Urtikaria ist eine häufige Störung und in jedem Lebensalter möglich. Die Hauterkrankung ist leicht diagnostizierbar, da die Symptome eindeutig sind: juckende Quaddeln und/oder Angioödeme. Man unterscheidet spontane von induzierbarer Urtikaria. Eine Ursachensuche ist nur bei längerer und schwerer Erkrankung bei der spontanen Form notwendig. Therapeutisch sind Antihistaminika der 2. Generation in höherer Dosierung der Goldstandard. Mit Omalizumab steht seit einem Jahr eine neue Behandlungsoption bei therapieresistenter spontaner Urtikaria zur Verfügung.

Typische Symptome einer Urtikaria sind juckende Quaddeln und/oder schmerzhafte Angioödeme, die kontinuierlich oder im Intervall auftreten. Die Symptome können auf der gesamten Haut, manchmal auch im Schleimhautbereich vorkommen. Die einzelnen Quaddeln bestehen an einem Ort nicht länger als 24 Stunden, Angioödeme können über zwei bis drei Tage symptomatisch sein (Abb. 1). Nach der Erkrankungsdauer unterscheidet man akute Formen (< 6 Wochen Bestand) von chronischen Formen (> 6 Wochen Bestand), nach der Art des Auftretens spontane und induzierbare sowie gemischte Formen (Tabelle 1).

Zur genauen Klassifizierung der Erkrankung und zur Bestimmung der Ausprägung (Krankheitslast) ist eine gründliche und systematische Anamnese mit standardisierten Fragebögen hilfreich. Der Urtikaria-Kontroll-Test (UCT) ist ein Fragebogen, der mit Hilfe von nur vier Fragen die aktuelle Situation der Krankheitsaktivität inklusive Lebensqualität bestimmt. Diese sollte bei jedem Besuch ermittelt werden. Mehr darüber ist über die Webpage www.urtikaria.net kostenfrei abrufbar.

Jeder vierte Mensch entwickelt im Laufe seines Lebens eine Urtikaria. Sie kann in jedem Lebensalter auftreten. Der häufigste Subtyp ist die akute spontane Urtikaria.

Differenzialdiagnosen

Bestehen die urtikariellen Hautveränderungen länger als 24 h, sind hämorrhagisch, blasig oder heilen mit Hyperpigmentierung ab, sind Differenzialdiagnosen wie Urtikariavaskulitis oder blasenbildende Erkrankungen durch eine Probebiopsie auszuschließen. An seltene autoinflammatorische Syndrome, die häufig hereditär sind, sollte bei zusätzlichen Fieberschüben, Gelenkbeschwerden und Müdigkeit gedacht werden.

Akute spontane Urtikaria

Bei der spontanen Urtikaria treten die Symptome unberechenbar spontan ohne Prodromi kontinuierlich oder im Schub auf. Eine akute spontane Urtikaria dauert maximal sechs Wochen. Früher wurde bei Auftreten einer akuten Urtikaria meist an Allergien als Auslöser gedacht. Heute ist bekannt, dass die häufigste Ursache einer akuten spontanen Urtikaria Infekte sind. Häufig handelt es sich um Hals-Nasen-Ohren-Infekte oder – gerade bei Kindern – um Magen-Darm-Infekte. Dabei hält die Urtikaria häufig länger an als der Infekt. Nicht jede anamnestisch vermutete Antibiotika-Allergie ist auf das Antibiotikum zurückzuführen. Typisch für eine akute allergische Reaktion sind Urtikaria nach Insektenstichen (Biene oder Wespe) oder auch nach Verzehr von Nahrungsmitteln. Dies ist durch eine gute Anamnese und Allergie-Diagnostik leicht zu eruieren.

Bei Erstauftreten der Symptome sollte eine Allergie-Abklärung erst nach drei bis vier Wochen erfolgen, da erst dann vermutete Antikörper im Blut nachweisbar sind. Reaktionen auf Schmerzmittel wie nichtsteroidale Antiphlogistika, z. B. Acetylsalicylsäure, Diclofenac oder Ibuprofen, werden häufig gerade im Zusammenhang mit Infekten beschrieben. Hier handelt es sich um Pseudoallergien, das heißt, es sind keine Antikörper im Blut nachweisbar. Bei eindeutigem Verdacht sollte diese gesamte Medikamentengruppe in Zukunft gemieden werden, da Kreuzreaktionen untereinander möglich sind.

Management der akuten Urtikaria

Eine eingehende Anamnese zu Beginn ist wichtig. Erfragt werden sollten Symptomdauer und -schwere, auslösende Faktoren wie Infekte, relevante Allergene oder Medikamente. Bei Verdacht eines Allergens sollte dies soweit möglich gemieden werden. Nachgewiesene Infekte sollten adäquat behandelt werden. Therapeutisch sind alle Urtikaria-Subformen mit Antihistaminika der 2. Generation zu therapieren. Sollte die empfohlene Tagesdosis nicht ausreichen, ist ein Updosing bis zur vierfachen Dosis möglich und sicher. Bei Bestand der Symptomatik kann kurzzeitig mit Kortikosteroiden (maximal sieben bis zehn Tage, Prednisolonäquivalent 0,5 – 1 mg/kg Körpergewicht) therapiert werden (Tabelle 2). Eine entsprechende Allergiediagnostik sollte bei Verdacht einer Typ-I-Sensibilisierung drei bis vier Wochen nach dem ersten Auftreten der urtikariellen Symptome erfolgen, das vermeintliche Allergen muss gemieden werden. Ein Notfallset mit Antihistaminikum, Kortison und ggf. Epipen® ist dann je nach Anamnese erforderlich.

Chronisch spontane Urtikaria (CsU)

Die CsU hält länger als sechs Wochen und kann kontinuierlich, täglich oder schubweise mit symptomfreien Intervallen auftreten. Anders als bei der akuten spontanen Urtikaria wird bei monatelangem Bestand und ausgeprägter Symptomatik eine Ursachen- und/oder Triggersuche empfohlen.

Häufige Ursachen sind:

  1. Infekte im Hals-Nasen-Rachen- und Zahnbereich. Auch wenn keine Symptome bestehen, sollten diese Regionen von Spezialisten genauer untersucht werden. Auch Helicobacter pylori oder seltener eine Yersinien-Besiedlung ist eine mögliche Ursache einer chronischen Urtikaria. Die Stuhldiagnostik zum Nachweis eines Yersinien-Infektes ist selten erfolgreich.Hier lohnt sich eine Blutuntersuchung. H. pylori ist mittels Atemtest oder Stuhldiagnostik zu diagnostizieren. Die Eradikation kann parallel zur symptomatischen Antihistaminika-Therapie durchgeführt werden.
  2. Intoleranzreaktionen auf Konservierungs- und Farbstoffe oder durch histaminreiche Kost können urtikarielle Symptome triggern. Blutuntersuchungen gibt es dazu nicht. Diäten über mindestens drei Wochen sind empfehlenswert (Vorlagen: www.urtikaria.net). Das Führen eines Symptomtagebuches zeigt nach drei Wochen schnell, inwieweit die Diät erfolgreich war. Eine Fortführung sollte nur dann über mehrere Monate erfolgen, wenn es während der ersten drei Wochen zu einer mindestens 50 %igen Reduktion der Symptome kam. Später kann dann die Diät gelockert werden.
  3. Die autoreaktive Gruppe ist ein weiterer Subtyp der chronischen spontanen Urtikaria. Hier dient ein autologer Serum-Skin-Test (ASST) als diagnostischer Wegweiser. Dazu wird Patientenblut abgesert und ein Intrakutantest durchgeführt. Sollte dieser positiv sein, ist eine weitere Autoimmundiagnostik zu empfehlen mit Abklärung anderer autoimmuner Erkrankungen wie z. B. Hashimoto-Thyreoiditis oder ANA-Screening.
  4. Sehr selten sind Allergien bei der chronischen spontanen Urtikaria. Ein Symptomtagebuch ist bei Verdacht ratsam.

Management der chronisch spontanen Urtikaria

Der Goldstandard der Therapie aller Urtikaria-Subtypen ist die Therapie mit Antihistaminika der 2. Generation inklusive Updosing bis zur vierfach zugelassenen Tagesdosis. Sollte dies nicht ausreichend sein, kann ein anderes Antihistaminikum der 2. Generation Anwendung finden. Bei weiterem Therapieversagen ist eine Anti-IgE-Therapie mit Omalizumab in einer Dosis von 300 mg/Monat subkutan leitliniengerecht indiziert. Bei Patienten, die auf diese Therapie nicht ansprechen, sollte ggf. auch hier ein Updosing auf 450 mg oder 600 mg erfolgen (Off label), wobei hier eine Überweisung in ein Urtikaria-Zentrum zur weiteren diagnostischen Abklärung empfehlenswert ist. Therapieerfolge mit z. B. Cyclosporin, Montelukast, Hydroxychloroquin, H2-Rezeptorblocker oder Dapson sind beschrieben. Auch diese Therapien sind Off Label. Bei Schüben kann Kortison sieben bis zehn Tage verabreicht werden (Tabelle 2).

Induzierbare Urtikaria

Die seltenen induzierbaren Urtikaria-Formen sind einfach zu diagnostizieren, da der Patient ganz genau den Auslöser wie Kälte, Wärme, Licht, Vibration, Druck, Scherkräfte kennt (Tabelle 1). Kombinationen sind unter verschiedenen induzierbaren Formen und mit der spontanen Form möglich. Die cholinergische Form ist eine häufige Subform, die immer dann auftritt, wenn sich die Körperkerntemperatur erhöht, z. B. bei Anstrengung, bei Stresssituationen oder in der heißen Badewanne. Hier sind die Quaddeln nur stecknadelkopfgroß und verschwinden häufig innerhalb von 20 – 30 Minuten. Eine Ursachensuche ist bei den induzierbaren Formen nicht erforderlich. Die Therapie der induzierbaren Urtikaria-Formen entspricht der spontanen Urtikaria, wobei Omalizumab nur bei der chronisch spontanen Form zugelassen ist.

Prognose und Krankheitsverlauf

Die Urtikaria tritt meist spontan auf und kann über Jahre Bestand haben. Anders als bei Psoriasis oder Neurodermitis wird sie bis auf eine sehr seltene Form der Kälteurtikaria nicht vererbt. Eine individuelle Ursachensuche und symptombezogene suffiziente frühe Therapie ist unabdingbar und möglich. So können hohe sozioökonomische Kosten durch unnötige Notfälle oder Arbeitsunfähigkeiten und später auch Chronizität sowie Komorbiditäten vermieden werden.

Fazit für die Praxis
Das Management der Urtikaria hat sich in den letzten Jahren weitgehend vereinfacht. Durch Ermittlung der Krankheitslast, vereinfachtes diagnostisches Vorgehen sowie verbesserte therapeutische Optionen können Patienten besser versorgt werden.


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Autorin:

Priv. Doz. Dr. med. Petra Staubach, Mainz

Hautklinik und Poliklinik Universitätsmedizin Mainz
55131 Mainz

Interessenkonflikte: Die Autorin ist für die Firmen Novartis und MSD als Referentin tätig. Für Novartis nimmt sie an Advisory Boards teil und erhält Unterstützung zu einem Forschungsprojekt.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (10) Seite 60-63