehörden erwogen werden, über die STIKO-Empfehlung hinausgehend in den Herbst- und Wintermonaten nicht nur den Risikogruppen, sondern allen Bewohnern eine Impfung gegen die saisonale Influenza anzubieten.

Mitarbeiter von Erstaufnahmeeinrichtungen oder Gemeinschaftsunterkünften

Mitarbeiter (inklusive beispielsweise ehrenamtliche Helfer), die in Erstaufnahmeeinrichtungen oder Gemeinschaftsunterkünften tätig sind, sollen gemäß den aktuellen Impfempfehlungen der STIKO für das entsprechende Alter geimpft werden.

Der Impfstatus gegen Tetanus, Diphtherie, Poliomyelitis, Pertussis sowie gegen Masern (für nach 1970 Geborene), Mumps und Röteln sollte möglichst auf Basis des Eintrages im Impfausweis geprüft werden. Bei angestellten Mitarbeitern ist die ArbmedVV zu beachten.

Die STIKO empfiehlt die folgenden beruflichen Indikationsimpfungen für Mitarbeiter mit erhöhtem Expositionsrisiko in den Einrichtungen:
  • Hepatitis A
  • Hepatitis B
  • Auffrischimpfung gegen Poliomyelitis, falls die letzte Impfung vor mehr als zehn Jahren erfolgte
  • saisonale Influenza

Literatur:
Ständige Impfkommission: Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut. Epid Bull 2018; 34: 335 – 382


Autor:

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Dr. Andreas H. Leischker, M.A.

Facharzt für Innere Medizin – Reisemedizin (DTG), Flugmedizinischer Sachverständiger, Gelbfieberimpfstation
Alexianer Krefeld GmbH
47918 Krefeld

Interessenkonflikte: Beratertätigkeit (Advisory Board) für die Firmen Sanofi und GSK



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (1) Seite 39-42