Die unterschiedlichen Entspannungsmethoden helfen, mit Stress besser umzugehen. Können diese Methoden aber auch erhöhten Blutdruck senken?

Stress spielt eine große Rolle in der Entstehung von Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die ja für ein Viertel der Todesfälle hierzulande verantwortlich sind. Stress wird ausgelöst durch belastende Lebensereignisse und Überforderungen z. B. am Arbeitsplatz. Dies überfordert unsere psychische Flexibilität und ruft vermehrt depressive, ängstliche oder feindselige Reaktionen in uns hervor. Stress führt zu vielfältigen Veränderungen der Abläufe im Körper und begünstigt so Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ob es tatsächlich dazu kommt, hängt jedoch von der Fähigkeit des Einzelnen ab, mit Stress umzugehen, aber auch vom Grad der sozialen Unterstützung.

Verschiedene Entspannungsmethoden

In kardiologischen Rehakliniken und in ärztlichen Praxen werden häufig Entspannungstechniken wie die Progressive Muskelrelaxation (PMR) oder das Autogene Training (AT) empfohlen und eingesetzt. Auch Yoga, Achtsamkeitsmeditation (MBSR), Biofeedback und Transzendentale Meditation (TM) werden gelegentlich verwendet (vgl. Übersicht). Doch wie wirksam sind diese Methoden zur Blutdrucksenkung und bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen? Gibt es Unterschiede in der Wirksamkeit?

Ein Expertengremium der AHA beurteilte die verschiedenen Entspannungs- und Meditationsmethoden in dieser Hinsicht. Dieses Gremium erarbeitete Empfehlungen für den klinischen Einsatz von Entspannungstechniken bei Bluthochdruck, die im Juni 2013 in der Zeitschrift Hypertension [3] veröffentlicht wurden.

Die AHA beurteilte dabei die Studienqualität der vorliegenden Untersuchungen nach bestimmten Kriterien: Korrekte Randomisierung, genügend häufige Blutdruckerfassung, am besten eine 24-h-RR-Messung, und eine verblindete Auswertung. Außerdem sollten die Teilnehmer der Kontrollgruppe während der Untersuchung genauso viel Aufmerksamkeit und soziale Unterstützung erfahren wie die der Entspannungsgruppe.

Beschreibung der verschiedenen Entspannungsmethoden

Biofeedback: Beim Biofeedback ist man an ein kleines Gerät angeschlossen, das z. B. eines der körperlichen Anzeichen von Entspannung wie niedrigeren Blutdruck, höhere Hauttemperatur und höheren Hautwiderstand misst und über Ton- oder Farbänderung rückmeldet. Dadurch lernt man nach und nach, den Körper noch mehr in Richtung Entspannung zu trainieren. Es wird mehrmals am Tag für 5 – 15 Minuten trainiert. Ein Kurs dauert 6 – 14 Wochen mit je 1 – 1,5 Stunden pro Woche.

Autogenes Training (AT): Beim AT wiederholt man innerlich bestimmte Formeln wie „mein Arm ist ganz schwer“, oder „mein Arm ist ganz warm“ in einer bestimmten Reihenfolge. Das führt tatsächlich zu der entsprechenden Empfindung in dem Körperteil und zu einer weitergehenden Entspannung. Das AT wird 2- bis 3-mal für 10 – 15 Minuten sitzend ausgeführt. Ein Kurs dauert etwa 10 Wochen mit je 1 – 1,5 Stunden pro Woche.

Progressive Muskelrelaxation (PMR): Bei der PMR werden nacheinander verschiedene Muskelgruppen kurz leicht angespannt und dann bewusst entspannt. In einer Abfolge geht man so durch den Körper, so dass man immer weiter in eine tiefe Entspannung hineinkommt. Die PMR, die sitzend oder liegend für 20 Minuten ausgeübt wird, heißt auch Entspannung nach Jacobsen. Ein Kurs dauert 10 Wochen à 1 Stunde pro Woche.

Achtsamkeitsmeditation (MBSR): Bei der Achtsamkeitsmeditation wird eine nichtwertende beobachtende Haltung gegenüber den momentan erlebten körperlichen Empfindungen oder gerade gedachten Gedanken eingenommen bzw. trainiert. Eine solche Haltung wird z. B. gegenüber den an den Nasenflügeln gefühlten Empfindungen des Luftstroms beim Ein- und Ausatmen eingenommen. Der Kurs dazu geht mit je 2 Stunden pro Woche über 8 Wochen. Man übt 1- bis 3-mal täglich sitzend mit geschlossenen Augen oder auch beim Gehen im Alltag.

Transzendentale Meditation (TM): Die TM ist eine einfache, geistige Technik, die in einem Kurs von 7-mal etwa 1 – 1,5 Stunden gelernt wird. Man übt die TM zweimal pro Tag für 15 – 20 Minuten bequem sitzend mit geschlossenen Augen aus. Bei der TM wird mithilfe eines inneren Klanges – Mantra genannt – die gedankliche Aktivität Schritt für Schritt verringert, bis die Aktivität der Gedanken ganz zur Ruhe kommt und ein Zustand reinen Bewusstseins erfahren wird.

Yoga: In bestimmten teils einfachen, teils komplizierteren körperlichen Stellungen, Asana genannt, verweilt man und hält längere Zeit inne bei ruhiger Atmung. Dies führt zu körperlicher und geistiger Entspannung. Die Abfolge der Stellungen, die meist auf dem Boden ausgeübt werden, dauert 5 – 20 Minuten und wird in einem Kurs von etwa 1,5 Stunden pro Woche über 6 – 10 Wochen gelernt. Atemübungen – Pranayama – und Meditationsübungen gehören teilweise auch dazu.

Wenig Belege für AT und PMR

Die AHA fand keine oder nur unzureichende Belege für die blutdrucksenkende Wirkung der meisten bei uns verwendeten Entspannungsmethoden wie PMR, AT, Yoga und MBSR. Die AHA berief sich dabei auf mehrere Metaanalysen [9, 12] und eine Cochrane-Übersichtsarbeit [5], die 16 Studien zur PMR, 6 Studien zum AT und 4 Studien zur MBSR beurteilte. In den wissenschaftlich hochwertigsten Studien ließ sich kein blutdrucksenkender Effekt sowohl bei PMR als auch bei AT nachweisen. Auch für Yoga und MBSR fanden sich bisher nicht ausreichende Belege für eine blutdrucksenkende Wirksamkeit.

Evidenz für TM und Biofeedback

Die AHA sah jedoch genügend Belege für eine Wirksamkeit von TM und Biofeedback. Für TM fand sich in 2 aktuellen Metaanalysen aus den Jahren 2007 [12] und 2008 [1] aus 6 bzw. 9 hochwertigen Studien eine blutdrucksenkende Wirkung um durchschnittlich 5 mmHg systolisch und etwa 3 mmHg diastolisch. Zwei weitere aktuellere Studien [8, 13] bestätigten das Ergebnis. Auch für Biofeedback sah die AHA genügend Wirksamkeitsbelege, um eine Empfehlung aussprechen zu können. Laut AHA können TM und Biofeedback schon bei leicht erhöhtem Blutdruck verwendet werden.

TM bei KHK-Patienten

In einer aktuellen Studie [13] ließ sich durch TM das Risiko für Sterblichkeit, Herzinfarkt und Schlaganfall bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit verringern (vgl. Abb.1).

Dabei nahmen 201 farbige US-Bürger teil, die randomisiert entweder die TM erlernten oder an einem Gesundheitserziehungskurs teilnahmen. Alle litten an einer KHK mit einer Verengung von mehr als 50 % in mindestens einem Herzkranzgefäß. Die normale Medikation wurde während der Studie beibehalten. 8,5-mal pro Woche wurde die TM praktiziert. Die Kontrollgruppe übte durchschnittlich 8,6-mal pro Woche Aktivitäten für einen gesunden Lebensstil aus.

Ergebnisse: Nach einer durchschnittlichen Beobachtungszeit von 5,4 Jahren gab es in der TM-Gruppe eine Verringerung der kombinierten Häufigkeit von Gesamtsterblichkeit, Herzinfarkt und Schlaganfall um 48 % (p=0,025). Es fand sich auch eine Abnahme des systolischen Blutdrucks um 4,9 mmHg (p=0,01) und beim Ausdruck von Ärger (p<0,05).

In der Untergruppe der Patienten, die TM besonders regelmäßig zu Hause ausübten (n=141), gingen Herzinfarkt, Schlaganfall und Sterblichkeit bei TM-Praktizierenden sogar um 68 % zurück (p=0,003).

TM: Weitere Herz-Kreislauf-Wirkungen

Für TM gibt es weitere Ergebnisse, die auf eine Wirksamkeit bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen hinweisen. Die Studien sind zwar nicht groß, d. h. es sind jeweils nur einige Dutzend Personen eingeschlossen, sie sind aber methodisch hochwertig und in angesehenen Fachzeitschriften publiziert worden (vgl. Abb. 2).

So fand sich eine Abnahme der Insulinresistenz bei KHK-Patienten nach vier Monaten TM-Praxis [11]. Es zeigte sich eine Abnahme der linksventrikulären Hypertrophie als Hinweis auf eine verringerte Belastung des Herzmuskels [2] und eine Verbesserung der Belastbarkeit bei Herzinsuffizienzpatienten [7].

Eine Abnahme der Intima-Media-Dicke der Halsschlagader konnte bei Hypertoniepatienten nachgewiesen werden [4]. Studenten im Prüfungsstress, die TM ausübten, zeigten weniger Ängstlichkeit, Depression oder Ärger. Diese Veränderungen gingen mit Blutdruckabnahmen derjenigen Studenten einher, die schon erhöhten Blutdruck hatten [8].

Eine Abnahme der Sterblichkeit bei Hypertoniepatienten konnte in einer früheren Studie nachgewiesen werden [14].

In einer Querschnittsstudie fand sich bei denjenigen, die regelmäßig die TM ausübten, eine geringere Inanspruchnahme von ambulanten und stationären Krankenkassenleistungen. So waren im 5-Jahres-Zeitraum, der untersucht wurde, durchschnittlich 50 % weniger Krankenhauseinweisungen über alle Krankheitskategorien hinweg festzustellen, 87 % weniger bei Herzkreislauf-
erkrankungen [6, 10].

Zusammenfassung

Einzelne Entspannungsmethoden wirken sich günstig auf verschiedene Aspekte von Herzkreislauferkrankungen aus. Es gibt Hinweise auf die Reduktion harter klinischer Endpunkte, denen nachgegangen werden sollte. Die AHA hält die verschiedenen Entspannungsmethoden für sicher und frei von unerwünschten Nebenwirkungen und empfiehlt aktuell die Transzendentale Meditation und Biofeedback.


Literatur:
1. Anderson JW et al. Am J Hypertens 2008, 21(3): 310–16
2. Barnes VA et al. eCAM. 2012;2012: 1–6
3. Brook RD et al. Hypertension 2013, June 61(6): 1360–83
4. Castillo-Richmond A et al. Stroke 2000, 31(3): 568–73
5. Dickinson H et al. J Hum Hypertension 2008, 22(12): 809–20
6. Herron R and Hillis S Am J Health Promot 2000, 14(5): 284–91
7. Jayadevappa R et al. Ethn Dis 2007, 17(1): 72–77
8. Nidich SI et al. Am J Hypertens 2009, 22(12): 1326-31
9. Nolan RP et al. Hypertension 2010, 55(4):1033–39
10. Orme-Johnson D. Psychosom Med 1987, 49(5): 493–507
11. Paul-Labrador M et al. Arch intern Med 2006, 166(11): 1218–24
12. Rainforth MV et al. Current Hypertens Rep 2007, 9(6): 520–28
13. Schneider RH et al. Circ Cardiovasc Qual Outcomes 2012, 5(6): 750–8
14. Schneider RH et al. Am J Cardiol 2005,95(9): 1060-64



Autor:

Dr. med. Michael Matthis, Lübeck

Allgemeinarzt, zert. Diabetologe,
23558 Lübeck

Interessenkonflikte: keine deklariert


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (10) Seite 42-44