Sie überlegen, ob eine persönliche Veränderung in Richtung Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) für Sie infrage kommt? Hierbei sollten nicht nur die eigenen Ziele grundlegend hinterfragt und honorarrechtliche Regelungen geklärt werden – auch zulassungsrechtliche Aspekte spielen eine große Rolle. Nicht alles, was individuell sinnvoll scheint, ist rechtlich auch machbar. Wesentliche Hürden sind die Bedarfsplanung und das Zulassungsrecht. Allerdings bietet das MVZ gegenüber der klassischen Praxis auch neue Optionen.

Zwar gilt im Wesentlichen, dass sämtliche Rechtsvorgaben, die für Vertragsärzte gelten, auch direkt auf das MVZ anzuwenden sind. Jedoch gibt es natürlich auch rechtliche Besonderheiten.

Hintergrund ist, dass der Gesetzgeber mit den MVZ eine Versorgungsform begründet hat, bei der erstmals nicht die persönliche Zulassung des Arztes ausschlaggebend ist. Vielmehr ist das MVZ dadurch gekennzeichnet, dass die Zulassung dem "MVZ als solchem" erteilt wird, dem wiederum mehrere Sitze – förmlich Arztstellen genannt – zugeordnet sind.

Dadurch kann im MVZ die eigentliche Leistungserbringerebene personell von den Eigentümern der Praxis abweichen. Dies ist z. B. bei allen krankenhausgetragenen MVZ der Fall. Aber auch wenn Vertragsärzte Inhaber oder Gesellschafter eines MVZ sind und damit eine Personenidentität zwischen Leistungserbringer und Gesellschafter besteht, bleibt stets die zwischen diesen beiden Ebenen gelagerte MVZ-Gesellschaft derjenige Rechtskörper, dem die Zulassung zur Teilnahme an der ambulanten Versorgung erteilt wurde. Äquivalent zum Vertragsarzt ist damit rechtlich die MVZ-Gesellschaft, die mit ihrer Zulassung zum Träger der Rechte (Teilnahme an der Versorgung zulasten der GKV) und Pflichten (Verpflichtung zum Angebot von Sprechstunden und Beteiligung am Bereitschaftsdienst der KV) wird.

Praktisch bedeutet dies, dass ein MVZ – gegebenenfalls losgelöst von der einzelnen in dem MVZ tätigen Arztpersönlichkeit – durch Veräußerung von Gesellschafteranteilen an Dritte übertragen werden kann. Denn anders als bei einem Vertragsarzt, bei dem die Beendigung der Tätigkeit stets mit der Rückgabe der Zulassung verbunden ist, bleibt die MVZ-Gesellschaft als Zulassungsträger bestehen. Das heißt, dass der Praxisbetrieb mit neuen Gesellschaftern nahtlos fortgesetzt werden kann. Grenzen setzt hierbei das SGB V, demgemäß Gesellschafter eines MVZ nach heutigem Recht im Wesentlichen nur Vertragsärzte und Krankenhäuser sein dürfen. Eine Ausnahme besteht ergänzend für nichtärztliche Dialyseträger.

Mehr als drei angestellte Ärzt im MVZ möglich

Aus dem eigenständigen Rechtsstatus der MVZ-GbR oder -GmbH ergibt sich eine weitere maßgebliche Besonderheit: Denn sowohl für Patienten (Behandlungsvertrag) als auch für Ärzte (Anstellungsvertrag) ist der Rechtspartner stets die MVZ-Gesellschaft. Für diese gilt die bekannte Beschränkung aus dem Bundesmantelvertrag Ärzte, nach der ein Hausarzt maximal drei Kollegen bei sich anstellen darf, nicht.

Einfacher ausgedrückt: Die Vorgaben zur höchstpersönlichen Leistungserbringung gelten zwar in vollem Umfang auch für jeden einzelnen MVZ-Arzt, nicht aber für die MVZ-Gesellschaft selbst. Dadurch ist es zulässig, in einem MVZ gegebenenfalls auch deutlich mehr als drei Ärzte anzustellen – inwieweit das im Einzelfall sinnvoll ist, steht freilich auf einem anderen Blatt. Dennoch gilt dies selbst dann, wenn die betreffende MVZ-Gesellschaft nur einen Arzt als alleinigen Gesellschafter haben sollte.

Mindestens zwei Köpfe auf Leistungserbringerebene

Minimalbedingung für die Gründung eines MVZ sind nach der aktuellen Spruchpraxis der Zulassungsausschüsse zwei halbe Sitze. Es kann also theoretisch mit einem Vertragsarztsitz ein MVZ gegründet werden – Bedingung ist jedoch, dass auf diesem Sitz zwei Ärzte angestellt oder als Vertragsärzte tätig sind. Als Faustregel gilt somit, dass es zur MVZ-Gründung immer mindestens zwei "Köpfe" auf der Leistungserbringerebene braucht. Ein Vertragsarzt kann so zwar ein MVZ als Alleingesellschafter gründen, gegebenenfalls auch ohne selbst darin tätig zu sein, es sind jedoch stets mindestens zwei Ärzte nötig, die darin tätig werden – dies heutzutage zumeist im angestellten Status. Hintergrund ist, dass es für Vertragsärzte aufgrund der verschiedenen gesetzlichen Änderungen in diesem Bereich seit 2004 zunehmend weniger Sinn macht, in diesem Status in einem MVZ tätig zu werden.

Nach oben ist die Größe eines MVZ theoretisch nicht begrenzt, jedoch ergeben sich natürliche Grenzen aus der Bedarfsplanung, an die MVZ genau wie ihre niedergelassenen Kollegen voll gebunden sind.

Anstellungen sind somit ausschließlich in dem Umfang möglich, wie im MVZ freie Arztstellen tatsächlich vorhanden sind. Für jeden einzelnen MVZ-Arzt wird folglich ein freier Sitz sowie eine persönliche Genehmigung zur Anstellung benötigt. Letztere ist beim Zulassungsausschuss zu beantragen. Einzige Ausnahme stellen die bedarfsplanungsneutral agierenden Jobsharing-Ärzte dar, die es auch in der Angestelltenvariante gibt. Auch sämtliche Veränderungen z. B. hinsichtlich der vereinbarten Arbeitszeit oder bei Wechsel des Arztes sind statusbegründend, müssen also stets vorab vom Zulassungsausschuss genehmigt werden.

In gesperrten Planungsbereichen stehen MVZ damit mit den niedergelassenen Kollegen im Wettbewerb um die begehrten Sitze. Denn sie können sich – wie bei Ärzten bekannt und üblich – ebenfalls als Nachfolger auf einen zur Nachbesetzung ausgeschriebenen Arztsitz bewerben. Vertragsärztliche MVZ sind hierbei – anders als z. B. Krankenhaus-MVZ, die kraft Gesetz nachrangig behandelt werden – anderen ärztlichen Bewerbern gleichgestellt. Die Auswahlentscheidung obliegt dem örtlichen Zulassungsausschuss und folgt der Vorgabe, nach pflichtgemäßem Ermessen den geeignetsten Bewerber auszuwählen.

Verlagerung des Vertragsarztsitzes in ein MVZ

Da diese Entscheidungen – gerade wenn MVZ beteiligt sind – in aller Regel schwer berechenbar sind, nutzen MVZ gern die vom Gesetzgeber alternativ vorgesehene Möglichkeit, im Wege der Sitzeinbringung nach § 103 Absatz 3a SGB V zu wachsen. Zwei Ärzte können auf diese Art zusammen ein MVZ gründen oder erweitern. Dahinter verbirgt sich die Option, ohne offenes Ausschreibungsverfahren den bestehenden Vertragsarztsitz zwecks Fortsetzung der eigenen ärztlichen Tätigkeit in Anstellung in ein MVZ zu verlagern. Auf die Genehmigung einer solchen Umwandlung besteht nach aktueller Rechtslage ein Anspruch. Jedoch ist hier zu beachten, dass mit diesem Vorgang gegebenenfalls verbundene räumliche Verlegungen einer Praxis hinsichtlich ihrer Folgen für die regionale Versorgung gesondert geprüft werden, so wie dies bei allen Sitzbewegungen der Fall ist. Bei Unsicherheiten im Einzelfall ist es daher empfehlenswert, vorher Rat bei der zuständigen KV zu suchen.

Jedoch ist diese Option an die tatsächlich bestehende Absicht des Vertragsarztes gebunden, angestellt weiterarbeiten zu wollen. Dies hat kürzlich das Bundessozialgericht noch einmal konkret bekräftigt, wodurch viele ältere Kollegen aufgeschreckt wurden. Denn die Richter verlangen eine Weiterbeschäftigung des einbringenden Arztes von drei Jahren, wobei sie eine schrittweise Reduktion des Tätigkeitsumfanges für zulässig erachten. Auch wenn die Folgen dieser noch jungen BSG-Entscheidung aktuell sehr heiß diskutiert werden und im Moment nicht für jeden Fall klar vorhergesagt werden können, gilt: Als reines Abgabemodell für Hausärzte, die in den Ruhestand gehen wollen, empfiehlt sich dieses Verfahren nur bedingt. Eine vorausschauende Planung und auch die Einbindung eines fachlich versierten Anwalts sind empfehlenswert.

Wechsel ins Angestelltenverhältnis

Jedoch ist diese Variante der MVZ-Gründung aufgrund der Gesetzesänderung vom Sommer 2015, mit der Vertragsärzte auch nach einem solchen Verzicht Gesellschafter eines MVZ sein können, eine echte Option, mit der Hausärzte ohne Verzicht auf Entscheidungsgewalt oder Einkommen in den Angestelltenstatus wechseln können. Angesichts des in vielen Regionen drohenden Zwangsaufkaufes von Arztsitzen kann das eine sehr überlegenswerte Option sein. Dies auch deshalb, weil die Möglichkeit, angestellte Arztsitze hinsichtlich des damit verbundenen Versorgungsauftrages nicht nur halbieren, sondern auch vierteln zu können, eine interessante Variante für den eigenverantwortlich gestalteten, schrittweisen Übergang in den Ruhestand sein kann.

Und tatsächlich zeigt die Erfahrung, dass viele ältere Kollegen nach einem Berufsleben als Vertragsarzt gern auf einer halben oder Viertelstelle angestellt arbeiten und somit sowohl ihr Wissen weiter einbringen und anwenden als auch kürzer treten und den Stress mit Abrechnung und KV ihrem (neuen) Arbeitgeber überlassen können.

Grundsätzlich gelten diese Aussagen zur Anstellung auch für Berufsausübungsgemeinschaften (BAG). Da hier aber der Zulassungsstatus – anders als beim MVZ – kein eigenständiger ist, sondern aus der jeweils persönlichen Zulassung der beteiligten Praxispartner folgt, ergeben sich andere Rechtsfolgen. In diesem Sinne unterscheidet sich das MVZ von der BAG vertragsarztrechtlich im Kern dadurch, dass im MVZ die Zulassung zur Versorgung von der einzelnen Arztpersönlichkeit entkoppelt ist. Daraus ergeben sich Vor- und Nachteile im Zulassungsrecht, die es vor der Entscheidung für oder gegen die jeweilige Praxisform individuell abzuwägen gilt.

Vorteile bei der GmbH-MVZ nutzen

Die dargestellten Besonderheiten kommen vor allem bei MVZ in der Rechtsform einer GmbH folgenreich zum Tragen, was auch der Grund ist, weshalb in der statistischen Betrachtung diese Rechtsform zunehmend an Bedeutung gewinnt. Aktuell bestehen drei von vier MVZ, darunter viele Vertragsarzt-MVZ, in der Rechtsform der GmbH. Gleichzeitig gab es zum Jahresende 2015 insgesamt überhaupt nur 83 MVZ, in denen keine angestellten Ärzte tätig waren, was einem Anteil von 4 % entspricht. Damit geht der Trend, der durch die aktuelle Gesetzgebung befeuert wird, deutlich in Richtung von MVZ-GmbHs, die im Wesentlichen mittels angestellter Ärzte tätig werden. Das ist ganz klar auch eine Option für kooperationsinteressierte Hausärzte, die bereits jetzt mit bundesweit 2.016 in MVZ tätigen Kollegen die insgesamt größte Facharztgruppe unter den MVZ-Ärzten darstellen.



Autor:

Susanne Müller

Geschäftsführerin des Bundesverbandes Medizinische Versorgungszentren – Gesundheitszentren
– Integrierte Versorgung e. V.
10117 Berlin

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (20) Seite 88-93