Bei meiner 38-jährigen Patientin mit behandelter Borreliose sind seit drei Monaten im Blutbild Leukos von 3 600/µl nachweisbar. Vorher waren es immer um 5 000/µl. Besteht da ein Zusammenhang? Die Borreliose-AK sind wieder normal.
Antwort: Im Rahmen einer akuten Borreliose zeigt das Blutbild in der Regel keine typischen Veränderungen. Normalerweise findet man weder eine Leukopenie noch eine Leukozytose, wie dies für verschiedene virale oder bakterielle Infektion typisch ist.
Tritt in Zusammenhang mit einem Zeckenstich eine Leukozytopenie auf, muss meines Erachtens vor allem an andere, durch Zecken übertragene Infektionen gedacht werden. An erster Stelle rangiert hier sicher die humane granulozytäre Anaplasmose (HGA) durch den Erreger Anaplasma phagocytophilum. Man nimmt an, dass zwei Drittel dieser Infektionen asymptomatisch verlaufen. Bei einem Drittel der Infizierten entwickelt sich nach ein bis vier Wochen eine grippale Symptomatik mit Fieber (> 38,5 °C), Myalgien, Arthralgien, Kopfschmerzen, unter Umständen auch mit Schüttelfrost, Schwindel oder mit gastrointestinalen Symptomen. Bei alten und immunsupprimierten Personen sind auch fatale Verläufe beschrieben.
Da der Stich einer Ixodes-Zecke sowohl Borrelien als auch Anaplasmen (und Rickettsien) übertragen kann, sollte dies bei der Wahl des Antibiotikums berücksichtigt werden. Nur Tetrazykline (z. B. Doxycyclin), nicht aber ß-Lactamantibiotika, wirken sowohl gegen Borrelien als auch gegen Anaplasmen.
Zusammenfassung: Eine Leukozytopenie ist kein typischer Befund einer Borreliose. Blutbildveränderungen, aber auch Allgemeinsymptome wie Fieber und Zeichen eines grippalen Infektes nach einem Zeckenstich sollten Anlass geben, das Spektrum der möglichen Erreger zu erweitern. Je nach Symptomatik sollte hier zusätzlich an FSME, an Anaplasmen, Babesien und Rickettsien gedacht werden.
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (3) Seite 74