"Jetzt hat‘s mich auch erwischt." "Mir geht’s wie allen anderen." "Mir tut alles weh." "Mir platzt der Schädel." So oder ähnlich, je nach den führenden Beschwerden oder der Ausdrucksfähigkeit des Patienten, wird der Arzt konfrontiert mit den Klagen der Patienten, in der Regel gehäuft während der Grippesaison. Und auch, wenn er scheinbar das hat, was alle haben, sollte man es nicht beim Ausfüllen der AU und dem Rat, ASS zu kaufen und sich auszuruhen, bewenden lassen.
Ich habe mir für diese Fälle ein Untersuchungsprogramm angewöhnt, welches routinemäßig abläuft, wenig Zeit beansprucht und eine gewisse Sicherheit liefert, nichts Wesentliches übersehen zu haben, und ggf. die Indikation für eine Antibiotikaverordnung zu stellen.
So wird nichts vergessen
Ein schneller Griff an die Stirn zum Erfassen einer erhöhten Temperatur, ein Druck beidseits aufs Mastoid, ein Abtasten des Kiefer-Halswinkels auf das Vorhandensein von Lymphknoten (weich?, verschieblich?) und ein Abklopfen der Nasennebenhöhlen lassen sich in einem Zug durchführen. Eine Inspektion des Rachens mittels Licht (eine entsprechende Möglichkeit mit Kaltlicht für einen Ohrenspiegel und einen beleuchteten Mundspatelhalter gibt es bei uns in jedem Sprechzimmer), das Auskultieren der Lunge und ein Druck auf die Nierenlager vervollständigen das Programm.
Die Frage nach weiteren Beschwerden (Durchfall, Brennen beim Wasserlassen ) schließt die Diagnostik ab.
Antibiotika verordnen?
Die Notwendigkeit einer Antibiotikagabe ergibt sich hier gelegentlich aus dem Lokalbefund (eitrige Mandeln, massive Rasselgeräusche), gelegentlich erklärt eine ausgeprägte Spastik über der Lunge die Angabe eines hartnäckigen Hustens und erfordert die Gabe bronchospasmolytischer Wirkstoffe.
Ansonsten wird je nach führenden Beschwerden zum Kauf von ASS geraten; bei Klagen über Halsweh oder Schluckbeschwerden zum Gebrauch von Salbeibonbons oder -tee.
Nie fehlt der Hinweis auf das Kauen von Salbeiblättern, falls ein solcher Strauch im Garten vorhanden ist (meine Kinder wurden in der Regel damit versorgt, wenn sie mich nach der Heimkehr von der Abendsprechstunde mit entsprechenden Klagen konfrontierten).
Nur bei Erwachsenen ohne Alkoholprobleme (und nur praktikabel im Raum Regensburg) rate ich zur Einnahme eines Löffels Karmelitergeist in einer Tasse Tee. Dieses "Wundermittel" bei Erkältungen wird in einem Kloster immer noch von den Patres nach einem überlieferten Rezept destilliert.
Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (2) Seite 52-53