Um das Risiko systemischer Komplikationen zu verringern und die Lebensqualität betroffener Patienten zu erhöhen, ist eine Sicherung bzw. Stabilisierung mundgesunder Verhältnisse bei Patienten mit Niereninsuffizienz unter Dialysetherapie sowie nach Nierentransplantation anzustreben. Bei der medizinischen Behandlung Niereninsuffizienter sollte daher die kontinuierliche Beachtung des oralen Zustands und der zahnmedizinischen Versorgungssituation zum Standard gehören.

Das nephrologische Team sollte hier besonders auf häufig auftretende orale Besonderheiten dieser Patienten achten, wie u.a. Xerostomie, Erkrankungen des Zahnhalteapparats (Gingivitis, Parodontitis) und Mundschleimhauterkrankungen. Niereninsuffiziente Patienten sollten unabhängig von Erkrankungsschwere und Therapie möglichst frühzeitig für regelmäßige, präventionsorientierte Zahnarztbesuche und eine gute persönliche Mundhygiene motiviert und sensibilisiert werden. Hierfür sind der Aufbau und die Umsetzung multidisziplinärer Betreuungskonzepte erforderlich, die Patienten umfassend und fallorientiert bei der Schaffung und dem Erhalt mundgesunder Verhältnisse begleiten und unterstützen.

Eine frühzeitige, präventionsorientierte zahnmedizinische Betreuung – bereits bei Auftreten bzw. Feststellung einer Niereninsuffizienz– erscheint nach aktueller Einschätzung sinnvoller als die (teils radikale) Zahnsanierung vor Nierentransplantation bzw. macht diese sogar in vielen Fällen nicht mehr notwendig. Gemeinsam sollten künftig Nephrologen und Zahnmediziner an Handlungsempfehlungen und Betreuungskonzepten für die orale Gesundheit von Patienten mit Niereninsuffizienz arbeiten, um deren Mundgesundheitssituation nachhaltig zu verbessern.

Hintergrund

Obwohl Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz, insbesondere unter Dialysetherapie sowie nach Nierentransplantation, als Risikopatienten in der zahnärztlichen Praxis gelten, ist deren Mundgesundheitssituation oftmals insuffizient (1–3). Hierfür ist ein Ursachenkomplex anzunehmen, der sich aus zahlreichen oralen und systemischen Besonderheiten dieser Patienten (physisch und psychosozial) in Kombination mit einer unzureichenden interdisziplinären Zusammenarbeit und fehlenden zahnmedizinischen Betreuungskonzepten (Special care) zusammensetzt (4,5). Dies ist insofern problematisch, da orale Erkrankungen für die Patienten zum einen ein Risiko für die systemische Gesundheit darstellen,zum anderen negative funktionelle (Kauen, Schlucken, Sprechen) sowie lebensqualitätsmindernde Auswirkungen haben können (6–9). Demnach scheint die frühzeitige, präventionsorientierte zahnmedizinische Betreuung der Patienten ein sinnvoller Ansatz, um langfristig mundgesunde Verhältnisse zu erhalten.

Dieser Beitrag zeigt die Thematik "Mundgesundheit bei nephrologischen Patienten" für das nephrologische Team sowie mögliche praktische Implikationen. Hierfür werden Grundlagen zu oralen Erkrankungen und Besonderheiten betroffener Patienten vorgestellt und mit klinischen Konsequenzen verknüpft.

Orale Erkrankungen– Epidemiologie und Ätiologie

Erkrankungen der Mundhöhle, insbesondere Karies und Parodontalerkrankungen (Gingivitis und/oder Parodontitis), gehören zu den höchstprävalenten chronischen Erkrankungen weltweit (10). Beide Krankheiten können grundsätzlich durch Präventionsmaßnahmen in ihrer Entstehung verzögert oder gar gänzlich vermieden werden; allerdings ist vor allem im Zusammenhang mit soziodemografischen (Alter, Gesundheitsverhalten) und ökonomischen (Einkommen, Förderung präventiver Maßnahmen durch das Gesundheitssystem) Faktoren von einer hohen oralen Erkrankungslast in der Bevölkerung auszugehen (10). In Deutschland ist die Situation zwiegespalten: Die Kariesprävalenz (behandlungsbedürftige Karies) ist vergleichsweise gering, während die parodontale Behandlungsbedürftigkeit nahezu bei drei Viertel der erwachsenen deutschen Allgemeinbevölkerung vorliegt (11).
Karies und Parodontitis weisen zudem Zusammenhänge mit systemischen Erkrankungen und damit verbundenen Faktoren (z.B. Mangelernährung) auf; dies spielt insbesondere bei Parodontalerkrankungen eine Rolle und führt zu einer verstärkten Prävalenz als auch Erkrankungsschwere bei Patienten mit zahlreichen Allgemeinerkrankungen (12).

Ätiologisch stellt Karies einen multifaktoriellen Erkrankungsprozess der Zahnhartsubstanz dar (13). Abhängig von kohlenhydratreichem Substrat kommt es zu einer Verschiebung des bakteriellen Biofilms zugunsten einer Besiedlung mit potenziell stärker kariogenen Mikroorganismen (14). Dies hat eine Demineralisierung der Zahnhartsubstanz zur Folge, die in Phasen der Progression und der Stagnation abläuft und im Verlauf zur irreversiblen Destruktion mit Kavitation der Zahnoberfläche führen kann (Abb.1). Modifizierende Faktoren für diesen Prozess sind Ernährungs- und Mundgesundheitsverhalten der Patienten sowie diverse Wirtsfaktoren, Speichelfließrate und -pufferkapazität und auch das Immunsystem, die das Ausmaß der Demineralisierung und das Remineralisationspotenzial der Zahnhartsubstanz determinieren (13).

Auch entzündliche Parodontalerkrankungen sind ein multifaktorielles Geschehen, in dessen Fokus primär eine Dysbiose des parodontalen Biofilms steht. Diese kann zur immunologischen Dysbalance im parodontalen Gewebe und damit zu dessen Schädigung führen (15). Insbesondere die immunologische Interaktion zwischen parodontalem Gewebe und potenziell parodontal pathogenen Bakterien wird dabei durch wirtseigene (z.B. Stoffwechsel- oder Autoimmunerkrankungen) als auch Umweltfaktoren (z.B. Rauchen) beeinflusst (15). Mit fortschreitender Erkrankungsmanifestation, also durch Knochenabbau und parodontaler Taschenbildung, kommt es zu einer weiteren Zunahme anaerober, gramnegativer Bakterien mit hohem parodontal pathogenem Potenzial und damit zur Verstärkung der immunologischen Dysbalance (16, Abb.2). Auch diese chronische Erkrankung verläuft in der Regel in Phasen der Progression
und der Stagnation und führt langfristig zu Zahnlockerung und -verlust.

Mundgesundheitssituation von Patienten mit Niereninsuffizienz

Nach heutigen Kenntnissen besteht grundsätzlich ein Defizit in der Mundgesundheitssituation (dental/parodontal) niereninsuffizienter Patienten (2).
Abhängig von der Schwere der vorliegenden Nierenschädigung und von der Therapie (Dialyse, Transplantation) ergeben sich zwischen den Patientengruppen einige Unterschiede bzw. spezifische Besonderheiten (Tab.1). Im Folgenden soll auf die zahnmedizinischen Besonderheiten der einzelnen Patientengruppen eingegangen werden.

Niereninsuffizienz

Bei Patienten mit Niereninsuffizienz ist die Situation heterogen, wobei Schwere und Dauer der Niereninsuffizienz im Wesentlichen mit einer Verschlechterung der Mundgesundheitssituation vergesellschaftet sind (2,17). Insgesamt erhöht das Vorliegen einer Niereninsuffizienz das Risiko für parodontale Entzündung und damit verbundenem Knochenverlust (17,18). Während molekulare Zusammenhänge zwischen Niereninsuffizienz und Parodontitis vermutet und beschrieben wurden (19), ist eine bidirektionale Beziehung nach aktuellem Kenntnisstand kaum evident (18). Die Aussagen zur Kariesprävalenz bei niereninsuffizienten Patienten sind aktuell widersprüchlich, scheinen jedoch maßgeblich abhängig von der Speichelfließrate und -zusammensetzung (20,21).

Ungeachtet möglicher kausaler Zusammenhänge zwischen oralen Erkrankungen und Niereninsuffizienz ist die insgesamt erhöhte orale Erkrankungslast sowie ein unzureichendes zahnärztliches und Mundgesundheitsverhalten anzunehmen (2,4). Dies ist von besonderer klinischer Relevanz, da sich hier bereits eine Versorgungslücke für die folgenden nephrologischen Erkrankungs- bzw. Therapiezustände (Dialyse, Transplantation) entwickelt und manifestiert.

Aktuell existieren keine Handlungsempfehlungen und/oder Betreuungskonzepte für die zahnmedizinische Versorgung dieser Patientengruppe. Im Kontext einer präventionsorientierten zahnmedizinischen Betreuung nimmt jedoch gerade diese Gruppe von Patienten einen außerordentlich hohen Stellenwert ein.

Dialysetherapie

Von den drei vorgestellten Patientengruppen sind Dialysepatienten,vor allem jene unter Hämodialyse, die bisher am besten zahnmedizinisch untersuchte. Aus einer multinationalen Kohortenstudie lässt sich eine hohe Prävalenz oraler Erkrankungen, wie Karies und Parodontalerkrankungen, bei Dialysepatienten feststellen (1). Auch eine aktuelle Übersichtsarbeit bestätigt diese Erkenntnisse (3). In diesem Kontext sind 2 nachfolgende Aspekte relevant: die Auswirkungen der Dialysetherapie und begleitender Faktoren auf die Mundgesundheit (Abb.3) sowie die Auswirkungen der Mundgesundheitssituation auf die systemische Gesundheit der Dialysepatienten (Abb.4).

Auswirkungen der Dialyse auf die Mundgesundheit

Sowohl Patienten unter Peritoneal- als auch Hämodialyse scheinen einen unzureichenden dentalen und/oder parodontalen Mundgesundheitszustand zu haben (22), jedoch ist die orale Gesundheit bei Hämodialysepatienten vermutlich schlechter (23). Eine Begründung könnte die größere Selbstbestimmtheit bei Peritonealdialyse darstellen. Ein weiterer relevanter Einflussfaktor auf die insuffizienten Mundgesundheitsverhältnisse ist die Dauer der Dialysetherapie (nicht gemeint ist hier die Dialysezeit pro Behandlung, sondern die gesamte Dauer der Dialysebehandlung, z.B. in Jahren), wobei eine zunehmende Dialysedauer mit schlechteren Mundgesundheitsverhältnissen verbunden ist (9, 24).

Als wesentlicher Einflussfaktor auf die orale Gesundheit ist zudem die Veränderung von Speichelmenge und -zusammensetzung anzuführen (8). Im Verlauf der Dialysetherapie tritt oftmals eine Hyposalivation bis hin zur Xerostomie auf, was u.a. gesteigerte Zahnsteinbildung, virale und Pilzinfektionen sowie nichtkariöse Zahnhartsubstanzdefekte zur Folge haben kann (25, 26). Die Xero-stomie führt zudem gehäuft zu Schluckbeschwerden und Missempfindungen in der Mundhöhle, wie z.B. zum Burning Mouth Syndrom (27). Einhergehend mit einer negativen Beeinflussung des Immunsystems durch die Dialyse ist zudem eine verstärkte Prädisposition für Parodontitis als auch Infektionen der Mundschleimhaut auffällig, vor allem durch Candida (28, 29). Komorbiditäten wie Diabetes mellitus (verstärktes Parodontitisrisiko, verringerter Speichelfluss) sowie die antihypertensive Medikation mit Calciumkanalblockern (Gingivawucherungen) sind weitere potenzielle Einflussfaktoren auf die Mundgesundheit (30,31).

Neben diesen erkrankungsbezogenen Parametern ist die geringe Nutzung von ergänzenden Mundhygienemaßnahmen sowie ein Wechsel von kontroll- zu beschwerdeorientierten Zahnarztbesuchen dem Ursachenkomplex für die unzureichende Mundgesundheitssituation der Patienten zuzuordnen (2,4). Außerdem sind psychosoziale Besonderheiten von Relevanz: Aufgrund der ausgeprägten emotionalen Belastung bedingt durch die Grunderkrankung und Dialysetherapie nehmen die Patienten ihren insuffizienten Mundgesundheitszustand oftmals nicht als Einschränkung bzw. verbesserungsbedürftige Situation wahr (9,32). Dies liefert eine mögliche Erklärung für das reduzierte zahnärztliche Verhalten betroffener Patienten und könnte sich ebenso negativ auf deren physische orale Situation auswirken.

Mundgesundheit und systemische Gesundheit von Dialysepatienten

Infektiöse Erkrankungen der Mundschleimhaut, der Zähne und des Zahnhalteapparats sind ein mögliches systemisches Komplikationsrisiko für Dialysepatienten. Aufgrund der entzündlichen Auflockerung der epithelialen Barriere bei parodontaler Inflammation in Kombination mit einer hohen Bakterienlast besteht ein erhöhtes Bakteriämierisiko;für immunkompromittierte Patienten wie Dialysepflichtige kann diese Bakteriämie zu systemischen Infektionen bis zur Entwicklung einer Sepsis führen (33,34). Dementsprechend ist eine Assoziation zwischen Parodontitis und Mortalität bei Dialysepatienten vorstellbar (35,36). Weiterhin können Parodontalerkrankungen einen Risikofaktor für Pneumonien bei Dialysepatienten darstellen (7). Darüber hinaus sind Zusammenhänge zwischen Parodontitis und Mangelernährung, systemischer Entzündung und Arteriosklerose bei Patienten unter Dialysetherapie beschrieben (6). Insgesamt stellt die insuffiziente Mundgesundheitssituation von Dialysepatienten also ein Gesundheitsrisiko dar, weshalb die zahnmedizinische Betreuung dieser Patienten eine wesentliche klinische Relevanz besitzt. Im Gegensatz zu dieser Annahme sind auch hier keine verbindlichen Handlungsempfehlungen und/oder Betreuungskonzepte verfügbar.

Nierentransplantation

Wie alle organtransplantierten Patienten werden auch Patienten nach Nierentransplantation lebenslang mittels immunsuppressiver Medikation therapiert, was zu zahlreichen Effekten im Zusammenhang mit der Mundgesundheit führen kann: Veränderungen der Mundschleimhaut (37), Pilzinfektionen (38) und Gingivawucherungen (39) sind dabei vorrangig zu erwähnen. Da für Immunsupprimierte auch ein infektiöses Komplikationsrisiko im Zusammenhang mit oralen Infektionen und/oder zahnärztlichen Interventionen (Notwendigkeit einer prätherapeutischen Antibiotikaprophylaxe) vorliegt, ist eine zahnärztliche Sanierung vor und lebenslange präventive Betreuung nach Transplantation gefordert (40–42). Bezüglich der zahnärztlichen Versorgungssituation von Nierentransplantierten zeigt sich jedoch ein anderes Bild: Sowohl kurz nach Transplantation als auch bei bereits lange transplantierten Patienten liegt eine hohe zahnärztliche Behandlungsbedürftigkeit (dental und/oder parodontal) vor (42, 43).
Auch das Mundgesundheitsverhalten weist Defizite auf, die vergleichbar mit Dialysepflichtigen sind (43). Während lediglich eine Stellungnahme für die zahnmedizinische Behandlung im Zusammenhang mit Organtransplantation existiert (44), fehlen auch hier suffiziente, aktuelle Betreuungskonzepte.

Implikationen für die Betreuung von Patienten mit Niereninsuffizienz

Aus den oben beschriebenen Besonderheiten ergeben sich einige praktische Implikationen für die Betreuung von Patienten mit Niereninsuffizienz. Diese können in 3 Gruppen unterschieden werden: Konsequenzen für Zahnärzte, Konsequenzen für Nephrologen sowie Konsequenzen für Patienten. Relevante Punkte für den Zahnarzt liegen dabei primär in dessen Verantwortungsbereich und setzen entsprechende Diagnostik und Indikationsstellung aus zahnmedizinischer Perspektive voraus. Demnach sind diese für den Nephrologen von eingeschränkter Bedeutung. Es soll daher in diesem Beitrag nur auf die beiden für den Nephrologen primär relevanten Aspekte eingegangen werden.

Konsequenzen für Nephrologen

Patienten mit Niereninsuffizienz sollten möglichst frühzeitig über die Notwendigkeit regelmäßiger Zahnarztbesuche und guter Mundhygiene zur Schaffung und zum Erhalt mundgesunder, stabiler Verhältnisse aufgeklärt werden. Dies erscheint langfristig ein wesentlicher Ansatzpunkt; wenn niereninsuffiziente Patienten einmal erfolgreich in ein zahnmedizinisches Betreuungskonzept integriert sind, wird die Stabilisierung der Mundgesundheit im Falle der Notwendigkeit einer Dialysetherapie oder Nierentransplantation wesentlich leichter umsetzbar sein (3).

Für Patienten unter Dialyse sollte ebenfalls regelmäßig die Wichtigkeit guter Mundgesundheit adressiert werden. Da diese Patienten oftmals die Mundgesundheitssituation nicht als besonders bedeutsam bzw. störend empfinden (9, 32), sollte hier verstärkt auf die Sensibilisierung der Patienten für die orale Gesundheit eingegangen werden. Aufgrund der verstärkten psychosozialen Belastung bei Patienten, die erst kurzzeitig unter Dialysetherapie sind (9), sollte bei diesen Patienten besonders intensiv und konsequent auch das Thema Mundgesundheit thematisiert werden. Hierbei steht das nephrologische Team als enger Begleiter dieser Patienten im Fokus.

Vor Nierentransplantation ist eine zahnärztliche Untersuchung und ggf. indikationsbezogene Sanierung nach aktuellem Kenntnisstand obligat (40). In einem solchen Rahmen kann zwar ein möglicher entzündlicher Fokus eliminiert (z.B. Extraktion eines endodontisch beherdeten Zahnes), jedoch kein präventionsorientiertes Gesamtkonzept umgesetzt werden. Vielmehr ist deshalb eine frühzeitige Behandlungsplanung und -umsetzung bereits langfristig vor Transplantation anzustreben (42). Während Zahnextraktionen vor allem ohne nachhaltiges Versorgungskonzept auch die Ernährungssituation und damit Mortalität der Patienten negativ beeinflussen können (45), sind der Zahnerhalt und die Schaffung von oraler Entzündungsfreiheit für die Patienten von nachhaltiger klinischer Relevanz. Demnach sollten Nephrologen potenzielle Transplantationskandidaten frühzeitig zielgerichtet dem (Haus-)Zahnarzt zuweisen.

Um eine inhaltlich adäquate und in den Rahmenbedingungen bedarfsgerechte (fallorientierte) Versorgung als präventive Nachsorge der niereninsuffizienten Patienten zu ermöglichen, scheint die Etablierung interdisziplinärer Betreuungskonzepte relevant. Hierbei sollten möglichst kompetente zahnärztliche Ansprechpartner gesucht und detailliert über die Besonderheiten der Patienten informiert werden. Zusätzlich sollte man bei Patienten auf orale Beschwerden und Symptome achten. Häufig kommt es vor allem bei Dialysepatienten zur Xerostomie und damit verbunden zu hohem Kariesrisiko (Abb.5).
Entsprechend sollten Patienten, die über Mundtrockenheit berichten, explizit dem Zahnarzt zugewiesen werden; zur Linderung xerostomiebedingter Beschwerden lassen sichzudem zuckerfreie Kaugummis zur Speichelstimulation sowie Speichelersatzmittel und ggf. medikamentöse Speichelstimulanzien (z.B. Pilocarpin) einsetzen (46, 47). Weiterhin sollte auf Anzeichen parodontaler Erkrankungen, wie geschwollene/gerötete Gingiva, Halitosis, Zahnfleischbluten oder Zahnlockerung, geachtet werden (Abb.6). Bei Parodontitisverdacht sollte der behandelnde Arzt die Patienten ebenfalls konkret zum Zahnarzt verweisen. Nierentransplantierte, insbesondere mit Cyclosporinmedikation, sind ebenfalls regelmäßig auf die Notwendigkeit zahnärztlich-präventiver Maßnahmen zur Verhinderung von Gingivawucherungen hinzuweisen (Abb.7). Tabelle2 liefert eine Checkliste als Übersicht, die relevante Inhalte und Empfehlungen für Nephrologen beinhaltet.

Konsequenzen für Patienten

Wesentlich für Patienten ist selbstverständlich die Wahrnehmung der Zuweisung zum Zahnarzt sowie regelmäßige, präventions- bzw. kontrollorientierte Zahnarztbesuche. Darüber hinaus sollten Patienten täglich Mundhygienemaßnahmen durchführen, wobei Zähneputzen, Interdentalraumreinigung mittels Zahnzwischenraumbürsten und die Verwendung fluoridhaltiger Zahnpasta zu empfehlen sind (48, 49). Vor allem Patienten mit parodontaler Vorerkrankung profitieren dabei vom Einsatz elektrischer Zahnbürsten (48). Außerdem sollten die Patienten auf eine zuckerarme, ausgewogene Ernährung achten. Zusätzlich sollte der Zahnarzt stets über den allgemeingesundheitlichen Zustand informiert werden. Hierzu sollten Patienten bei jedem Zahnarztbesuch einen aktuellen Medikamentenplan mitführen. Zusätzlich können Arztbriefe sowie ein Dialyse- oder Transplantationspass dem Zahnarzt wesentliche Informationen zu Besonderheiten für die zahnärztliche Therapie liefern. Für Patienten, die eine prätherapeutische Antibiotikaprophylaxe vor zahnärztlichen Eingriffen benötigen, ist deren Einnahme etwa eine Stunde vor Behandlungsbeginn erforderlich. Tabelle3 liefert eine Checkliste als Übersicht mit Hinweisen für entsprechende Patienten.

Schlussfolgerungen und Ausblick

Die Mundgesundheit von Patienten mit Niereninsuffizienz stellt einen bedeutsamen Faktor für Allgemeingesundheit und Lebensqualität dar und bedarf einer interdisziplinären Betreuung (Special care). Grundlage ist eine gute Kommunikation und multidisziplinäre Vernetzung zwischen den Fachdisziplinen (Hausarzt/Nephrologe und Zahnarzt), wobei auch ggf. psychosoziale Aspekte durch entsprechendes Fachpersonal abgedeckt werden sollten.

Eine zahnmedizinische Betreuung sollte möglichst frühzeitig beginnen und einen Patienten präventionsorientiert durch alle möglichen Erkrankungs- bzw. Therapiephasen begleiten (Niereninsuffizienz, Dialyse, Transplantation). Ein mögliches Flussschema für die konsequente zahnärztliche Betreuung betroffener Patienten liefert Abbildung8. Zur Umsetzung dieser Konzepte bleiben jedoch aktuell einige Punkte ungeklärt: So müssen u.a. Kostenfragen für die zahnmedizinische Betreuung in der Zukunft erörtert werden. Im Weiteren sollten perspektivisch Fachzentren (Dialysezentren, Transplantationszentren, Fachärzte) "spezialisierte" zahnärztliche Ansprechpartner haben, um eine Verbesserung der zahnärztlichen Versorgungssituation der Patienten erreichen zu können. Diese zahnmedizinischen Kompetenzzentren könnten dabei entweder als Beratungs- und Kontrollinstanz oder direkt als Therapie- und Präventionsangebot für die Patienten fungieren. Insgesamt erscheint die frühzeitige Förderung einer präventionsorientierten zahnmedizinischen Betreuung bereits bei Auftreten einer Niereninsuffizienz sinnvoller als die (teils radikale) Zahnsanierung vor Nierentransplantation. Nephrologen und Zahnmediziner sollten künftig gemeinsam Handlungsempfehlungen und Betreuungskonzepte für die orale Gesundheit von Patienten mit Niereninsuffizienz erarbeiten und zielgerichtet umsetzen.


Literatur
Literatur bei den Autoren.



Autor:

Dr. med. dent. Gerhard Schmalz

Poliklinik für Zahn­erhaltung und Parodontologie, AG Interdisziplinäre Zahnerhaltung und Versorgungsforschung, Universität Leipzig

Prof. Dr. med. dent. Dirk Ziebolz, MSc

Poliklinik für Zahn­erhaltung und Parodontologie, AG Interdisziplinäre Zahnerhaltung und Versorgungsforschung, Universität Leipzig

Erschienen in: Der Nierenarzt, 2020; 7 (2) Seite 8-15